Dunkel ist die heurige Währung

OrtnerSchinko haben den neuen Gibling gestaltet, der am 15. Juni erscheint. Ein STWST-Interview zu Schwarzdesign und Geld.

Der Gibling 2020 von OrtnerSchinko pflegt einen gewissen Reduktionismus. Wieviel ohnehin bestehendes künstlerisches Statement ist das innerhalb eurer Arbeit – und wieviel aktueller Kommentar zum Geld und seinen Entwicklungen?

Die reduzierte Darstellung ist allgemein etwas, was uns sehr interessiert. Wir stellten uns auch die Frage nach der Erwartungshaltung von Seiten der Stadtwerkstatt, uns als Büro für Gestaltung einzuladen. Wir finden, dass vor allem in unseren künstlerischen Arbeiten die Simplifizierung von Dingen eine enorme Rolle spielt, zudem möchten wir exakt bei diesen nichtkommerziellen Projekten uns nicht als (rein) grafische Gestalter positionieren, sondern vielmehr mit Material und gegebenen Umständen an sich arbeiten.
Erinnert man sich an den »Best Copyshop«, welchen wir gemeinsam mit der »Healthy Boy Band« im La Panacee, Montpellier Contemporary Museum, umgesetzt haben, zeigt dies eigentlich ganz gut einen ähnlichen Ansatz unserer Arbeit. Dort haben wir das Ziel verfolgt, absolut nichts selbst zu gestalten, sondern wirklich alles zu kopieren, um dem ganzen nicht unseren Stil als Grafiker*innen aufzudrücken, obwohl dieser Effekt vielleicht oft schwerer zu verbergen ist, als man denkt. Warum wir das erwähnen: Wir handhaben das beim Gibling ähnlich. Wir arbeiten im Endeffekt nur mit der Trägerfläche und der geringsten Information, ohne jegliche gestalterischen Elemente. Im Endeffekt ist ja ein Geldschein eine endlos reproduzierbare Kopie auf Papier; dies ist in Zeiten wie diesen wohl auch schon zur Masse durchgedrungen. Zudem soll, so der Grundgedanke, Geld nie als schmutzig wahrgenommen werden, obwohl wir, sogar noch abgesehen von einem Stück Papier, welches hunderttausendfach weitergereicht wird, von einem mehr als dreckigem System sprechen. Die Reduktion konstruierter Normen, in unserem Fall auf eine schwarze Fläche, beschreibt für uns somit den symbolischen Tod des Geldes, welcher die Simulation, wie Geld auszusehen hat, bricht – und genau dadurch öffnet sich ein neuer Blickwinkel. Geld steuert ja auf ähnliche visuelle Formen zu, somit auf eine Referenzlosigkeit, also eine Kopie ohne Original, welches Geld als fiktiven, nicht greifbaren Wert darstellt.

Der Gibling ist nun in seiner 9. Auflage – und ihr seid quasi in diesem Line-up der Gibling-Artists diejenigen, die am dezidiertesten in den Bereich der Grafik fallen. Dass etwa bisher auch bildende Künstler den Gibling gestalteten, bezog sich auf eine Tradition, die man vom so genannten Schwundgeld der 1920er-Jahre kannte. Hingegen hat jeder reguläre staatliche Cash der Welt mit Grafik-Kunst zu tun. Könnt ihr hier ein paar Linien benennen, mit denen ihr euch im Zusammenhang mit der Gestaltung, bzw der Beziehung von Geld und der Optik von Geld, auseinandergesetzt habt? Und ich bezieh mich außerdem auf ein Beispiel, das du, Wolfgang, schon gebracht hast – und damit auch auf Paradoxa und Konflikte, die es hier etwa mit der Schweizer Bank als Auftraggeber eines Wettbewerbs gegeben hat?

Heutzutage wird ja vom klassische Beruf eines/einer Grafiker*in erwartet: Nette, kommerzielle Konzepte zu liefern und Dinge zu behübschen. So hart das klingen mag. Uns wird auch vorgeworfen, warum wir »auch« künstlerisch arbeiten und welches Recht wir uns hierfür rausnehmen würden, da wir ja »nur« Gestalter*innen seien. Wir sehen uns im Endeffekt auch als angewandte Gestalter*innen; aber absolut nicht im Sinne von Werbung zu produzieren und nur bis zu einem gewissen Punkt arbeiten zu dürfen. Sieht man sich jedoch geschichtlich an, woraus der Begriff Grafik Design entstanden ist, gibt es hier ganz andere Bezüge.
Wie wir Geld und dessen Optik wahrnehmen, das nostalgisch verklärte Bild eines Objektes mit einem fiktiven geschichtlichen Bezug, ist immer ein Produkt unserer Kultur und Gesellschaft. Durch das Geprägt-Sein von Wirtschaftsstrukturen, Kapitalismus, nähert sich die visuelle Form immer einer ähnlichen Gestalt an und wird dadurch eine Kopie von bekannter Information. Der einzige Weg, diese Entwicklung sichtbar zu machen und zu brechen, ist ein künstlerischer Akt, ein Akt der Zerstörung, welcher die Ablehnung von bestehenden, festgefahrenen Systemen ist.
Auf das von dir angesprochene Beispiel dazu: Die Schweizer Nationalbank hat 2005 Schweizer Gestalter*innen zu einem Wettbewerb für neue Schweizer Banknoten geladen. Den ersten Platz belegte Manuel Krebs vom Zürcher Büro Norm, mit einem grandiosen Radikal-Akt, welchen vermutlich niemand erwartet hätte, und er belegte damit mehr als Zurecht den ersten Platz. Die Banknoten zierten Totenschädel, Embryos, Zellen, Planeten, etc. Dann entschied und argumentierte die Nationalbank -abseits von der Fachjury- damit, dass der zweitplatzierte Entwurf hinsichtlich der sicherheitstechnischen Anforderungen besser umsetzbar wäre. Dies war natürlich kompletter Schwachsinn und wurde von der Fachjury heftigst kritisiert.

Die STWST hat den neuen Gibling bereits angekündigt als: »Eine dunkle Communitywährung in Zeiten der Digitalisierung der Geldflüsse – klingt nach Schwarzgeld, Goldrush und Weltwirtschaftskrise in einem.« Also, wir haben in diesem Wording an eine permanent vorhandene Finanzkrise im kapitalistischen Turbomodus gedacht, an Kryptowährungen als heißen oder mittlerweile wieder kalten Scheiß (who knows?) und an einen durch die Corona-Krise ausgelösten zusätzlichen Boost an Digitalisierung, auch in den kleinen Geldflüssen. Und jetzt dieses »Schwarzgeld« auf dem guten alten Medium Papier, während der Corona-Krise, wo wir uns voneinander fernhalten sollen und die berührten Dinge desinfizieren: Der Gibling ist als Papier-Communitywährung nun auch zum »Kontaktgeld« geworden. Wie findet ihr das?

Dunkel ist die heurige Währungsgestaltung des Giblings definitiv. Und bezieht sich auch ohne Wertung auf fast alle oben genannten Begrifflichkeiten, angefangen vom schwerer kontrollierbaren Fluss von Bargeld, welches seine Dienste – oft überreicht in schwarzen Koffern oder dunklen Sportaschen – erweist, bis hin zu den Tiefen des Darknets und Kryptowährungen mit all ihren Positiv- und Negativeffekten.
Unser Geld als Objekt wird somit wertlos und ein Zeichen ohne Inhalt, bzw. es entschwindet unserem Alltag und gebiert ein neues Monster des Kapitalismus. Somit ist die Umsetzung einer Communitywährung in physischer Form der einzige Weg, einen gegenwärtigen Trend aufzuzeigen und gegenzusteuern, der Kontrolle einer unsichtbaren Hand zu entgehen. In Zeiten des kontaktlosen Zahlens (wo fraglich ist, ob auf einem Geldschein mehr Viren sind als auf einem Bankomatgerät mit Pad zum Eingeben des Codes) ist eine Communitywährung zudem wichtig, um den zwischenmenschlichen Kontakt zu fördern; Gutscheine, welche oft auf Basis der Lust und Beteiligung am Geschehen eingelöst werden.

Eine Frage zu Papier, als Trägermedium des Giblings: Papier als Gestaltungsmedium hat für eure Arbeit, nehme ich an, sicher große Bedeutung, von Funktionalität und Haptik bis zu einer gewissen Sinnlichkeit. Für mich hat Papier ja auch was Anarchistisches, weil ich eben nicht genau weiß, welche Wege Papier macht. Ich weiß etwa nicht, wo Geldscheine genau unterwegs sind, bevor sie da und dort zb als Kontosummen auftauchen – sie entziehen sich der Verfolgung per Big Data. Aber auch Papier im Rahmen von Print-Zeitungsproduktion: Auf Papier gedruckte Inhalte entziehen sich der genauen Verfolgung durch Click-Raten und statistischen Auswertungen, wer wann was wie lange gelesen hat, … was ja auch teilweise kontraproduktiven Umgang mit den so genannten Aufmerksamkeitsökonomien bewirkt hat etc. Ihr wisst, was ich beschreibe. Wie steht ihr dazu – sinnlich und politisch gefragt. Immerhin könnte man es als gewissen subversiven Akt beschreiben, Flächen fast ausschließlich schwarz zu färben.

Was war, was ist, was bleibt. Betrachtet man geschichtlich die Frage, wie Information verteilt wurde, dann sieht es so aus, dass, sich rein auf Papier zu beschränken, zu wenig ist. Denn der Kern der Sache ist und bleibt der Inhalt, wie die sinnliche Wahrnehmung von Statten geht und welche Form diese hat. Die Materialität ist erst in zweiter Ebene zu bewerten. Welche Kraft kann Papier ohne Inhalt haben? An dieser Grenze haben wir hier gearbeitet. Im Endeffekt zeigen wir, zumindest aus der Fernwirkung, ein Blatt Papier ohne jeglichen Inhalt. Die Blindprägung als Effekt, wie wir ihn von Kredit und Bankomatkarten kennen, abgeleitet von digitalen Buchungszeilen, bilden hier nur die Symbiose von Inhalt und Trägermaterial. Und natürlich auch: Wie können wir mit so einem kleinen Format größtmögliche Wirkung erzeugen.
Die Frage ist auch immer, was passiert, wenn Geld nur mehr aus Buchungssätzen oder Codes besteht, deren Gestaltung nicht mehr existent ist und keine weitere Werte-Ebene zulässt. Man hat bei Bargeld immer noch die Hoffnung drauf, dass Geld tatsächlich existiert. Das erklärt auch, wie wichtig diese physischen Behebungen sind, viele haben in der Krise ganze Konten abgehoben aus Angst, das Geld könnte nicht mehr da sein oder entwertet werden. Bargeld als physisches Objekt stützt hier natürlich den Wert – das ist emotional ein bisschen so wie ein Spotify-Account im Gegensatz zu einer Vinyl-Sammlung. Viele halten noch fest an diesen Scheinen, und wir denken, es hat auch noch mehr Wert für uns, da wir glauben, in jeder von uns getätigten Bewegung, nicht verfolgt werden zu können.

Einer meiner liebsten Witze, bzw eigentlich mein einziger: Treffen sich zwei Banker und reden über Kunst. Treffen sich zwei Künstler und reden über Geld … Ich hab ihn aus einem Theoriebuch über Kunst und Geld. Gut?

Der ist super, vor allem sehen wir das gar nicht so stark als Witz, sondern darin spiegelt sich in unserem Umfeld die Realität recht stark!
Unserer:
Geht ein Banker in die Kapu …
(grade erfunden)

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Interview von OrtnerSchinko: Wolfgang, Kira, Matthias, Christoph.
 

Alter/ Neuer Gibling

Bis 14. Juni wird noch der aktuelle Gibling von Peter Weibel ausgegeben, dann wird er vernichtet. Außerdem ist die aktuelle Weibel-Kunst-Edition noch bis 14. Juni in zwei Exemplaren um jeweils 500,- Euro zu haben.

Ab 15. Juni ist der neue Gibling von OrtnerSchinko gültig. Ab diesem Zeitpunkt wird die neue Community-Währung in 1er, 2er und 5er-Scheinen ausgegeben. Und: Das neue Kunst-Investment der OrtnerSchinko-Edition ist mit jeweils einem 1er-, 2er-, 5er- und 500er-Schein dann ebenfalls um 500,- Euro per Kunstedition zu haben.

Mehr Infos: punkaustria.at, gibling.stwst.at
Bestellungen: office@punkaustria.at, office@stwst.at
OrtnerSchinko: ortnerschinko.com

Gibling Präsentation und Geldvernichtung: Freitag, 19. Juni, ab 19.00 Uhr, STWST
 

Fühl den dunklen Wert der Währung: der neue Gibling von OrtnerSchinko