Robokick!

Chris Eder über die Roboterfußball EM - EUROBY2008.

»Ein Roboter darf keinen Menschen verletzen oder durch Untätigkeit zu Schaden kommen lassen« [1. Gesetz der Robotik. Aus Isaak Asimov, /Runaround/, 1942]

Beste Aussichten also, für jenes menschliche Weltmeisterfußballteam das 2050 erstmals von einem Team humanoider Roboter besiegt werden wird, den Platz mit heilen Waden zu verlassen. Bis dahin spielen Roboter aber noch gegen ihresgleichen Fußball.

Zwischen dem 15. und dem 22. Juni 2008 wird in Zürich und Linz die FIRA-Roboterfußball EM (EUROBY2008) ausgetragen. In Linz werden vom 18. bis zum 22. in 5 Spielklassen Teams aus 10 Ländern antreten und nach der Gruppenphase die Finalspiele ausgetragen. Parallel findet die achte »Conferenz on Computational Intelligence, Robotics and Autonomous Systems« (CIRAS) statt. Im Rahmenprogramm der Veranstaltung wird eine internationale »humanoid robots challange« ausgetragen, zu der Entwicklerteams aus Kanada, Korea, Singapur, Taiwan und England erwartet werden. Nach fast einjähriger Organisationsphase wird das von der Stadtwerkstatt Linz ins Leben gerufenen Projekt realisiert.

Seit gut zehn Jahren stellen universitäre Forschungseinrichtungen aus der ganzen Welt, ihr Streben und Schaffen in den Dienst der Bezwingung
des Gegners mittels Ball und Tor. Das ist natürlich für sich schon von Interesse. Warum Fußball? Was ist der Antrieb für die Wissenschaft, ein scheinbar so unernstes Forschungsziel zu verfolgen? Läge es nicht viel näher verkäufliche Güter zu produzieren oder so wie in vielen anderen Bereichen, die hochtechnologischen Entwicklungen zu aller erst für Zwecke der Zerstörung und Vernichtung im Rahmen militärischer Anwendungen zu erproben? Offenbar nicht. Sehr sympathisch.

Robotern Fußballspielen zu lernen ist ein Weg, Robotern menschenähnliches Verhalten beizubringen. Doch wenn Roboter sich wie Menschen verhalten sollen - eröffnet sich auch schon der ganze Horizont der Mensch-Maschine Beziehung.

Die Maschine Roboter hat in der Rezeption einen Sonderstatus: sie ist (obwohl technisch nicht notwendigerweise) menschenähnlich per se. Schon die literarische Erfindung Roboter ist ein Pendant zum Menschen und in all ihren Erscheinungsformen in der Science-Fiction agiert sie menschenähnlich. Wird ein realer Roboter so gebaut, dass er dem Menschen anatomisch ähnlich ist, beginnen wir sofort Attribute wie Charakter und Wesen mit dieser Maschine zu assoziieren. Dabei zeigt sich aber auch eine interessante Besonderheit: die Begegnung mit einem
menschenähnlichen Roboter und die Beobachtung seiner Handlungen führen in den allermeisten Fällen dazu, dass die ihm zugeschriebenen Attribute positiv ausgeprägt sind.

Nach längeren Vorbereitungen und Sondierungsgesprächen wurde im Mai 2007 von der Stadtwerkstatt das Projekt »EUROBY2008« initiiert. Seltsamer Titel? Dann setzen Sie sich einmal näher mit den Copyright- und Brandmark-Bedingungen des Weltfußball-Verbandes auseinander! Dieser trägt im Juni diesen Jahres parallel zum Roboterfußballturnier die Fußball-Europameisterschaft der Menschen (genauer gesagt: Männer) aus. Neben Bierausschank und der maximal zulässigen Bilddiagonale für öffentliche Screenings von Fußballübertragungen ist es nämlich auch in Punkto Namensgebung und Internet-URLs ein Leichtes denen in die Quere zu kommen.

Aber der Reihe nach: Um nach Veranstaltungen wie Kakerlakenrennen und Tischfußballweltmeisterschaft endlich wieder eine heiße High-Tech Kultur- Sport-Aktion über Linz hereinbrechen zu lassen, brauchte es nicht erst die schauderliche Erwartung einer kollektiven Fußball-Hysterie, die im Juni über alle österreichischen Großstädte (außer Linz?) ausbrechen wird.
Es brauchte vor allem die Entdeckung des Roboterfußball-Sportes am Institut für Handhabungsgeräte und Robotertechnik (IHRT) der Technischen Universität Wien und die Auseinandersetzung mit dem was diese Disziplin ausmacht, voranbringt und was sie impliziert. Einmal Feuer gefangen, war es dann eine logische Konsequenz, die dabei gemachten Erkenntnisse auch einer breiteren Öffentlichkeit näher bringen zu wollen. Das ist nun letztlich gelungen, durch die Zusammenarbeit vieler institutioneller Partner aus Kultur und Bildung. Nach und nach haben sich das IHRT und die Stadtwerkstatt Linz, der OÖ Fachhochschul-verband, die HTL Leonding, der Verein servus.at, die TU Dortmund, das Ars Electronica Center und die Fachhochschule St. Pölten an den gleichen Tisch gesetzt und daran gearbeitet eine internationale Veranstaltung zu organisieren. Die anfänglich konkurrierenden Bewerbungen um die Austragung durch Linz und Zürich beim Weltverband für Roboterfußball, wurde kurzerhand in eine Kooperation umgewandelt. Und so werden die Roboter gleich den Menschen zwischen Österreich und der Schweiz hin und her fahren.

http://www.euroby2008.at

Entstehungsgeschichte des Roboterfußballs

Anfang der neunziger Jahre setzte ein Umdenken im Forschungsgebiet der künstlichen Intelligenz ein: Nicht nur Gedächtnisleistung (Stichwort: Schachcomputer) solle simuliert werden, sondern vielmehr die Fähigkeit die Umwelt wahrzunehmen und darauf zu reagieren bedeute Intelligenz. Rodney A. Brooks’ Überlegungen zur verhaltensbasierten Robotik und sein berühmter Artikel »Elephant's Don't Play Chess« 1990 markiert den Zeitpunkt dieses Paradigmenwechsels hin zu Robotern, die ihre Umgebung erkennen können anstatt diese bereits kennen zu müssen. Verschiedenste Anwendungsfelder wurden diskutiert und erprobt.

1993 schlägt der Kanadier Alan Mackworth vor, das Fußballspiel zum Standardproblem für die Künstliche Intelligenz zu machen. Denn ein Fußballspiel von Robotern vereinigt vielfältigste Forschungsgebiete wie: Sensorik, Robotik, künstliche Wahrnehmung, logisches Schlüsse ziehen, Bildverarbeitung, Multi Agent Systeme usw. unter Echtzeit-Bedingungen. Die kompetitive Ausgangssituation bei Sportdisziplinen sollte für wissenschaftliche Aktivitäten genutzt werden, um die nicht-militärische Forschung kokurrenzfähig zu machen. Fußballturniere sollen dabei einen friedlichen Wettbewerb gewährleisten, der den erfolgreichsten Lösungen zum Durchbruch verhilft und die Entwicklung der Roboter insgesamt voran bringt.

1995 beruft Jong-Hwan Kim aus Korea das internationale Organisationskomitee »Micro-Robot World Cup Soccer Tournament« ein. 1996 wird die erste internationale MiroSot Meisterschaft am KAIST, (Daejeon, Korea) ausgetragen. Ein Jahr später formiert sich die Federation of International Robot-Soccer Association (FIRA). Aber auch in Japan formieren sich die Anhänger des Roboterfußballs zu dieser Zeit. Ebenfalls 1997 finden die erste RoboCup-Bewerbe statt. Seit der ersten Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich (FIRA Cup und RoboCup) finden jährliche Welt- und Europameisterschaften im Roboterfußball statt.

Die gegenwärtige Situation im Roboterfußball ist besonders interessant, da sich der Stand der Forschung am Übergang von den einfachen, würfeligen Geräten – bei denen die Entwicklung von intelligentem Verhalten im Vordergrund steht - hin zur komplexen Telemetrie von Roboteren mit menschenähnlichen Proportionen befindet.

Roboterfußball – eine wissenschaftliche Herausforderung

Ein Fußballroboter stellt eine autonome, intelligente und mobile Entität dar, die ihre Aufgabe im Verbund mit anderen Einheiten lösen soll, indem sie mit diesen kommuniziert, ihre Aktionen mit diesen koordiniert und kollaborative Strategien anwendet. Die gestellte Aufgabe, als Team den Ball ins gegnerische Tor zu befördern und zu verhindern, dass der Ball im eigenen Tor landet, ist eine komplexe Testanwendung für Robotersysteme, die aus mehreren Einheiten bestehen. Ein derartiges System stellt ein konkretes »Multi Agent System« (MAS) dar. Roboterfußball ist somit geeignet, um Technologien, die für erfolgreiche MAS notwendig sind, zu entwickeln und zu testen. Zu diesen gehören:

*Positionsermittlung und Umgebungserkennung*

Um in unbekannter Umgebung agieren zu können, müssen die Agenten mit leistungsfähiger Sensorik ausgestattet sein. Die größte Herausforderung stellt die Interpretation (Wahrnehmung) der Messwerte dar. Im MAS kommt hinzu, dass sowohl der eigene Zustand als auch der Gesamtzustand des Verbandes erkannt werden müssen.

*Kommunikation*

Im MAS ist ein Kommunikationsverfahren notwendig, um Informationen unter den Agenten auszutauschen. Eine Hauptproblem stellt die Echzeit-Fähigkeit dar sowie der Umstand, dass der Kommunikationsaufwand mit steigender Anzahl von Agenten stark ansteigt. Hierbei treten zudem gesteigerte Anforderungen an die Übertragungsprotokolle, Bandbreiten und die verwendbaren Kommunikationskanäle auf.

*MAS Algorithmen*

Nicht nur der Roboter als einzelner muss intelligent agieren können, sondern ebenso der Verband als Ganzes. Dafür kommen KI-Algorithmen (Künstliche Intelligenz) und Kollaborationsstrategien zum Einsatz. Die Interpretation des Gesamtzustandes anhand der Kenntnis über die Zustände der einzelnen Agenten fällt ebenso in diesen Bereich. Immer wenn hohe Änderungsraten des dynamischen Systems auftreten, werden zudem Vorhersagetechniken und -Algorithmen benötigt.

*Robustheit der Hardware*

In fast allen Anwendungsfällen ist es notwendig, die sensible Elektronik im Betrieb zu schützen. Dazu bedarf es einer Miniaturisierung, um sie im Inneren des Roboter-Körpers unterzubringen.

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Roboterfußball wird unter Einhaltung von Kriterien gespielt, die von den entsprechenden Weltverbänden standardisiert wurden. Bei der gegenständlichen Veranstaltung wird nach FIRA (Federation of International Robotsoccer Association, www.fira.net) System gespielt.