Voyage, Voyage!

Theresa Luise Gindlstrasser über das Projekt process51 zweier Linzer »Experimenteller«

Ein anmutiger Teppich aus Weinkorken, unterschiedlicher material- und weinbedingter Färbung – white, dark (duck) red, brown, pressed dark, pressed bright, mild red – schmiegt sich in das Blau der Donau. Die Bewegungen der Wasseroberfläche lassen das Objekt beruhigt schwimmen, lebendig reproduziert es die Wellen. Einmal schon sind vier Menschen zur gleichen Zeit auf dem Teppich im Wasser gelegen. Oftmals schon wurden die Kunstschaffenden Alex de las Heras und Julia Hartig – beide studieren an der Kunstuniversität Linz Experimentelle Gestaltung – gefragt, ob sie denn dermaßen viel Wein getrunken hätten. In etwa 13.000 Flaschen hätten sie leeren müssen, um das Material zu beschaffen aus dem die schwimmende Schönheit gefertigt wurde. Haben sie nicht. Die Korken wurden von der Vinothek Divino zur Verfügung gestellt. Und nun, im Sommer 2012, ist die Spitze des Eisbergs namens process51 in See gestochen. In die schöne blaue Donau nämlich.


Begonnen hat die Zusammenarbeit an dem Langzeitprojekt im Juli 2011. Die beiden Kunstschaffenden nahmen an einem Workshop namens FLOATING VILLAGE unter der Leitung von Leo Schatzl teil. Die Idee war, schwimmende Objekte aus Altstoffen zu schaffen, die sich zu utopischen und beweglichen Inseln verdichten lassen. Zugleich konnte der Fluss, das Wasser als Raum für Kunst entdeckt werden. Julia Hartig und Alex de las Heras begannen an dem schwimmenden Objekt aus Weinkorken zu bauen. Am Anfang stand das Interesse für das Material Kork, das – hydrophob, sehr elastisch und schwer brennbar – superb geeignet schien, um damit ins Wasser zu gehen. Bald schon wurde offensichtlich, dass die vorgegebene Zeit zu eng oder der Tatendrang zu groß war. Nach Ende des Workshops sind die beiden in die Räumlichkeiten der Kunstuni umgezogen und haben seither an dem Projekt wie an einem Schneeball gearbeitet.


Ein Orientteppich sollte nunmehr gefertigt werden. Das Projekt erhielt den Namen process51, zumal die Recycling Nummer von Kork 51 lautet und der Teppich als solcher nur ein Teil des Unternehmens ist, welches auf http://process51.info nachzulesen ist. Dieser Blog ist nicht als Beiwerk des Baus eines Teppichs zu verstehen. Vielmehr offenbaren sich erst hier die Dimensionen des Langzeitprojekts.

This webpage provides all the information about our working process as well as what, where, when and how we work on it. It is important for us to show it as an open information archive where we share the process of research, collection of materials, interviewing specialists, talks, thoughts and interests, doing, changing and growing. (Alex de las Heras)

Denn die Arbeit an diesem Projekt führte die beiden in Teppichgeschäfte und Korkfabriken. Sie haben sich eingelesen in die Funktionsweisen des Materials Kork, die Bedeutung von Muster und Material von Perserteppichen und die historische und aktuelle Lebensweise von Nomaden im Iran. Korken wurden durchbohrt, nach Farbe und Form sortiert, um später, nach vier Tagen durchgehender Designarbeit, innerhalb von zehn Tagen den Teppich Quadratmeter für Quadratmeter in Handarbeit zusammenzusetzen. Dieser letzte Arbeitsschritt des Teppichbaus fand im Rahmen einer Residency der Stadtwerkstatt an Bord der Eleonore statt, wo er auch erstmals präsentiert wurde.

Die Stadtwerkstatt vergibt diese Residencies an internationale Kunstschaffende. Theresa Schubert bildete die erste Ausnahme, nun wurden mit Alex de las Heras und Julia Hartig zum zweiten Mal Kunstschaffende aus Linz auf die Eleonore geladen. Die Möglichkeit zum konzentrierten Arbeiten sowie die Umgebung im Winterhafen wussten die beiden zu schätzen. In der Regel vergibt die stwst an Linzer Kunstschaffende Residencies in den Niederlanden, wo derzeit Ulrich Fohler an Bord des Schiffes Junix lebt und arbeitet. Bewerbungen für Residencies office@stwst.at gerichtet werden.

Das Objekt misst zwei mal drei Meter [Achtung! goldener Schnitt] und besteht aus 13.000 Weinkorken und jeder Menge Fischerseil, mit dem die Korken aneinander gefädelt wurden. Das Mittelmedaillon zeigt ein elliptisches Motiv und wird umrahmt von Enten- Miniaturen. Das Muster bezieht sich auf nomadische Teppiche. Auch Julia Hartig und Alex de las Heras sind während der Arbeit an dem Projekt mehrmals umgezogen, haben einen saisonalen Wechsel der Produktionsstätten vollzogen und wollten sich also in der Formgebung an nomadischen Teppichen orientieren.

The pattern was designed taking the winterhafen environment and our relationship with it as a reference, as nomads do; the middle medaillion is based on a kompass; showing our nomad process, changing our production places seasonly. It is surrounded by a rhombus which represents Eleonore boat, filled up with human beings representations; the Winterhafen fellows, and again surrounded by ducks and water. The use of natural colors and natural elements is one more integrated characteristic of nomad carpets. (Alex de las Heras)

Fertig! So überschreiben die beiden Kunstschaffenden den bisher vorletzten Eintrag in ihrem Blog. Fertig? Lange nicht! In naher Zukunft soll die best off 2012 mit dem Projekt erobert, eine Aufbewahrungskiste für den pro Quadratmeter lagernden Teppich gebaut, ein Video erstellt werden. Das nächste Ziel zum Andocken für Projekt process51 wird dann einer der größten Teppichumschlagplätze der Welt und Europas zweitgrößter Hafen sein: Hamburg. Voyage, Voyage!