Treffpunkt Afrika 2012

»Survival of the Hippest? – Urban Art and Culture in Africa«

Afrika ist anders. Anders als Europa. Aber vor allem ist es anders, als Europa denkt. Vom 3. bis 5. Mai veranstaltet die Stadtwerkstatt zum zweiten Mal das Festival »Treffpunkt Afrika«. Von Stephan Roiss.

Die erste Ausgabe des Festivals darf getrost als Erfolg bezeichnet werden. Dass die Stadtwerkstatt dafür den Preis »Stadt der Kulturen« erhalten hat, stellt mit Sicherheit eine angenehme Bestätigung der geleisteten Arbeit dar. Wichtiger war freilich, dass es tatsächlich gelang, einen Raum für multikulturelle Begegnung, fruchtbare Diskussionen und hochwertigen Kunstgenuss zu schaffen.

2010 legte das Festival inhaltliche Schwerpunkte auf »Afrikanische Netzwerke« und »Aktuelle interkontinentale Entwicklungen in Hightech, neue Energie- und Umwelttechnologien«. Heuer steht es unter dem Generalthema »Survival of the Hippest? – Urban Art and Culture in Africa«. Nomen est omen. Es geht also um aktuelle Tendenzen und Phänomene in Kunst und Kultur auf unserem Nachbarkontinent. Insbesondere um progressive und avantgardistische Strömungen, die städtischen Lebenswelten entspringen. Vor allem Filmkunst, Mode, Literatur und Networking werden hierbei in den Fokus geraten. Explizit geschieht dies im Zuge von Symposien, den konzeptuellen Herzstücken von »Treffpunkt Afrika«. Sprechen werden z.B. Selly Raby Kane, eine junge und vielfach preisgekrönte Modedesignerin aus Dakar (Senegal); der kenianische Autor und Herausgeber Billy Kahora, der für das Literatur-Netzwerk »Kwani Trust« arbeitet und Ephantus Kariuki von »Slum TV«, einer Medieninitiative, die das Leben in den Slums von Nairobi dokumentiert.

Das Geschehen am Podium wird von einem bunten Programm ergänzt und kommentiert. Neben zahlreichen Filmvorführungen und musikalischen Darbietungen finden eine Lesung, eine Comedyshow und ein Fußballturnier statt. Außerdem wird ein Workshop abgehalten, der mit einer Ausstellung einher geht – und primär auf Kinder und Jugendliche der oberösterreichischen Black Community ausgerichtet ist. Für das leibliche Wohl wird in Form von ruandischer Küche auf adäquate Weise gesorgt sein.
Auch in diesem Jahr ist es ein zentrales Anliegen des Festivals, überkommene Klischees zu dekonstruieren, um neue und fundiertere Sichtweisen auf Afrika zu ermöglichen. Sicher geht es auch darum, wirtschaftliche und politische Notstände ins Bewusstsein zu rufen. Notstände, die maßgeblich durch den Lifestyle und die Handelspraktiken Europas mitverursacht werden. Gleichzeitig soll aber der Spendenkonto-Automatismus demontiert und der Blick auf das selbstbewusste und hoffnungsvolle Afrika in seiner enormen kulturellen Vielfalt freigelegt werden. Die Diskurse, die »Treffpunkt Afrika« initiieren und begleiten möchte, sind nicht als Brutstätten grauer Theorie gedacht. Vielmehr besteht die Zuversicht, dass ein lebendiger Austausch konkrete Effekte in der Praxis zeitigt. Wissen befördert Empathie und Empathie ist das Fundament für respektvolles, solidarisches Handeln, wechselseitige Lernprozesse und das Entstehen kreativer Synergien. Dementsprechend zielt »Treffpunkt Afrika« auf einen offenen Polylog ab: zwischen den afrikanischen Gästen und der Linzer Szene bzw. dem lokalen Publikum. Speziell Menschen afrikanischer Herkunft, die in Österreich leben, sollen ein attraktives Angebot vorfinden.

Als Hauptschauplatz von »Treffpunkt Afrika« wird auch 2012 die Stadtwerkstatt fungieren. Zusätzlich werden das Schiff MS Traisen und das AEC Maindeck bespielt. Radio FRO und Dorf.TV werden regelmäßig vor, während und nach dem Festival Bericht erstatten.

Kuratiert wird »Treffpunkt Afrika« 2012 von Sandra Krampelhuber, die sich u.a. auch für das Programm des Kapu Filmfestivals verantwortlich zeigt. Wir baten sie zum Interview.

Wie beurteilst Du das erste »Treffpunkt Afrika«-Festival im Rückblick?

Ich habe mich sehr über den Erfolg und das Interesse des Publikums gefreut, es fand ein reicher Austausch statt. 2010 hatten wir jeweils ein sehr spezifisches Thema bei den Symposien (»Intercontinental Development in Technology« and »African Networks«). Vielleicht etwas zu spezifisch für ein breiteres Publikum. Dennoch war es sehr wichtig, diese Thematik aufzugreifen. Insgesamt ist das Format mit seinem Zusammenspiel von Symposien, Filmen, Musik und Sport sehr gut angekommen.

Was wird bei »Treffpunkt Afrika« 2012 anders sein als 2010?

Heuer geht es um »Urban Art and Culture in Africa«, ein weites Feld natürlich, das wir nur punktuell beleuchten können. Um dieses Thema wirklich intensiv präsentieren zu können, müsste man wohl ein mehrwöchiges Festival veranstalten. Doch leider stehen wir heuer vor der großen Herausforderung mit einem weit geringeren Budget als 2010 ein ebenso qualitatives wie interessantes Programm zu liefern – wobei ich zuversichtlich bin, dass uns dies gelingen wird. Der Rahmen des Festivals bleibt gleich, es wird wieder Symposien, Filme, Musik und ein Fußballturnier geben. Und das Programm wird sogar um einen  Schulworkshop erweitert, dessen Ergebnisse dann auch im Zuge des Festivals präsentiert werden.

Worin bestand deine Motivation »Treffpunkt Afrika« zu konzipieren? Besteht eine persönliche bzw. biographische Verbindung zu Afrika?

Beim ersten »Treffpunkt Afrika« im Jahr 2010  bin ich erst nach der Konzipierung zum Team gestoßen und habe vor allem in der Produktion gearbeitet. Nach dem großen Erfolg stand bald fest, dass eine Weiterführung des Festivals angestrebt wird.
Persönlich liebe ich es einfach Festivals zu organisieren, Gäste zu haben und international zu arbeiten, vor allem im Themenbereich Afrika und afrikanische Diaspora, was auch meine Interessensgebiete während meines Studiums waren (Ethnologie, Sozial- und Kulturanthropologie). Mehrmalige Reisen nach Dakar/Senegal und ein kurzer Aufenthalt in Kisangani/DRC haben dieses Interesse noch verstärkt.
Speziell in Dakar hat mich von Beginn an das reiche Kunst- und Kulturschaffen einer sehr jungen Generation beeindruckt. So ist dann auch die Idee entstanden, ein Festival zu diesem Themenkreis zu machen. Nicht nur weil mich das einfach sehr interessiert, sondern auch weil ich einen Gegenpol zu den ständigen medialen Horrormeldungen und noch immer tief verankerten »westlichen« Auffassungen von Afrika (Naturpark, Bürgerkriegsgebiet, Katastrophenschauplatz) schaffen möchte. Das kreative Schaffen in urbanen afrikanischen Zentren steht denen in sogenannten westlichen Ländern um nichts nach. Es ist sogar das Gegenteil der Fall. Die afrikanischen Szenen dienen dem sogenannten Westen als Inspirationsquellen – nicht nur bezogen auf Musik, sondern auch auf alle anderen künstlerischen Ausdrucksformen.

Der Name »Treffpunkt Afrika« birgt Paradoxes, da der Treff-»Punkt« mehr als 30 Millionen Quadratkilometer Fläche umfasst und eine enorme Vielfalt an unterschiedlichen Kulturen beherbergt. Warum habt ihr diesen Titel gewählt?

Der Titel »Treffpunkt Afrika« war eigentlich nur ein Arbeitstitel und bestand schon bevor ich in das Projekt eingestiegen bin. Er ist dann irgendwie stehen geblieben, wie das ja oft der Fall ist. Ganz glücklich bin ich mit dem Titel ehrlich gesagt nicht, denn einen »Treffpunkt Afrika«, einem Kontinent mit 55 Ländern, kann es genauso wenig geben wie z.B. einen »Treffpunkt Europa«. Es war klar, dass wir das Kulturschaffen dieses Kontinents nur in kleinen Ausschnitten – anhand von Einzelbeispielen einiger Länder – zeigen können.

Ist die »Einheit« Afrika eine willkürliche bzw. zufällige Setzung?

Die »Einheit« Afrika ist meiner Meinung nach generell eine falsche Setzung, bedingt durch die »westliche« v.a. auch mediale, meist negativ konnotierte Präsentation von Afrika. Allzu oft wird Afrika als »Land« bezeichnet, oft sogar als »Dorf« gesehen.

Was kann Europa von Afrika lernen?
Was kann Afrika von Europa lernen?


Europa kann und müsste eindeutig mehr von Afrika lernen als umgekehrt, denn Europa hat mit seiner jahrhundertelangen Praxis der Ausbeutung brutale Spuren in Afrika hinterlassen und tut es natürlich auch heute noch – im Zuge eines stark vorhandenen Neokolonialismus. Generell möchte ich aber sagen, dass es uns allen einfach um mehr Menschlichkeit gehen sollte. Das klingt vielleicht blauäugig. Doch jeder Mensch sollte für sich selbst die Verantwortung für eine positive Veränderung tragen und sich nicht ausschließlich auf politische oder religiöse Autoritäten verlassen. Natürlich ist das leicht dahingesagt, wenn man nicht täglich ums Überleben kämpfen muss.

Hast Du Visionen für die Zukunft von »Treffpunkt Afrika«?

Dass es weiter bestehen wird und wie ein Baum wächst.