Open Source Low-Tech-Trash-Katamaran

Familienticks, schöne Logos und Donaubelebung – Christian Eder und Sabrina Kern trafen sich mit dem Schiffsbauer Markus Luger. Sabrina Kern erzählt die Story.

 

Die Vorgeschichte

Aufgewachsen ist Markus Luger in Ottensheim, zusammen mit seinen beiden Brüdern, Peter und Bernhard, mit denen er den Familientick »Donau und Schifffahrt« teilt, wobei niemand so genau weiß, woher das kommt. Bernhard ist als Einziger der drei gelernter Schiffsbauer. Er baute 1990 in Obermühl in Eigenregie die Fitzcarraldo, die auf der Donau in Linz eingesetzt wurde und im Jahr 2009 unter einem anderen Besitzer unterging. Markus Luger schlug hingegen den Weg des Autodidakten ein und eignete sich eine Vielzahl von Fähigkeiten bei diversen Jobs und Projekten an. Seine erste Zille, eine klassische aus Vollholz, baute er bereits mit fünfzehn. Später folgten zwanzig Jahre in Wien, wo er am Aufbau des legendären Veranstaltungshauses FLEX mitwirkte und 1998 gemeinsam mit Lothar Trierenberg und Justus Lück Cafébar und conceptstore »das Möbel« eröffnete. Im letzten Jahr in Wien baute er dann noch zwei weitere Faltzillen. Dann aber wollte er weg aus Wien, also musste eine größere her, ein Fluchtfahrzeug sozusagen. Dabei faszinierte ihn die Idee, den persönlichen Besitz soweit zu reduzieren, dass er in ein Boot rein passt, um dann mit diesem die Stadt zu verlassen. Sein Ziel war Hamburg bzw. eigentlich die Elbe. Dass er zwanzig Kilometer vor Hamburg umdrehte lag an einem Mangel an Interesse an Hamburg und an Freibord: Weil Zillen eben Donaufahrzeuge sind, ist ihre Bordwand für ein Gewässer wie die untere Elbe nicht geeignet. Wahrscheinlich wäre er dort untergegangen. Zurück ging es bis zur tschechischen Grenze, wo er die Fahrt nach ca. zweieinhalb Monaten – gegerbt von Wind und Wetter - beendete. Alles in allem, sagt er, war es eine gemütliche und auch irgendwie lustige Fahrt: Desto weiter Österreich hinter ihm lag, desto intensiver wurde ihm von jeder Strompolizei, die ihn erblickte, die Frage gestellt, ob er denn wirklich bis hierher mit diesem komischen Ding gefahren sei. Danach verbrachte Markus dann noch sieben Monate auf einem großen Frachtschiff. Seit ca. eineinhalb Jahren ist er jetzt im Großraum Linz aktiv, und arbeitet derzeit an seinem Experiment.

Das Experiment

»Was machst du jetzt?« »Eigentlich mache ich gerade ein bisschen ein Experiment. Es ist der Versuch, so eine Art Low-Tech-Trash-Katamaran zu bauen, mit möglichst wenig Geld und möglichst wenig Zeitaufwand einen hochseefähigen Katamaran anzufertigen. Und ein Experiment ist es deswegen, weil ich noch nicht zu 100% sagen kann, ob es funktioniert, ob er sich wirklich bei großen Wellen und Sturm bewährt. Da ich noch nie auf dem Meer gesegelt bin, tue ich mir schwer abzuschätzen, welche Kräfte bei hohen Wellen freiwerden und wie diese das Schiff beanspruchen.« Auf die Frage, ob er jemals über das Scheitern nachdenkt, antwortet er aber »selbstverständlich nicht«. Es gebe zwar auch die Möglichkeit ein klassisches, hochseetaugliches Segelboot zu kaufen, aber das ist erstens teuer und zweitens findet Markus das ganze irgendwie auch etwas fad, es passt nicht zu ihm. Somit liest er sich nun alles selber an. Das nächste Ziel - nach dem erfolgreichen Bauen – ist Südamerika, eine Atlantiküberquerung. Der Gedanke dazu entstand bereits während der Zillenfahrt Richtung Hamburg, da es mit einer Zille einfach irgendwann nicht mehr weitergeht. Entscheidende Initialzündung für die jetzige Bauidee kam aber erst, als er Robert Eisenhuber beim Bau seines Hausbootes half. Dabei stieß er auf ein interessantes Baumaterial: ausgemusterte Gastanks.

Die Technik

»Es ist eine schöne Idee, vorhandene Volumenskörper wie Gastanks zu adaptieren. Der Rumpfbau geht damit relativ schnell und ist das einfachste, zudem ist das Material sehr billig und extrem massiv. Bis jetzt habe ich ca. 150 Arbeitsstunden investiert, was wenig ist für das bereits erreichte Volumen. Aber ich bekomme auch Hilfe von meinem Bruder, Peter, und zwei weiteren Begeisterten«. Das Grundprinzip besteht aus zwei parallelen Rumpfkörpern, die jeweils aus vier Gastanks zusammengesetzt sind. Die Gastanks kommen zusammen auf eine Länge von
sechzehn Meter. Ein einziger Rumpf hat dabei die Tragfähigkeit für die gesamte Konstruktion und ist in 4 Schotten unterteilt, die wasserdicht verschlossen werden können. Die Gefahr besteht somit eher im Kentern, als im Untergehen. Das Heck und der Bug sind durch Zylinderschnitte zusammengezogen, damit sie stromlinienförmiger werden. Teilweise wird das Tankvolumen dann als Schlafplätze bzw. Stauräume verwendet werden, was zwar etwas eng ist, aber es geht. Die Gastanks hat Markus von der Firma Drachengas zur Verfügung gestellt bekommen. »Drachengas hat ja mit Abstand das schönste Logo von allen Gas-Firmen. Daher male ich ihnen dann ihr Logo auf den Rumpf.« Verbunden werden die Rumpfkörper mit selbst geschweißten Fachwerksträgern. Höchst wahrscheinlich verschraubt, ideal wären dabei flexible Verbindungen. Die Breite wird dann acht Meter betragen. Oben drauf kommt noch eine Kajüte, relativ klein und niedrig, damit es nicht zu viel Windwiderstandfläche bietet. Geplant ist außerdem ein Gittermast mit Dschunkensegel. Der Gittermast kann aus normalen Baustahl selbst geschweißt werden, was nicht nur billig ist, sondern zusätzlich auch die Möglichkeit bietet, ihn überall auf der Welt reparieren zu können. Die Masten müssen außerdem kippbar sein, da es sonst unmöglich ist unter Brücken durch zukommen. Schließlich ist vor dem Ozean noch eine lange Flussfahrt zu bewältigen – Der Katamaran kann nicht über Land transportiert werden. Dschunkensegel sind eine ca. 2000 Jahre alte Segelform aus China und haben den Vorteil, dass sie aus jedem X-beliebigen Stoff selber genäht werden können, da sie im Prinzip eine plane Fläche sind. Außerdem sind sie für eine Person leicht zu handhaben. Ein Motor kommt auch noch drauf, wahrscheinlich ein leichter Automotor platziert in der Mitte und dazu ein Wellenantrieb vertikal schwenkbar mit Ruder. Das Eigengewicht wird schätzungsweise zehn bis elf Tonnen haben. Noch sind aber nicht alle Details durchgeplant, weswegen Markus auch noch mit einer_m Ziviltechniker_in in Bezug auf Änderungswünsche sprechen wird. Außerdem hat er noch konkreten Bedarf an so einigem: z.B.: Sonne, Motorgetriebe, Schrauben, Segelmaterial, Seile, Winden, Anker, Radar, GPS,... . Nach externen Schätzungen wird das Ganze in fünf bis zehn Jahren fertig sein. Nach Markus Einschätzung soll der Katamaran aber noch in diesem Jahr, hoffentlich im Sommer, ins Wasser gehen. Den Projektverlauf dokumentiert er. Fotos und Pläne werden als Gebrauchsanleitung für alle zur Verfügung gestellt, quasi eine open source Entwicklung.
Mehr dazu unter: http://timesupboatingassociation.wordpress.com

Die perfekten Bedingungen

In Linz und Umgebung, vor allem an der Achse Linz-Landshaag, scheint es derzeit die perfekten Bedingungen für Bootsbau zu geben. Es gibt einige laufende Projekte, deren Beteiligte auch gerne ihre Erfahrungen teilen. »Vor ein paar Tagen war einer aus Leonding da, der baut einen großen Katamaran mit Flettner-Rotorantrieb, dann gibt es in Landshaag die Weltumsegler_innen Claudia und Jürgen Kirchberger (www.fortgeblasen.at), außerdem die Rana von Günther Caspers, ein großes, sehr schönes Eigenbau-Segelschiff, einen weiteren Katamaran, der noch nicht ganz fertig ist und das Hausboot von Robert Eisenhuber.«
Donauabwärts auf Stromkilometer 2135.0 findet sich dann die DOnauTIK Abteilung der Stadtwerkstatt. Um diese und FIFTITU% herum fanden sich erst kürzlich zahlreiche Begeisterte, die sich dem Schiffsführer_innenpatent 20m gewidmet haben. Danach kommt der Winterhafen, wo die Elonore stillliegt, und schließlich Time's Up. Hier hängen traditionell sehr viele Boot-Bilder an den Wänden und jetzt im Winter wurde es kurzfristig zum Werftbetrieb umgewandelt. Neben Markus bauen noch drei weitere an ihren (kleineren) Booten.
Kultur zum Wasser bzw. der Donau gibt es nach Markus' Einschätzung hier zu Lande fast keine, langsam aber könnte sich daran etwas ändern.