Black Metal hat auch Gefühle

Dan Rockers Glosse „Hippie-Nazis with Machinegundrums – FUCK OFF!“ hat sich eine Replik redlich verdient. Von Stephan Roiss.

Im ersten Heft des runderneuerten Kapuzines (Ausgabe Jänner & Februar) schreibt Dan Rocker eine ganze Kolumne lang gegen Black Metal an. Essenz: Besagtes Genre sei zur Gänze abzulehnen. Begründung: Alles Nazis. Der O-Ton von Dan Rocker gibt sich deutlich blumiger: „Black Metal ist der Soundtrack für (meist skandinavische) Neonazis, die in ihrem Wahn Kirchen anzünden, vergewaltigen, sowie Ausländernnen [sic] und konkurierende [sic] Gitarristen ermorden.“ Eine durchaus differenzierte Darstellung also; ohne haarsträubende Pauschalurteile und frei von polemischen Verkürzungen. Nicht.
Zweifelsohne gab es zahlreiche Black Metal-Bands, die sich zur nationalsozialistischen Ideologie bekannten oder zu dieser in einem unausgesprochenen Naheverhältnis standen. Und es gibt sie auch heute noch. Es gibt jedoch auch nach wie vor Liedermacher, die mit zerlegten Akkorden und Gesang rechtsextreme Ideen propagieren. Macht das Reinhard Mey zum Faschisten? Muss man Mendelssohn-Bartholdy nicht eigentlich postum zum Antisemiten erklären – schließlich war Richard Wagner einer. Und wenn wir schon mal dabei sind, gestehen wir uns doch endlich ein, dass Texta ein sexistischer Haufen der übelsten Sorte ist – den Beweis liefern die Rap-Lyrics von Kollegah aus Hessen. Nicht wahr?
Doch halt. Mein Sarkasmus ist voreilig. Denn es steht prinzipiell jeder und jedem frei, mit einem Begriff von Black Metal zu operieren, der nationalsozialistische Gesinnung als notwendige Bedingung installiert: Dann muss eine Band eine Nazi-Band sein, um überhaupt als „Black Metal-Band“ etikettiert werden zu können. In den frühen 90ern wäre eine terminologische Setzung dieser Art sogar partiell nachvollziehbar gewesen. Ich halte sie 2012 für heuristisch wertlos und eine ausschließlich musikalische Bestimmung von Black Metal für wesentlich adäquater. Aber wenn man den Ausdruck „Black Metal“ auf die zuvor beschriebene Weise verwendet, gilt es jedenfalls gründlich zu prüfen, ob eine Band das entsprechende Weltbild vertritt, bevor man sie als Black Metal-Kombo (und damit als Nazis) abstempelt. Dan Rocker scheint allerdings einen anderen Weg zu gehen. Für ihn ist offenbar alles, was im öffentlichen Diskurs als „Black Metal“ gehandelt wird, automatisch gebrandmarkt und rechts vom rechten Rand. Schluss. Aus. Kurzschluss. Womit begründet Dan Rocker seine Überzeugung, dass überall, wo „Black Metal“ draufsteht, Hitler drin ist? Durch nichts. Zumindest durch nichts, was auch nur formal einem Argument ähneln würde.
So weit, so skurril. Doch Dan Rocker begnügt sich nicht damit, mal kurz einer ganzen Musikrichtung mit der Nazikeule eins über zu ziehen. Seine Schreibwut findet noch zwei weitere Opfer. Zum einen eine „verwirrte Popdiskurspostilie“ mit dem „(by the way grottenschlechten) Namen »thegap«. Zum anderen einen „Südsibirischen [sic] Rockschuppen namens Kaffwerkstatt“, sprich – kombiniere, kombiniere – die Stadtwerkstatt. Beide werden verbal hart attackiert, weil sie in jüngster Vergangenheit Black Metal ein Forum geboten haben.
Das konkrete Vergehen von thegap war es, in Ausgabe 122 einen Artikel mit dem Titel „Black Metal 3.0“ abzudrucken. Darin gibt Werner Schröttner einen Abriss über die Geschichte von Black Metal und einen Überblick über aktuell einflussreiche Formationen der Szene, darunter etwa Liturgy oder Wolves In The Throne Room (WITTR). Bands, die auf unterschiedliche Weise den Sound ihres Genres reformieren und deren Musik von eingefahrenen Metalheads gerne als „Hipster-Metal“ beschimpft wird. Für Dan Rocker wiederum ist es „der selbe Esonazi-Scheiss [sic] in neuem Gewand“.
Noch schlimmer als thegap erwischt es die Stadtwerkstatt. Die hat im November 2011 ein Konzert der bereits erwähnten WITTR veranstaltet. Eine Sünde vor dem Herrn Dan Rocker. Nazialarm! Dabei weiß Dan Rocker selbst, dass WITTR aus der (stark queerfeministischen und punklastigen) Subkultur Olympias (Washington) stammen, Umweltaktivismus betreiben und zusammen als Selbstversorger auf einem Bauernhof leben. Die offensiv gelebte Naturspiritualität von WITTR trägt sicherlich abstruse Züge. Aber nach klassischem Nazi-Lifestyle klingt das alles nicht. Ist aber auch nebensächlich. Wozu Indizien sammeln, die die Anklage entkräften sollen, wenn die Anklage frei von Gehalt ist? Informationen, die die Verunglimpfung von WITTR unterfüttern würden, liefert Dan Rocker nämlich keine. Stattdessen schließt er seine Kolumne mit einem Appell an die Stadtwerkstatt, der endgültig den Vogel abschießt: „Hört euch daheim an, was ihr wollt – aber wenn schon Nazirock dann seit [sic] wenigstens so ehrlich und holt die »Dreckig, kahl und hundsgemein« von Störkraft aus eurem Geheimregal! HEIL HIPSTER!“
In einem Text das Stilmittel der Überzeichnung einzusetzen ist völlig legitim. Aber die Stadtwerkstatt ins rechte Eck zu rücken, ist kein Akt der Überzeichnung, sondern das Maximum an Absurdität in Schriftgestalt. Provokation gelungen.