Drei Geschichten aus Monnickendam

Das artist-in-residence-Programm von DOnauTIK und Stadtwerkstatt wandert aus. Renate Bauer und Michael Aschauer waren dort. Theresa Luise Gindlstrasser denkt darüber nach.

Es gibt in den Niederlanden ein Städtchen namens Monnickendam (dt. Mönchsdamm). Es gibt in diesem Städtchen ein Gewässer Namens Stinke Vuil (»Stinkdreck«). Und, es gibt natürlich eine Geschichte zu dieser ausdrucksstarken Bezeichnung: Die Abfallprodukte des Walfangs im 17./18 Jahrhundert wurden nicht unbedingt ordnungsgemäß entsorgt. Bestimmte Gewässer und Landstriche mussten also als Sperrgebiet ausgewiesen werden. Eben, Walfang ist ein stinkdreckiges Geschäft. Es gibt aber noch mindestens zwei weitere Geschichten zu Monnickendam. Die eine geht so: Das KünstlerInnenkollektiv DOnauTIK (stwst) ist bereits mit allen Donauwassern gewaschen und auf der Suche nach neuen Ufern. Nachdem das artist-in-residence-Programm auf der Eleonore im Linzer Winterhafen bereits seit 2009 bunte Früchte trägt, wird nun mit finanzieller Unterstützung von LinzEXPOrt, auch die Möglichkeit geboten auf einem Boot namens Junix in Monnickendam in künstlerischer Klausur zu leben.
Renate Bauer (Studium Film & Video an der Kunstuniversität Linz, lebend in Linz) und Michael Aschauer (Studium Digitale Kunst und Visuelle Mediengestaltung an der Universität für Angewandte Kunst Wien, lebend in Wien) haben sich diesen Sommer jeweils für zwei Wochen auf der Junix eingesiedelt, haben dort innerhalb eingeschränkter Raumverhältnisse und unter begrenzten Ressourcen gelebt und gearbeitet. Das neun Meter lange Boot bietet eher Platz für Planungsvorhaben und theoretische Recherche als für ausufernde – praktische – künstlerische Tätigkeiten. So projektierte Michael Aschauer während der Dauer seines Aufenthalts auf der Junix sein Projekt River Studies: Ganga, das ihn im Winter 2011 voraussichtlich nach Indien führen wird. Renate Bauer bemühte sich um die Entwicklung eines Konzeptes zu einem Dokumentarfilm.

Für die kurze, ach so kurze Zeit von zwei Wochen herausgerissen aus den alltäglichen Lebenszusammenhängen, hat Michael Aschauer Erfahrungen von Stille und Einsamkeit gemacht. Jawohl, Stille und Einsamkeit. Und was heißt das für die künstlerische Produktion? Endlich ungestört und frei? Der Gedanke an Mönche, weltferne Kunst, Pathos und Genies (Michael Aschauer: »Haha!«) drängt sich auf. Ist das eine nahe liegende Rezeption von künstlerischer Arbeit in Klausur?
Michael Aschauer ist ganz gegenteilig und wesentlich pragmatisch mit Einsamkeit und Stille umgegangen. Die Konzentration auf die künstlerische Arbeit, die durch ein artist-in-residence-Programm gegeben ist, ermöglicht hier eine Auseinandersetzung mit Fragestellungen, die den Themenkreis Natur und Technik bewandern. So hat Aschauer über die Grenzen des Wachstums nachgedacht. Wie könnten Kunst und Leben nach den Neuen Medien, nach der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen aussehen? (Davon abgesehen wurde die Erfahrung von Stille und Einsamkeit durchaus von den Neuen Medien außer Kraft gesetzt. Sprich: Strom und Handynetz vorhanden in Monnickendam.)
Was passiert nach den Neuen Medien? Und was nun? – Das ist mit Bestimmtheit eine zeitbezogene, insofern nicht weltabgewandte, Frage. Das ist aber auch mit Bestimmtheit eine kulturkritische Frage. Insofern schließt sich der Kreis zum Gedanken an Mönche, weltferne Kunst, Pathos und Genies zumindest ansatzweise. Ist doch Einsiedelei, schöner: Eremitentum, durchaus zu verstehen als Kritik an den gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen Verhältnissen. Gerade im versuchten Rückzug aus der Welt haben Fragen nach dem WAS NUN? Tradition. Hier mag auch ein weiterer Rezeptionsversuch liegen. Jawohl, gibt es denn ein richtiges Leben im Falschen? Und hört das Falsche auf, wenn ich von Land gehe?
Dazu gibt es eine andere Geschichte: Eremitagen, als Bauten für Einsiedler und Einsiedlerinnen, haben in ihren Bewertungen starke Veränderungen erfahren. Zunächst Orte der Einsamkeit und Stille wurden sie alsbald Gartengestaltungselemente in höfischen Parks, um dann bezahlten Eremiten und Eremitinnen Raum zu bieten, welche die (sensible) Gesellschaft des 18. Jahrhunderts zu eigener innerer Einkehr motivieren sollten. Eremitentum als Kunstform und Eremitagen als Museen.

Zurück aber zum Boot. Auch für Franz Xaver von DOnauTIK bedeutet das artist-in-residence-Programm eine sehr intensive Zeit. Die Teilnehmenden werden in der Vor- und Nachbereitungsphase von der Stadtwerkstatt betreut und unterstützt. Es hat sich heraus gestellt, dass beide Seite von dieser Kollaboration viel profitieren können. Somit erfüllt sich auch ein Anliegen des gesamten Projekts, das im Ausschreibungstext als »spartenübergreifend« formuliert wird. Auf einem Boot befassen sich Kunstschaffende im weitesten Sinne mit Natur & Technik. Naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Fragestellungen steigen wie Köhlensäurebläschen an die Wasseroberfläche.
Bei Interesse, Fragen oder Bewerbungen; mail schreiben an: residency@stwst.at!

Wenn das soeben Gelesene die zweite Geschichte aus Monnickendam darstellt, so muss die leichtfüßige Verwachsenheit mit der ersten Geschichte noch heraus gestellt werden. Monnickendam liegt nicht weit von Amsterdam. Um genau zu sein, bloße 13 Kilometer. Es besteht also für alle Einsiedler und Einsiedlerinnen die Möglichkeit, Ausflüge nach Amsterdam zu machen, um der dortigen Kunst-/Kulturszene Besuche abzustatten. Michael Aschauer hat genau dies auch unternommen und musste bei seinen Fahrradausflügen feststellen, dass Stinkdreck und Jauche sehr nahe beieinander liegen. Allerdings stellt dies zunächst einmal keinen Vergleich zwischen Walfang und Landwirtschaft dar.
Und die dritte Geschichte? So wie jede sinnvolle Geschichte hat auch der Bericht von den drei Geschichten aus Monnickendam ein ebenso offenes, wie großartiges Ende. Ahoi!