Geld oder Lightkultur

Die Freie Szene kämpft erneut um eine Aufstockung der Fördersummen, die Kapu mit einer eigenen Kampagne. Stephan Roiss berichtet von der »Großen Lightshow«.

Dirt Deflector lassen es ordentlich krachen. Normalerweise. Diesmal spielt das Rock-Duo jedoch nahezu geräuschlos, weil unplugged. Radikal unplugged. Aus der Stromgitarre ragt kein Kabel – wozu auch: Es gibt weder einen Amp, noch eine Anlage. Leise klirren die Saiten. An ein Drumset erinnert nur ein einsamer Snare-Ständer – Schlagzeuger Hasi entpuppt sich als enthusiastischer Pantomime und drischt mit seinen Sticks auf imaginäre Trommeln ein. Ein Mikrophon ist zwar tatsächlich vorhanden, seinen Zweck erfüllt es jedoch nicht. Deswegen geben auch Dan Rocker und MC Selbstlaut ihre Songtexte gänzlich unverstärkt zum Besten. Und natürlich ohne Beats. Alles a capella. Wenn nicht gerade ein musikalischer Live-Act gegen den Lärm vorbeifahrender Straßenbahnen ankämpft, legt DJ Watzl auf. Der nickt mit den Kopfhörern zum Takt und ist sichtlich verzückt von seiner eigenen Tracklist. Das Publikum hingegen hat wenig davon. Es ist nichts zu hören. Von all diesen skurrilen Lautlosigkeiten lässt sich der Maler Karl Klar vor Ort zu einem Werk inspirieren. Farben hat er allerdings keine und die Leinwand auf seiner Staffelei bleibt weiß, obwohl er eifrig mit dem Pinsel über die Bildfläche streicht. Wir schreiben den 12.11.2011. Die Linzer KAPU inszeniert Ecke Landstraße/Bethlehemstraße »Die große Lightshow!«.

Diese Aktion ist der Auftakt zur KAPU-Kampagne »Die neue Lightkultur«, mit der man auf die prekäre finanzielle Lage der Freien Szene hinweisen und gegen die gegenwärtige Kulturpolitik protestieren will. Die Botschaft des demonstrativ abgespeckten Programms kommt an: Wenn weiterhin eingespart und vertröstet wird, kann die Freie Szene bald nur noch »Lightkultur« der hier gezeigten Art liefern. Die Sub-, Neben- und Gegenkulturen wollen nicht länger für diverse Budgetkrisen und Finanzaffären zahlen. Die KAPU selbst sah sich durch die Ressourcenknappheit nicht bloß gezwungen zahlreiche Veranstaltungen abzusagen, sondern auch das Erscheinen des geschichtsträchtigen KAPUzines, das 18 Jahre lang regelmäßig aufgelegt wurde, bis Jahresende einzustellen.

Maschine brennt und brennt und brennt

»Linz verendet – ohne freie Kultur!« lautete dementsprechend das Motto eines offenen Briefes, der bereits Mitte Oktober publik gemacht wurde. Dieses Schreiben war an Vizebürgermeister / Kulturreferent Dr. Erich Watzl adressiert und wurde von insgesamt 36 Vereinen und 39 Einzelpersonen unterzeichnet. Beigefügt war dem Brief eine Statistik, die besagt, dass seit 2007 das Kulturbudget der Stadt Linz zwar insgesamt um 50% gestiegen ist, die Förderung der Freien Szene sich aber »unterhalb der Inflationsgrenze entwickelt«. Schenkt man diesen Ausführungen Glauben, bedeutet das zweifelsohne einen stattlichen Realverlust. Dieser erscheint jedoch noch gewichtiger, wenn man bedenkt, dass sich laufend Kulturvereine gründen und neue Projekte gestartet werden. Nichts ist erfreulicher als eine vitale Szene. Doch wenn der Kuchen nicht größer wird – gemessen an der Wertentwicklung sogar schrumpft – und gleichzeitig die Zahl jener wächst, die sich um ein Stück vom Kuchen anstellen, dann müssen die Kuchenstücke tendenziell kleiner werden und/oder neue Mäuler ungestopft bleiben. Beides geschieht und beides ist aus Sicht der Betroffenen alles andere als wünschenswert. Besagter offener Brief beklagt darum: »Die Hoffnung, dass es nach dem Kulturhauptstadtjahr im Sinne der Nachhaltigkeit zu nennenswerten Verbesserungen der finanziellen Ausstattung der freien Szene Linz kommt, hat sich leider zerschlagen«.

Diese Position wirkt angesichts einer Unmenge

von stagnierenden und teilweise sogar massiv gekürzten Subventionssummen nachvollziehbar. Der offene Brief führt darüber hinaus aber noch zwei weitere Unannehmlichkeiten aus der jüngsten Vergangenheit an: Einerseits »die Streichung von Förderprogrammen wie der CD-Förderung ohne Rücksprache mit den Betroffenen«, die Anfang 2011 erfolgte. Andererseits den Umstand, dass über manche Förderansuchen erst am St.Nimmerleins-Tag entschieden wird (bis zu acht Monate nach Einreichung), was die Antragsteller/Innen handlungsunfähig macht und/oder enormen finanziellen Risiken aussetzt. Die Unterzeichner/Innen fordern darum u.a. »eine für die Verwaltung verpflichtende Behandlung der Förderanträge innerhalb von 3 Monaten«. Außerdem wollen sie bis spätestens 2015 eine stufenweise Beinahe-Verdopplung »des Anteils der freien Szene auf 5 % des Kulturbudgets, oder in absoluten Zahlen ausgedrückt auf mindestens 2,3 Millionen Euro« (laut Angaben des offenen Briefes derzeit etwa 2,7% bzw. 1,2 Millionen Euro). Na bumm.

Das Imperium schreibt zurück

Die Reaktion des Kulturreferenten ließ nicht allzu lange auf sich warten. In seinem Antwortbrief gesteht Dr. Watzl ein, »dass bei manchen Ansuchen die Bearbeitungsdauer verbesserungswürdig ist«, fügt aber umgehend hinzu, dass »sich diese Verzögerung bei einem Großteil durch unvollständige Unterlagen oder fehlende Abrechnungen vergangener Förderungen erklären lässt.« Die Kürzungen der Fördersummen, die einige Initiativen hinnehmen mussten, bestreitet Watzl ebenfalls nicht. Allerdings verweist er auf neue Projekte, die unterstützt werden konnten (z.B. kiosque) und auf Projekte, deren Unterstützungen erhöht werden konnten (z.B. KunstRaum Goethestraße). Obwohl dies der Wahrheit entspricht, ist
das alleine noch nichts, was die Kritik seitens der Freien Szene entkräften könnte. Denn Watzl zeigt hier nur, wie der Kuchen verteilt wird. Schön für die, die trotz widriger Zeiten einen relativ üppigen Anteil bekommen. Aber der Kuchen, den es zu verteilen gilt, wird dadurch nicht größer.
Auffällig ist nicht nur, dass Watzl die konkreten Forderungen des Schreibens mit keinem Wort explizit behandelt, sondern auch, dass er in seiner Antwort die beiden maßgeblichen Zahlenangaben des offenen Briefes (an die Freien Szene ergehen insgesamt 2,7% = 1,2 Millionen Euro des Kulturbudgets / obwohl das Kulturbudget seit 2007 um 50% erhöht wurde, stagniert der Anteil, der in die Freie Szene fließt) nicht direkt zu berichtigen versucht. Stattdessen legt er den Fokus auf außerordentliche Einmalzahlungen (z.B. Ausschüttung von Linz09-Restmitteln) und auf zusätzliche Förderungen, die nicht unmittelbar dem Linz Kultur Budget, sehr wohl aber städtischen Kassen entnommen werden. Seine Beispiele schärfen sicherlich den Blick auf die Sachlage. Fazit: Nicht nur aus dem Kulturbudget fließt seitens der Stadt Geld in die Freie Szene. Aber selbst bei einer wohlgesonnen Lesart aller Argumente (die von durchwachsener Durchschlagskraft sind), muss man sich letzten Endes eingestehen, dass es hier immer noch um Summen geht, die mit Blick aufs große Ganze nahezu nichtig erscheinen. Vor allem verglichen mit den hohen Beträgen, die (kommerzielle bzw. massentaugliche) Großprojekte, stadteigene Einrichtungen und sogenannte Volkskultur einstreifen – um von zweifelhaften Euro-Fressern außerhalb des kulturellen Sektors (z.B. der Stadtwache oder diverser Bauvorhaben) gar nicht erst zu sprechen. Es mangelt offenbar schlichtweg an Wertschätzung für die Freie Szene oder am politischen Willen diese Wertschätzung in Form von Subventionen angemessen zum Ausdruck zu bringen. Der kulturpolitische Tausendsassa Thomas Diesenreiter resümiert in seinem Blog (diesenreiter.at): »Auch wenn Dr. Watzl in einigen Punkten Recht haben mag, so hat er leider in seiner Antwort den Kern unserer Kritik ignoriert. Es braucht eine langfristige Erhöhung des Basisbudgets der freien Szene, und das dringend. Das Argument, dass kein Geld vorhanden ist, lässt sich mit Blick auf die allgemeine Entwicklung des Kulturbudgets leicht entkräften.«

Ein Bollwerk gegen die Sauf- und Party-Nullkultur

Letzten Endes geht es darum, dass sich die Politik bewusst macht, was die Freie Szene leistet. Ein geeigneter Katalysator hierfür könnte das »Projekt KEP neu« sein. Die Abkürzung KEP steht für den Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz, der erstmals 2000 geschmiedet wurde und dessen Neuauflage sich momentan in der offenen Workshop- und Diskussionsphase befindet. Darüber hinaus versucht z.B. die KAPU im Zuge von »Die neue Lightkultur« Bildungsarbeit zu leisten: Eine Woche nach der großen Lightshow lud man zu einer Podiumsdiskussion in den Keplersalon. Erich Watzl entsandte Kulturdirektor Julius Stieber, um mit Philip »Flip« Kroll (Obmann der KAPU), Gitti Vasicek (Kunstuni Linz) und Thomas Diesenreiter in einen Polylog zu treten. Im Zuge des Gesprächs attestierte Philip Kroll der gegenwärtigen Jugend eine »Sauf- und Party-Nullkultur«. Eine solche sei nicht unbedingt der Boden, in dem mündige und aktive Bürger/Innen heranreifen. Eine Stadt sollte sich also überlegen, welche Bürger/Innen sie haben wolle. Die kleinen, finanziell meist ausgehungerten Kulturvereine gehören jedenfalls zu den letzten Bastionen, die der wachsenden Dominanz der Dschungelcamp&Großraumdisko-Mentalität entgegenarbeiten.