Der Gibling. Die Kunstsammlung.

Das Kunstprojekt ‚Gibling’ hat beschlossen eine Kunstsammlung aufzubauen. Eine referentielle Einführung von Maren Richter.

Das Kunstprojekt ‚Gibling’ hat beschlossen eine Kunstsammlung aufzubauen. Welche Strategie lässt sich daraus im Kontext einer auf dem Tauschprinzip basierenden Währung ableiten, geht man davon aus, dass Sammeln immer auch (Waren- oder Bedeutungs-)Ökonomien mitproduziert? Wie und wodurch lassen sich - nimmt man an, die kommende Gibling-Kunstsammlung ist als kritische Praxis, vielleicht sogar als Aneignungsmethode zu verstehen – andersartige Grammatiken des Kunstsammelns erstellen? Was wäre dann das gegenwärtige Gegenüber und an welche historischen Referenzen lässt sich innerhalb und außerhalb von Sammlungslogiken und -repräsentationen anschließen?

Die Sammlung. Die Warenförmigkeit.

Kürzlich betonte der Künstler Damian Hirst in einem Interview, dass für ihn die Produktion von Kunst zugleich die Produktion von Geld sei. Der Meister der marktkompatiblen Kunst, der das Zurschaustellen des Geldwerts eines Kunstobjekts zum künstlerischen Prinzip erklärte und damit enorme Gewinne am Sammlermarkt erzielt, thematisiert (ob als Ironie lesbar oder nicht) eine grundsätzliche Fragilität im Beziehungs-geflecht Kunst/Geld, namentlich in der Tätigkeit des Sammelns. Eine Sammlung ist im besten Fall von mäzenatischen Prinzipien (also im Motiv der fördernden Verpflichtung gegenüber der Kunst) angetrieben, und selbst wenn dadurch die wirtschaftliche Potenz des Sammlers mit in den Mittelpunkt rückt, denn das tut sie – verspricht sie dennoch und vor allem Uneigennützigkeit. Mit dem Zusammenbruch des Essl-Imperiums 2014 etwa mussten die Überlegungen um den Erhalt der Privatsammlung rasch auf eine pragmatische Ebene des betrieblichen Überlebens heruntergebrochen werden, wodurch die Wichtigkeit der Sammlung in ihrer konzeptuellen Gesamtheit auf den Warenwert einzelner (als wertvoller geltenden) Kunstwerke reduziert werden musste, aber auch konnte.

Mit der aktuellen Ausstellung im Lentos Kunstmuseum »Ich kenne kein Weekend«, in der die Sammlung des deutschen Kurators Rene Blocks zu sehen ist, begegnet man einem weiterenTypus/Aspekt von Sammlungstätigkeit, die vor allem später in der kritischen Beobachtung für KünstlerInnen mehrfach Relevanz erlangte. Der Sammler übernimmt gegenüber der Kunst die Funktion des Ermöglichens. Er schafft Raum und Ressourcen, um etwas zu lancieren, was im Moment des Sammelns in großen Teilen als (noch) nicht wertvoll erachtet wird. Entsprechend bildet die gesammelte Kunst mehr eine (befruchtende) Beziehung zwischen KünstlerIn und SammlerIn als weniger eine zwischen Kunst und Markt ab. Dass Josef Beuys und die Neo-Avantgarde, mit denen Block zusammenarbeitete, etwas später einen horrenden Marktwert erlangten, spiegelt jedoch das Paradox des Marktes wider – besonders dann, wenn das »Alte« bereits archiviert ist, wie Boris Groys in den 1980er den Markt kommentierte, und die Suche nach dem »Neuen« auf den Plan des Kunstmarkts/des Ausstellungsmachens tritt.

Die Kunst. Der Betrieb. Die Ökonomien.

Tatsächlich riefen die zunehmend gewichtiger werdenden Verwertungslogiken, gesteuert durch Ausstellungsinstitution/Kurator/Kunstmarkt – und später als Kunstbetrieb bezeichnet –  bei KünstlerInnen in der selben Zeit ein Unbehagen und zugleich neue künstlerische Richtungen hervor, wie die Institutionskritik, die sich bis in die frühen 1990er Jahren in verschiedenen Spielarten durchdeklinierte. Der Rückzug aus dem ‚Betrieb’ galt als politische Äußerung. Und als gemeinsamer Nenner wurde die Kunstinstitution als »Problem« und als Teil eines größeren Ensembles sozioökonomischer Räume konzeptualisiert. Ihre Ausdrucksformen waren bevorzugt – auch eine Verweigerungspraxis mitverfolgend - ephemer, interventionistisch, sie traten als Manifeste oder später vermehrt partizipativ auf. Die Museen erkannten jedoch bald, dass eine Einladung an die KünstlerInnen, den eigenen Betrieb bzw. allgemeiner den Kunstbetrieb als Abbild marktwirtschaftlicher Mechanismen kritisch unter die Lupe zu nehmen, als öffentlich wirksame Geste der Selbstreflexion erachtet wurde. Mit ihr ließ sich das Museum/die Galerie als dynamischer und sozialer Raum, ja sogar als demokratischer Ort aufmerksamkeitsökonomisch re-positionieren – gewillt, verkrustete Systeme, interne soziale Missstände und Hierarchien aufzubrechen. KünstlerInnen wiederum erkannten darin schnell eine Instrumentalisierung ihrer künstlerischen Praxen als eine Art institutionelles, gewinnsteigerndes Spin Doctoring. Worauf die Kunst auf der Suche nach neuen Bezugssystemen den öffentlichen Raum, Communities, die Stadtbrache, den Leerstand bevorzugt als inhaltliche und konzeptuelle Referenz präferierte um etwa die unternehmerischen Strategien einer Stadt – denn auch diese verwandelte sich zusehends in einen wirtschaftlich agierenden Betrieb – (vorerst) in relativer Freiheit und ohne Zwänge von ästhetisch warenförmigen Richtlinien formulieren konnte.

Erst in den letzten Jahren befanden es KünstlerInnen wieder verstärkt wichtig, sich den (nunmehr weitaus komplexeren und mit neuen Größenordnungen bestückten) Zusammenhängen von Kunst, Institution und Ökonomien zu widmen. Sie treten bevorzugt forensisch, performativ, aktivistisch, in Referenz zum Agitrop und ohne Zustimmung der Institutionen, der Stadt, des Marktes auf, um auf globale (fragwürdige) Geschäfte von Kunst-Sponsoren aufmerksam zu machen oder gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen für verbesserte Arbeitsbedingungen von Bauarbeitern eines Museums in Abu Dhabi zu kämpfen.

Die Sammlung. Der Gibling. Die Fragen.

In diesem sehr schlaglichtartigen Abriss über historische wie gegenwärtige Spannungsfelder von Kunst/Institution/Geld/ Markt in der Überlappung von Bedeutungen, etwa rigide Märkte vs. Freiräume, Verwertungs- vs. Entkoppelungsprozesse, repräsentative Narrative vs. emanzipatorische Narrative, – und zurück zur Frage, welche Lesart eine Gibling-Kunstsammlung erbringen könnte - eröffnen sich an dieser Stelle vorerst mehr Fragen, denn Antworten:

Welchen Wert kann eine Kunstsammlung im Kontext eines Kunstprojekts, das sich auf die Suche nach Alternativen zur Marktwirtschaft begibt, erlangen, in einer Zeit der permanenten Krisen, in der die turbokapitalistische Wachstumslogiken als Schubkraft dienen, um ausschließlich das Bestehende als bewahrenswert zu erachten – und in der ’Krise’ durch Sicherheitsregime und algorithmische Regierungsstile verwaltet wird? Verschreibt man sich der Darstellung systemischer Zusammenhängen und sucht nach anderen, bislang unbekannten Formeln, oder reproduziert eine Kunst-Sammlung zwangsläufig die ihr inhärenten Verwertungslogiken mit, auch wenn es die Kunst selbst ist, die Kunst sammelt/fördert? Welchen Agenden kann sich eine Gibling-Kunstsammlung verpflichten? Oder: Ist es relevanter zu fragen, welche Möglichkeiten der Aufbau einer Sammlung für eine Gemeinschaft hat, die, verknappt formuliert, als künstlerische Strategie Wohlstand durch Gemeinwohl ersetzt sehen will? Oder nochmals anders formuliert: Welche Bedeutung kommt dabei dem Erwerb und dem Austausch von Wissen zu? Lässt sich daraus eine kritische Forderung (er)schließen?

Über den Zeitraum von einem Jahr werden KünstlerInnen eingeladen, diese Beziehungsgeflechte zu kommentieren, sichtbaren wie unsichtbaren Mechanismen nachzugehen oder dissidente Vektoren zu erzeugen – in der Zustimmung damit zugleich Teil eines Sammlungsbestands zu werden.

Man könnte es als eine Art kunstbetriebliches Testfeld umschreiben, mittels dessen Konflikte auf ihr Wahrnehmbarmachen hin untersucht werden, etwa dort, wo eine »There is no Alternative«-Wachstumslogik und -praxis ein anderes Narrativ, ein anderes Bild erfordert und einfordert. Oder im Blick auf mögliche gemeinschaftsbildende Prozesse, (Re)Politisierungen, De-Ökonomisierungen oder De-Kolonialisierungsmodelle.

Der italienische Künstler Aldo Giannotti steuert den ersten Beitrag zur Sammlung bei. Mit Redistribution ruft er nicht nur zur Geld-Umverteilung auf. Giannotti schlägt zugleich das Erproben in einem sozialen Mikrokosmos vor. Überlegungen zu gesellschaftlicher, ökonomischer, ökologischer aber auch körperlicher (Im)Balance sind wiederkehrende Themen des in Wien lebenden Künstlers, aus denen heraus für ihn Formen des gesellschaftlichen oder widerständigen Handelns generierbar werden.

Aldo Giannotti, "Redistribution"