»So scheiße, dass es schon wieder scheiße ist.«

Das Hamburger Kollektiv Hgich.T kommt am 1. September in die Stadtwerkstatt, (nicht nur) Stefan Rois ist begeistert.

Ich schreibe wirklich gerne über Musik. Aber diesmal sollte ich eigentlich den Laptop in den Teich werfen und einfach die Fresse halten. Denn alles was man über HGich.T sagt, ist notwendiger Weise lauwarme Grütze. Punkt.

Aber wenn ich schon dabei bin... HGich.T (sprich: Ha-Ge-Ich-Te) ist ein bunter Haufen bunter Menschen aus dem Hamburger Umland, ein loses KünstlerInnenkollektiv, dessen Belegschaft und Mitgliederzahl fluktuiert und dessen Geschichte bis zurück in die 90er reicht. Bekannt sind HGich.T allerdings erst in den letzten Jahren geworden, als sie mit skurrilen Trash-Videos zu YouTube-HitlieferantInnen avancierten und daraufhin die EP »Hallo Mama« (2009), sowie ihr Debütalbum »Mein Hobby: Arschloch« (2010) über das charmante Label Tapete Records veröffentlichten.

Machen HGich.T gute Musik? Nun ja. Wenn man einen Cocktail aus unüberbietbar stupiden Konservenbeats, Lobotomie-Lyrics und tölpelhaftem (Sprech-)Gesang als »gute Musik« durchgehen lässt, dann auf jeden Fall. »Intro« schrieb über HGich.T: »So scheiße, dass es schon wieder scheiße ist.« Trefflich. HGicht.T selbst meint: »Hauptsache, es knallt!«
Ebenso trefflich. Denn: diese Scheiße knallt. Und: Musik ist hier sowieso nur die halbe Hälfte der halben Miete.
Die Videos von HGich.T sind wahnsinnig schlicht, schlicht wahnsinning und in ihrer perfekten Antiprofessionalität bereits eine ordentliche Gnackwatschn für den menschlichen Verstand. Die Shows dieser Formation jedoch sind die absolute Unsinnflut: schrille, ausufernde Entgrenzungs-Events, mehr Artcore-Happenings als Konzerte – Kategorien, adieu!
Mit grenzdebilen Kostümen und nackter Haut, Livepaintings und Schwarzlicht, teils heftigen Crowd-Interaktionen und weiß der Teufel was noch alles … zelebriert man Techno mit doppeltem Boden oder eben nicht, Goa ohne Gehirn oder eben doch, Ballermann fürs Feuilleton, Extremkabarett (Tendenz: Helge Schneider, zugekokst – auf
Anschlag), Frontaldadaismus für alle Sinne, maßloses Ästhetik-Veto.

HGich.T sind mittlerweile überall daheim: im Jugendzentrum, im Club und im Theater; in der Unterschicht ebenso wie bei der Bildungselite; im Spiegel, im Spex, im Art-Magazin, im Vice, in der Versorgerin. Man kann – Achtung, ganz was Neues – immer alles auf unterschiedliche Weisen lesen. Aber manche Phänomene sind grundsätzlich auf Unfassbarkeit ausgerichtet, beißen sich dreitausend Mal in den eigenen, mehrfach codierten Schwanz und leben förmlich davon, eine möglichst breite Klaviatur der Interpretationen bereit zu stellen, die dann die RezipientInnen rauf- und runterspielen können bis die Tasten qualmen – aber ein einheitliches Thema findet sich nicht und ein Tenor lässt auf sich warten bis
St.Nimmerlein. HGich.T ist so ein Phänomen. Drogengeschwängerter Dilettantismus? Clevere Persiflage? Purer Schwachsinn? Fragezeichen? Ist das die Spitze der Spaßgesellschaft oder der Stachel in ihrem Fleisch? All das, nichts von all dem und noch viel mehr. Vor allem aber: scheißegal.

An alle Opfer der Spektakelgesellschaft: Kommt zu HGich.T. An alle Radikalhumoristen: Kommt zu HGich.T. An alle Fans des selbstbestimmten Sozialpornos: Kommt zu HGich.T. An alle, die Dumpfbacken-Trance aus vollem Herzen lieben: Kommt zu HGich.T. An alle, die sich für den Status Quo der performativen Künste interessieren: Kommt zu HGich.T. An
alle Pilzgeister und Psychodelikatessen: Kommt zu HGich.T. An alle, die sich durch Kulturpessismismus nicht die gute Laune verderben lassen wollen und an alle, die sich durch gute Laune nicht den Kulturpessimismus verderben lassen wollen: Kommt zu HGich.T. An alle, die schlichtweg besinnungslos feiern wollen: Kommt zu HGich.T.

An alle: Kommt zu HGich.T. Aber schaut euch vorher deren Videos im Internet an. Die sagen mehr als tausend Worte. Hätt ich doch lieber mal die Fresse gehalten.