fan_tastique!

Von 5. bis 8. März 2015 debutiert mit _tastique ein queer-feministisches Festival mit dezidiert antirassistischem, sex-positiven, körper-positiven und anti-ableistischem Schwerpunkt in Wien. Kristina Pia Hofer hat mit drei Vertreter_innen des Organisationskollektivs gesprochen.

_tastique findet heuer zum ersten Mal statt. Wer steht hinter dieser Inititative? Wie sieht eure laufende Arbeit aus?

Im Frühjahr 2014, zehn Jahre nach dem ersten Ladyfest in Wien, gab es ein Treffen von ehemaligen Mitorganisator_innen und anderen Interessierten. Dort wurde reflektiert, was sich seit 2004 in der queer-feministischen Szene in Wien verändert hat, was sich ändern sollte und wie, an Bestehendes anknüpfend, was Neues entstehen könnte. Bei vielen war der Wunsch da, wieder ein größeres Festival zu organisieren.
Es entstand ein offenes Kollektiv, dessen Kernteam aus ca. 20 Personen aus unterschiedlichen Kontexten, z.B. aus der Indie-Performance-, DJ- und Musik-szene Wiens besteht. Es handelt sich um FrauenLesbenInterTrans*personen, die sich immer wieder in politischen Kontexten Wiens organisieren, und zu den Themen Queer Feminismus und Antifaschismus, Antirassismus, Sexpositi-vity oder die Überwindung von Ableismus arbeiten. Das Kollektiv ist mehrheitlich weiß und auch able bodied, aber es gibt auch People of Colour/Schwarze Personen, Dicke wie Dünne und Personen mit Behinderungen unter uns.
Seit dem ersten Treffen vor einem Jahr gibt es regelmäßige Plena in der großen Gruppe, der Takt unserer Treffen läuft gerade auf mehrere Treffen in der Woche. Da wir uns auf Kleingruppen als Organisationsform geeinigt haben, die sich auf spezielle Arbeitsbereiche konzentrieren, finden diese Treffen in unterschiedlichen Konstellationen statt. Für die inhaltliche Auseinander-setzung haben wir einmal im Monat einen Halbtag eingeplant, damit diese nicht im Organisieren und Programmieren des Festivals untergeht. Außerdem haben wir zu unterschiedlichen Themen, die wir am Festival umsetzen, interne Workshops von und für Menschen aus dem Kollektiv gehalten.

Was war die Motivation, sich für das aktuelle Festival vom ‚Lady-fest‘-Label zu verabschieden? Welche Überlegungen stehen hinter dem Begriff »_tastique«? Was unterscheidet _tastique von den Ladyfesten, die in den 2000er Jahren in Wien stattgefunden haben – welche Akzente haben sich verschoben, was kommt neu dazu?

Bereits auf dem ersten Treffen wurde über die damalige Organisation der Ladyfeste bzw. generell über das Konzept Lady*fest nachgedacht und auch reflektiert, welche Ausschlüsse dadurch produziert wurden. Speziell am Namen Lady*fest hat uns »Lady«, wenngleich mit * geschrieben, gestört und außerdem ist das Lady*fest stark mit einem weißen Raum assoziiert, was wir ebenso brechen wollten. _tastique heißt erstmal nichts, weshalb der Name uns eine leere Projektionsfläche bietet (mit der noch viel möglich ist) – darauf verweist auch der Unterstrich vor dem Wort. Was _tastique vom Klang her verspricht ist allerdings etwas Glamouröses, und damit können wir viel anfangen.
In der Auseinandersetzung mit dem Label ‚Ladyfest‘ haben wir nicht zuletzt darüber reflektiert, in was für komplexe gesellschaftliche Machtverhältnisse wir auch jenseits von Geschlechterverhältnissen eingespannt sind. Dadurch hat sich sehr bald der Antirassismus- und der Antiableismus-Schwerpunkt herauskristallisiert. Andere Schwerpunkte, wie Sexpositivity und Bodypositi-vity, sehen wir stark mit antirassistischen und antiableistischen Anliegen verzahnt. Wir denken nach, was es bedeutet, innerhalb des Kollektivs unterschiedliche Privilegien zu genießen, und trotzdem – und mit allen Wider-sprüchen – gemeinsam politisch was auf die Beine zu stellen. Für uns heißt es auch, immer wieder einen Umgang mit Scheitern zu lernen, uns laufend selbst zu sensibilisieren und noch viel Luft übrig zu lassen für die baldigen Festivaltage. _tastique soll für uns eher ein Raum werden, wo es um Aufmerk-samkeit und Bewusstwerdung geht. Und wir hoffen, dass es ein Auseinander-setzungsraum wird, wo es Platz, Lust und Auseinandersetzungswillen gibt, um sich über das eigene Eingebunden-Sein in Diskriminierungssysteme klarer zu werden und auch an einigen Rädchen zur Veränderung zu drehen.

Ladyfeste waren und sind ja sehr (Live-)Musik-lastig. Wie ist der Stellenwert von live Musik und Musikperformance für _tastique?

Es wird auch bei _tastique viel Live-Musik geben, aber auch Performances; und ein dichtes Workshop-Programm und viele Austauschmöglichkeiten. Es ist hierfür ein Info-Café geplant, welches mit uns wandern wird. Am Samstag veranstalten wir eine FLIT* Sex-Party. Was die musikalische Ausrichtung betrifft, so ist _tastique weniger rocklastig, als es das Lady*fest war. Es wird auch beim Unterhaltungsprogramm auf Repräsentationspolitik geschaut, aber die Acts wollen wir noch nicht spoilen ;)

Welche (neuen und alten) Bündnisse werden für _tastique aktiviert? Wie vernetzt sich das _tastique Team mit anderen feministischen, antirassistischen, sexpositiven, körperpositiven Zusammenhängen in Wien?

In erster Linie werden persönliche Kontakte aktiviert. Es wird aktiv auf Leute im eigenen Bekannten/Freund_innenkreis zugegangen. Und einen wichtigen Stellenwert hat die inhaltliche Arbeit, auch im Vorfeld. Wir haben zu unseren unterschiedlichen Schwerpunkten immer wieder »learning spaces« organisiert. Das waren einerseits Self-Empowerment Workshops für Frauen* mit Behinderung oder People of Colour/Schwarze Personen.

Die Workshops im Vorfeld zeigen, dass im Vergleich zu Ladyfesten in Wien sehr viel inhaltliche Vorarbeit geleistet wird, und dass theoretische und praktische Auseinandersetzung mit unseren Schwerpunkten gewünscht und auch notwendig war. Uns war es ebenso wichtig, gemeinsam mit anderen queer-feministischen Kollektiven und Orten eine Diskussion über Antirassis-mus in der eigenen Szene anzustoßen. Wir hatten etwa auch einen internen Workshop zu critical whiteness, und im Jänner fand ein dreitägiger Antirassis-mus-Workshop statt, der critical whiteness und Empowerment zum Inhalt hatte und Bündnispartner_innenschaften vorantreiben sollte. Außerdem beschäftigt uns sexualisierte Gewalt in queer-feministischen Szenen. Auch dazu gab es einen internen Workshop zum Thema Konsens-Prinzip und Community Arbeit zu dem Themenfeld. All das ist noch work in progress und ist sicher nicht nach dem 8. März getan.

Stichwort 8. März: Wie positioniert sich das Festival zu diesem ‚geschichtsträchtigen‘ Tag für feministische (Arbeits-)Kämpfe?

Das Datum wurde natürlich nicht ganz zufällig gewählt. Die Idee war auf jeden Fall, hier anschlussfähig zu sein und sich auch an der 8. März-Demonstration in Wien mit vielen Themen zu beteiligen. Am Festival selber wird es Raum zur Vorbereitung geben.

Wie finanziert sich _tastique? Wie kann man die Initiative finanziell unterstützen, falls man das möchte?

Zum Festival kommen und beim Eintritt Spenden abgeben – bitte in beide Taschen greifen! Ein großer Teil der Ausgaben soll sich über Beiträge finanzieren, die Menschen bei Soli-Festen und beim Festival selbst beim Eintritt zahlen.
Da wir sehr viele Ausgaben haben (z.B. Reisekosten für Performer_innen, Musiker_innen, Workshop-Leiter_innen, Workshops im Vorfeld), haben wir zusätzlich bei vielen Stellen um Förderungen angesucht. Wir hoffen, dass es finanziell klappt. Alles, was wir an Finanzüberschuss durch unsere unentgeltliche Arbeit produzieren, soll an antirassistische, queere Projekte gespendet werden, die notwendigste Arbeit leisten, wie die LGBTIQ welcome Flüchtlingswohnungen der Türkis Rosa Lila Villa in Wien oder dem Antirassistischen Projekt Planet 10.

Eure Homepage weist ‚do it yourself – do it together‘ als wichtiges Anliegen aus. Wie geht das Team mit den Problemen um, die sich aus der Verschränkung von DIY und Selbstausbeutung ergeben?

Die Festival-Organisation selbst erfolgt – wie bei den Ladyfesten – komplett ehrenamtlich und funktioniert ohne Selbstausbeutung gar nicht. Wir machen es trotzdem, weil es uns wichtig ist, dass das Festival stattfindet. Anders als bei Lady*festen versuchen wir den Musiker_innen, Workshop-Leiter_innen, Techniker_innen zumindest Aufwandsentschädigungen zu bezahlen. Sonst ist ein politisches Wollen Antriebsmotor.

Sind Folge-Veranstaltungen geplant? Wie geht‘s nach dem März 2015 weiter?

Falls unser finanzielles Konzept nicht aufgeht, wird es wohl in weiterer Folge noch das eine oder andere Soli-Fest geben (müssen) ;) Ob das Festival an sich in dieser Form eine Wiederholung findet, können wir derzeit nicht sagen, nicht zuletzt, da die Arbeit dafür sehr zeitintensiv ist und bereits sehr viele Menschen aus der Wiener Szene auf die eine oder andere Art involviert sind. Wir wünschen uns auf jeden Fall Nachhaltigkeit in Bezug auf neue Vernetzungen und entstehende Bündnispartner_innenschaften und eine unbedingte Fortführung der Auseinandersetzung mit den Themen!

Mehr: tastique.me