Sexistische Netiquette

An der JKU führte Karin Ortner die Onlinebefragung »Reaktionen auf Beiträge von Frauen in Social Media« durch. Ergebnis: Frauen mit Standpunkt haben es in sozialen Medien mit Anfeindungen zu tun. Tanja Brandmayr im Interview mit Karin Ortner.

Eine Frage zur Motivation: Aus welcher persönlichen und wissenschaftlichen Intention ist die Umfrage zustande gekommen – welche These oder Vermutung, welche Dringlichkeit stand zu Beginn?

Die Online-Befragung entstand im Rahmen des Masterstudiums Webwissenschaften an der JKU. Ich habe eine Lehrveranstaltung »Online Forschen« zum Anlass genommen, um in Form einer ersten Bestandsaufnahme den Fokus auf die Reaktionen zu lenken, die politisch aktive Frauen im Netz bekommen. Es handelt sich dabei um keine Studie im klassischen Sinn und die Befragung ist auch ganz und gar nicht repräsentativ. So sind etwa ein Drittel der teilnehmenden Frauen auf Twitter aktiv oder die Frauen bloggen selbst. Die Motivation? Feministinnen (und Feministen auch) müssen sich – online wie offline – viel anhören. Aber selbst wenn frau nicht zu feministischen Themen aktiv ist: Sexismus im Netz ist weit verbreitet. Eine Teilnehmerin hat es auf den Punkt gebracht: »Ich habe den Eindruck, dass sexistische Kommentare die häufigste spezifische Form von Beschimpfungen sind, die vorkommen. Selbst auf liberalen Foren, wo Rassismus geächtet wird, ist Sexismus oft gang und gäbe.« Die wichtige Aufschrei-Bewegung, die von Twitter ausgehend eine beispielgebende Auseinandersetzung mit dem Thema Alltags-Sexismus ins Rollen gebracht hat, zeigt, wie sehr das Thema leider in unserer Gesellschaft verankert ist.

Generell ging es bei Ihrer Umfrage um »Reaktionen auf Beiträge von Frauen in Social Media«. Das Thema Gleichberechtigung hat sich als Aufreger im Netz herausgestellt. Sie schreiben, dass 61% der bloggenden Frauen beim Thema Gleichberechtigung mit Anfeindungen und Beleidigungen konfrontiert waren; 52% der Frauen den Eindruck haben, als Frau zumindest manchmal besonderen Anfeindungen ausgesetzt zu sein; 55% der Frauen angeben, dass besonders Männer beim Thema Feminismus negativ reagieren. War das überraschend?

Nein, diese Ergebnisse überraschen mich nicht, sie decken sich weitgehend mit meinen persönlichen Erfahrungen und denen meines (feministischen) Umfelds. Wobei es nicht um konkrete Prozentzahlen geht, sondern um sichtbar gemachte Erfahrungen von politisch aktiven Frauen online. Etwa dass viele den Eindruck haben, als Frau speziellen Anfeindungen ausgesetzt zu sein. »Du kennst dich da halt nicht aus« in wirtschaftspolitischen Fragen etwa, oder, dass auf ein antirassistisches Posting etwas Frauenfeindliches zurück kommt. Die Beschimpfung »Kampfemanze« scheint schon zum Standardreper-toire zu gehören.

Sie schreiben, dass Frauen sachlich und mit Argumenten reagieren, aber auch mit Frust und Rückzug. Es gibt schon sehr heftige Beschimpfun-gen, wie Sie ja auch angeführt haben. Andererseits wird dann oft auch abgewiegelt: »Das Netz ist nur ein Spiegel des realen Lebens«, man muss auch »mit anderen Meinungen rechnen« und »damit umgehen«. Auch wenn die Frage etwas über die Studie hinausgeht: Wie dramatisch anders ist es denn nun aus Ihrer Sicht – vielleicht im Vergleich der Online-Sphäre zu anderen Realitäten, die Frauen erleben?

Auch Online spiegeln sich lediglich reale Widersprüche und Machtverhältnisse wider. Mit dem Unterschied, dass diese durch die Anonymität im Netz noch verstärkt werden.

Als Konsequenz setzen die Befragten auf »allgemeine Sensibilisierung«, oder »Internet und Kommunikation als Fach in der Pflichtschule«. Die anderen aufgezeigten Möglichkeiten scheinen eher wenig zu bringen oder sind nicht erwünscht. Reicht Sensibilisierung aus Ihrer Sicht, beziehungsweise: Gibt es da Wege, die sich aus der Studie zeigen?

Die Frauen haben sich sehr deutlich gegen eine Klarnamenpflicht ausgesprochen. Auch von der Einschränkung von Kommentarmöglichkeiten halten sie wenig. Hingegen wollen sie die Betreiber von Foren stärker in die Pflicht nehmen. Gepaart mit einer allgemeinen (weit über das Internet hinaus) notwendigen Sensibilisierung und einer Beschäftigung mit Medienkompetenz schon in der Schule, erscheinen mir das gute Anfänge zu sein. Generell geht es meiner Meinung nach darum, on- wie offline Bewusstsein zu schaffen, beziehungsweise zu verändern. Und wenn ein Troll allzu sehr nervt, bleibt mir immer noch die Möglichkeit, ihn zu blockieren.