»Hoffen auf prosperierendes Weiterwursteln«

Anna Masoner stellte drei Linzer KünstlerInnen die Frage »Wovon lebst du eigentlich?«

»Wovon lebst du eigentlich?« fragten die beiden deutschen Autoren Jörn Morisse und Rasmus Engler letztes Jahr ganz unverblümt fast zwei Dutzend freiberufliche KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen. Die beiden waren ausgezogen um herauszufinden wie man ein kreatives Leben jenseits der Festanstellung finanziert. Rausgekommen ist dabei ein Buch, das »vom Überleben in prekären Zeiten« erzählt. Und dieser Satz spricht schon mal Bände. Es schaut finanziell nicht gut aus für die Kreativlinge Deutschlands (und Österreichs). Das wissen wir schon. Denn in den letzten Jahren ist bereits genug (eigentlich ist es ja nie genug) über die Prekarisierung von Arbeit besonders im Kunst- und Kulturbereich gesagt und geschrieben worden. Sehr oft kamen die wohlmeinenden Kommentare von Leuten mit fixen Jobs und in geregelten Arbeitsverhältnissen, die an Universitäten oder in Zeitungsredaktionen sitzen und den Alltag der prekären Bohemiens nur aus Erzählungen kennen. In »Wovon lebst du eigentlich« kommen nun endlich mal die Betroffenen selbst zu Wort. Und die plaudern aus dem Nähkastchen. Von ihrem Leben zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung. Von den Mischkalkulationen mit denen sie Alltag, Arbeit, Urlaub und Kunst unter einen Hut bringen. Sie, das sind neben dem Übersetzter Harry Rowohlt u.a. auch die Journalistin und Bachmannpreisträgerin Kathrin Passig, die Jungs der Musikgruppe Sport und der Filmemacher Wenzel Storch.
Alles in allem ist »Wovon lebst du eigentlich?« ein lesbares, gut gemachtes Buch, das spannende und wichtige Fragen stellt und einen ziemlich realistischen Einblick in die Arbeitswirklichkeit und das Selbstverständnis von FreiberuflerInnen im Bereich Kultur gibt.

Das Buch bot schließlich den Anlass, mich in der »heimischen« sprich Linzer Szene mal umzuhören und nachzufragen, wie die Befindlichkeiten hierzulande sind, bei den Kreativen und Kulturschaffenden. Auch in Linz leben trotz guter Ausbildung viele FreiberuflerInnen unter dem Existenzminimum und sind auf immer neue Strategien angewiesen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es folgen drei Interviews, die ich per Email mit drei Protagonistinnen aus Musik, Kunst und Kultur geführt habe, und die von Lust und Last des Durchwurtschteln erzählen.


Betty Wimmer, Künstlerin

Geboren 1973 in Bad Ischl. Die gelernte Holzbildhauerin studierte Bildhauerei an der Kunstuniversität in Linz und an der Hochschule der Künste in Berlin. 2004 Diplom mit der »Instantalm - Welt der künstlichen Natürlichkeit«: Seither Kunstprojekte mit Schwerpunkt: Objektkunst, Kunst im öffentlichen Raum, Raum bezogene Installation, Performance.

Die Einstiegsfrage lautet natürlich: Wovon lebst du eigentlich oder Was verdienst du so?

Ich habe mehrere geringfügige Jobs und je nach Möglichkeit verdiene ich 500-800 Euro, in guten Monaten auch bis 1000 Euro. Dazu kommen gelegentlich Honorare für künstlerische Aktivitäten.

Wenn nicht mit künstlerischer Tätigkeit, wie hältst du dich sonst über Wasser?

Ich bin freie Dienstnehmerin in einem Kunstbetrieb der öffentlichen Hand in Linz, eine geringfügig Beschäftigte in der KAPU und habe eine Vorstandstätigkeit mit ein bisschen Aufwandsentschädigung bei der KUPF inne. Wenn es sich dann zeitlich und kräftemäßig noch ausgeht, realisiere ich auch noch künstlerische Projekte, die im Idealfall so bezahlt sind, dass ich meine zeitlichen und materiellen Aufwände dafür abdecken kann. Künstlerisch arbeiten zu können grenzt für mich oft an Luxus.

Welche Tätigkeit und welche Situation genießt du bei deiner Arbeit am meisten?

Die Vielseitigkeit und Flexibilität, die ich aber auch mitunter als belastend empfinden kann.
Was ich durchwegs genieße und schätze, ist die Zusammenarbeit mit den vielen verschiedenen Menschen aus dem Kunst- und Kulturbereich in dieser Stadt und die Solidarität und das gegenseitige Unterstützen und Rücken stärken.

Gibt es Etwas, was du in deinem Beruf/Art zu Leben vermisst?

Eine gewisse Gleichförmigkeit. Speziell, wenn wieder mal sehr viele verschiedene Projekte in den einzelnen Tätigkeitsbereichen zusammenkommen. Dann weiß ich oft nicht mehr wo mir der Kopf steht.

Würdest du deine Art zu Leben anderen Leuten empfehlen?

Kommt drauf an, wie belastbar und vielseitig so eine Person sein möchte und sein kann. Für Menschen, die jeden Monat ein fixes Gehalt am Konto sehen wollen und wenig Stress vertragen, ist das eher nichts.

Hattest du eine Vorstellung wie dieses Leben aussieht als du jünger warst?

Ich hab’s mir definitiv einfacher vorgestellt. Gegen Ende meines Studiums auf der Kunstuni hörten wir etwas über die Situation von »cultural workers« in Großbritannien, dass die viele verschiedene Jobs hätten und extrem flexibel arbeiten müssten. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich jedenfalls nicht mit einer ähnlichen Arbeitssituation gerechnet. Was jetzt für mich Arbeitsrealität ist.

Ist finanzieller Zwang problematisch für kreatives Schaffen?

Für mich persönlich: Ja. Mir hat mal jemand geraten, ich solle mich auf meine Kunst konzentrieren und mir einstweilen Geld bei Verwandten und Freunden borgen bis ich künstlerisch was erreicht hab. So was kann ich nicht. Das würde mich viel zu sehr belasten und dann geht gar nix mehr. Es ist gut einen oder mehrere nicht künstlerische Jobs zu haben, um nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis zur eigenen Kunstproduktion zu geraten.


Patrik Huber, Künstler, Musiker

Geboren in Zell am See schätzungsweise vor 40 Jahren. Ausbildung als Reprotechniker. Arbeit als Kellner und Discjockey in Zell am See. Lebt seit 11 Jahren in Linz. Eingeweihte kennen Patrik Huber als Trashcomedy-Man Georgie Gold. Ansonsten ist er Allroundkünstler, der aktuell mit dem Pinkelnden Zwerg bei Linz09 Furore gemacht hat.


Wovon lebst du denn?

Ich bin mitversichert und lebe von verschiedenen Jobs, die nicht direkt mit meiner künstlerischen Arbeit zu tun haben und teilweise von Auftritten als Performer, Darsteller und Produzierender von Projekten. Ich entwickle Figuren, Geschichten, Bühnenperformances und mische das Ganze mit Musik.

Kannst du von deiner künstlerischen Tätigkeit leben oder glaubst du, dass es mal soweit sein wird?

Das ist für mich schwer zu beantworten, weil man in unserer heutigen Welt ein so klares künstlerisches Profil braucht um am sogenannten Markt zu existieren. Ich weiß nicht, ob ich irgendwann davon leben kann, aber mein größter Traum ist eine Pension oder so was im Süden zusammen mit den richtigen Menschen zu haben.

Gibt es etwas was du in deinem Beruf/Art zu Leben vermisst?

Innerliche Ruhe und Gelassenheit, die ich eigentlich habe. Natürlich mag ich es auch wenn sich was bewegt, aber nicht in Form von beschissenem Stress sondern in Form von Lebenslust und angenehmen Stress.


Kennst du so was wie Urlaub?

Ich arbeite darauf hin, um mein Leben als Urlaub zu sehen.

Ist finanzieller Zwang problematisch für kreatives Schaffen?

Ich finde schon. Ich bin nicht der Meinung, dass immer aus prekären Situationen Kunst entsteht. Kommt aber darauf an, wo man seinen Fokus in der Kunst hat.


Philipp Kroll, vulgo Flip, Musiker

1973 geboren. Seit 2001 Obmann der Linzer KAPU, dort auch geringfügig angestellt. Rapper und Produzent der Linzer HipHop Band Texta. DJ, Lehrender an der Kunstuni Linz seit 2007. Schreibt für »The Message Magazin« und »Kapuzine«. Kamera/Ton bei der Doku »Queens of Sound«.

Beginnen wir beim Wesentlichen: Wovon lebst du eigentlich?

Ich lebe von diversen Einkünften und geringfügigen Beschäftigungen, z.b. bei der KAPU, der Kunstuniversität und meinerTätigkeit als - nennen wir es Musiker.

Kannst du von deiner künstlerischen Tätigkeit leben oder glaubst du, dass es mal soweit sein wird?

Ich kann zwar in gewisser Weise mittels Multitasking davon leben, allerdings über bleiben tut da nichts. Von der Hand in den Mund quasi. Ob ich einmal so viel davon verdienen werde, dass sich Haus, Familie und Hund davon ausgehen werden, kann man immer hoffen, ob das realistisch ist weiß man halt nicht.

Wird deine ökonomische Situation von außen oft falsch eingeschätzt?

Naja, natürlich gibts da so junge HipHop Fans, die meinen, dass man mit Rap recht viel Geld verdient und so. Die sind dann schockiert, dass wir alle (von Texta) arbeiten gehen müssen und nicht nur von der Musik leben.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Kommt ganz drauf an. Mal mehr Musik mal weniger. Kapu, Uni, Konzerte organisieren, selber welche spielen. Schreibtischarbeit von Email zu Homepage-updates zu Büroarbeit. Immer verschieden.

Welche Tätigkeit und welche Situation genießt du bei deiner Arbeit am meisten?

Dass ich halbwegs selbstbestimmt arbeiten und leben kann.

Gibt es Etwas, was du in deinem Beruf/deiner Art zu Leben vermisst?

Freie Wochenenden.

Kennst du so was wie Urlaub?

Kenn ich ja. Muss ja zumindest 2, 3 Wochen im Jahr sein. Manchmal kann man den Urlaub mit einem Musik- oder Filmprojekt verbinden, das macht dann besondere Freude.

Hattest du eine Vorstellung wie dieses ...Leben aussieht als du jünger warst?

So alt bin ich nun auch nicht. Aber eigentlich zieh ich diesen Style schon länger durch. Insofern ist eine gewisse Konstanz immer bei mir da gewesen. Es hat sich das eine zum anderen automatisch weiterentwickelt. Ich wollte ja eher Profisportler werden. So mit 17. Jetzt bin ich halt ein Berufs-Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Auch ok.

Wirst du häufig gefragt ob du von dem was du machst leben kannst?

Yes. Von allen meinen Verwandten.

Kannst du zwischen Beruf und Privat unterscheiden?

Das ist wirklich de facto kaum möglich. Jetzt einmal die Beziehung ausgenommen. Aber da sich meine Interessen mit meiner Arbeit decken, lässt sich diese Unterscheidung wirklich kaum durchführen. Immer im Dienst!

Ist finanzieller Zwang problematisch für kreatives Schaffen?

Naja, es gibt natürlich diese romantische Vorstellung des bitterarmen Künstlers, der aus der Not heraus Großes schafft. Als Musiker aber braucht man ja die Hard- und Software, ein Studio undundund, da geht also ohne Kohle gar nix. Aber Kreativität per se hängt eher von der Person und wie sie die Lebenssituation und das Umfeld beeinflusst ab. Da ist, glaube ich, jeder Mensch verschieden.

Wie siehst du die Zukunft? Ängste vor den nächsten Jahren und Jahrzehnten?

Angst, nein. Aber die Hoffnung auf eine vernünftige Künstlerversicherung, eine faire Tantiemenauszahlung und auf prosperierendes Weiterwursteln hab ich schon.

Jörn Morisse und Rasmus Engler (Hrsg.) »Wovon lebst du eigentlich?«,

Piper Verlag, 250 S., EUR 8,30