Donald Trump erscheint in seinen Tweets und Interviews mitunter wie das Kind in Andersons Märchen von Des Kaisers neuen Kleidern. Er spricht aus, was offensichtlich ist, aber kaum jemand zu sagen sich getraut: etwa, dass die Staaten nun einmal in ihrer Handels- und Wirtschaftspolitik als foes einander gegenüberstehen – auch dann, wenn sie keinen Krieg gegeneinander führen oder vorbereiten, ja selbst wenn sie Militärbündnisse schließen und Gesichtspunkten hegemonialer Politik folgen.
In den deutschen Zeitungen, die ihm mit Vorliebe die Entfesselung von Handelskriegen unterstellen, wird in den wenigsten Fällen von den wirklichen Proportionen der Zollpolitik geschrieben, die Neue Zürcher Zeitung bemüht sich wenigstens ab und an um eine gewisse Neutralität und betont, dass die EU derzeit auf Autos aus den USA 10% Zoll verlangt, »wogegen die USA umgekehrt lediglich 2,5% veranschlagen. Die Vereinigten Staaten erheben zudem auf 48% ihrer Nicht-Agrarimporte überhaupt keinen Zoll, während das bei der EU nur für 26% aller Einfuhren gilt.« (NZZ, 5. 3. 2018) Ebenso wird in der europäischen Öffentlichkeit auch kaum erwähnt, dass Trump und sein Finanzminister den Europäern wiederholt ein Handelsabkommen ganz ohne Zölle angeboten haben – allerdings nur zusammen mit der Beseitigung auch der anderen Handelshemmnisse sowie der Subventionen, die den Wettbewerb auf dem Weltmarkt verzerrten.
In einer Art wirtschaftspolitischen Schuldumkehr sollen die USA offenkundig als die einzige Macht erscheinen, die noch Protektionismus im Sinn habe.
Selbst wenn Trump in die hegemoniale Rolle der USA mehr oder weniger unbeholfen hineinstolpert, und einmal abgesehen davon, dass die derzeitige Administration die fatale Politik Obamas in Syrien fast nahtlos fortsetzt: die angekündigten Maßnahmen auf dem Gebiet des internationalen Handels können durchaus als Reaktion darauf verstanden werden, dass dieser Macht durch den immer größeren Exportüberschuss Deutschlands und nicht zuletzt auch Chinas zunehmend die ökonomischen Grundlagen entzogen werden. Kein Wunder, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung (6. 7. 2018) sich in dieser Frage so überschwänglich mit China identifiziert und dem chinesischen Handelsministerium das Wort redet, wonach die USA »den größten Handelskrieg in der Wirtschaftsgeschichte« eingeläutet hätten. Demgegenüber kommt die Wahrheit nur nebenher zur Sprache, so in einem Interview mit der Handelsexpertin Dalia Marin, die in der neuen Zollpolitik der USA eine Maßnahme sieht, den Freihandel gegenüber China, jedenfalls was Investitionsmöglichkeiten betrifft, überhaupt erst durchzusetzen: Zwar werden sie »den Industriesektor in den Vereinigten Staaten nicht wiederbringen, im Gegenteil«, aber wenn »geschickt gemacht, kann die Androhung von Zöllen durch Herrn Trump auch einen positiven Einfluss auf das Welthandelssystem haben. Nehmen wir das Beispiel China: China hat eine sehr clevere Industriepolitik verfolgt, indem es den Eigentumsanteil ausländischer Investoren begrenzt hat.« Durch die protektionistische Maßnahme, dass sich ausländischem Kapital nur in Form von Joint-Ventures in der chinesische Markt geöffnet hat, konnte China in der Vergangenheit einen Technologietransfer aus den Vereinigten Staaten jenseits der Weltmarktkonkurrenz erzwingen, was – wie die Handelsexpertin natürlich verschweigt – für die USA nicht zuletzt auch im Militärischen eine offene Flanke bedeutet. Unter dem Druck der neuen amerikanischen Politik aber habe man mittlerweile angeboten, »den Zwang zu Gemeinschaftsunternehmen zu lockern« (FAZ, 6. 7. 2018).
Die politischen Schritte, mit höheren Zöllen zu drohen oder sie wirklich einzuführen, könnten demnach unter gewissen Umständen – wie ungenügend auch immer und wie kontraproduktiv für einzelne Unternehmen und die Arbeitsplatzsituation in manchen Branchen in den USA selber – dazu geeignet sein, die Weltmarktposition der USA insgesamt zu verbessern, um der Rolle einer hegemonialen Macht weiterhin nachzukommen. Nicht von ungefähr beruft man sich hier jedenfalls bei der Verhängung höherer Zölle auf »national security«, was aber in diesem Fall mit Sicherheit des Hegemons übersetzt werden sollte.
Selbstverständlich leugnet die deutsche Bundesregierung sogleich, dass es überhaupt einen »Zusammenhang zwischen Handels- und Verteidigungsfragen« gäbe: »Diese Bereiche seien völlig verschieden und getrennt voneinander zu betrachten.« (NRZ, 9. 3. 2018) Und der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft warnt nur deshalb vor einem Handelskrieg, weil der »Protektionismus« die »exportorientierte deutsche Wirtschaft« gefährde, wobei er nicht nur behauptet, dass »Trump die Welthandelsregeln mit Füßen tritt«, sondern auch, dass er sie »zu seinen Gunsten verdreht« – als würde nicht jede Nation diese Regeln zu ihre Gunsten verdrehen. Naturgemäß betrachtet der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, Dennis J. Snower, die Sache etwas anders: »Niemand kann wirklich einen Handelskrieg wollen. Wir wissen aus der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen, was daraus erwachsen kann. Die restliche Welt ist deshalb gut beraten, sich mit Gegenmaßnahmen zurückzuhalten«, wird er in diesem Zusammenhang zitiert. (Ebd.) Der Verweis Trumps auf die nationale Sicherheit unterminiere allerdings, so Snower, die Regeln der WTO, die solche Aktionen alleine für Kriegszeiten vorsehe (NRZ, 9. 3. 2018). Aber nicht die Krise erwächst aus dem Handelskrieg, sondern der Handelskrieg aus der Krise, genauer: aus dem Zerfall des Weltmarkts. Deshalb kann bei jenen Schritten der US-Regierung auch nicht bereits von Handelskrieg gesprochen werden. Der Hinweis auf die Kriegszeiten ist dennoch triftig: Denn die USA als hegemoniale Macht müssen mit einem Feind wie in Kriegszeiten rechnen.
Hegemonie versus Katastrophenpolitik
Der Souverän, soweit er nach echter Hegemonie strebt, sucht auch dann, wenn er Kriege führt, letztlich nur Eines: auf der Basis des internationalen Rechts Verträge auszuhandeln, die zwar von keiner übergeordneten Macht garantiert werden können, aber deren Einhaltung durch wenigstens vorläufige Balance möglich ist, kann doch aller Reichtum in der Moderne dauerhaft lediglich in Form von Verträgen angeeignet werden. Hegemonie, so Manfred Dahlmann, ist »etwas ganz anderes als Imperialismus. Dafür sind die USA das beste Beispiel. … Ein Hegemon richtet seine Macht nicht darauf hin aus, eine möglichst umfassende Kontrolle über die Innenpolitik der Staaten in seinem Einflussbereich zu erlangen, sondern es geht ihm darum, dafür zu sorgen, dass sich dort Marktstrukturen etablieren, die es erlauben, dass sich die Unternehmen in seinem unmittelbaren Einflussbereich, also auf seinem ‚originären‘ Staatsgebiet, auf diesen Märkten genau so bewegen können wie ‚zuhause‘, also dass in den Staaten, über die er seine Hegemonie ausübt, keine Bedingungen herrschen, die deren Akkumulation behindern.« Es ist dabei allerdings entscheidend, dass der Hegemon zugleich »über die Technologie und das Kapital verfügt«, die ihm, etwa in einer Ausnahmesituation, erlauben, »quasi ‚aus dem Stand‘ eine militärische Gewalt ‚aus dem Boden zu stampfen‘, gegen die andere Staaten chancenlos sind« – genauso chancenlos, »wie ein Unternehmen auf dem Weltmarkt, das auf Zwangsarbeit statt auf freie Lohnarbeit setzt« (sans phrase 7/2015). Eine Politik, die sich gegen solche Hegemonie richtet und der Krise der Vertragsverhältnisse entspringt, mag vorgeblich nach immer größerer Autarkie streben, aber diese muss keineswegs Selbstzweck sein: Zielt sie auf einen »totalen Feind« (Carl Schmitt), in dem der antisemitische Wahn das international operierende Kapital verkörpert, so sieht sie sich, um ihn auszulöschen, zur Eroberung der Welt genötigt.
Der »Imperialismus« des Djihad, der in der Gestalt der Islamischen Republik Iran seine bedrohlichste Form angenommen hat, beruht im Unterschied zu der des nationalsozialistischen »Behemoth« (Franz Neumann) nicht auf einem Zerfall des Weltmarkts, er koexistiert vielmehr mit dessen weiterbestehenden Zusammenhängen. Diese Koexistenz fällt ihm durch die Erdöl- bzw. Erdgasexporte in den Schoß. Andere Länder wie Russland oder Venezuela, denen sie ebenfalls zuteil wird, fehlt hingegen mit dem Islam der totalisierende Wahn, der die Katastrophenpolitik aus dem Autarkiestreben erst hervortreibt. Dergestalt eignen sie sich mit ihrer relativen, aber ebenfalls antiwestlich ausgeprägten Autarkie als ferne Sehnsuchtsorte der von geopolitischen Visionen sich im Übrigen abwendenden Rechts- oder Linkspopulisten – Sehnsuchtsorte auch darin, dass hier das Ideal des kleinen Manns oder der großen Klasse nicht durch den sich immer weiter verschärfenden Produktivitätswettbewerb zu Schanden geht, auf der in Deutschland oder China die Exportsteigerung und damit das Surrogat von Autarkie beruht. (Wann wird die AfD endlich Erdöl in Sachsen entdecken?)
Die djihadistische Katastrophenpolitik bedeutet hingegen eine Reaktion auf die Durchsetzung des Weltmarkts, die sich von allen vorangegangenen unterscheidet und entspricht darin der Permanenz der Krise beziehungsweise der Permanenz ihres Aufschubs, wodurch sich die gegenwärtige gesellschaftliche und ökonomische Dynamik von den früheren Weltkriegskrisen abhebt. So wie der Nationalsozialismus diesen Krisen am adäquatesten war, so entspricht der Djihad eben den Formen am genauesten, in denen sie nun solchermaßen verwandelt wiederkehren, um erneut das Potential der Vernichtung, das dem Kapital nun einmal innewohnt, politisch in die Tat umzusetzen. Eben darum kommt dem Austritt der USA aus dem sogenannten Atomdeal, der diese Quasi-Autarkie der Islamischen Republik festschrieb, und die geplanten US-Sanktionen gegen Länder, die weiterhin Öl aus diesem Land beziehen, die größte Bedeutung zu.
Passau liegt am Gazastreifen: Rechtspopulismus als Primat der Innenpolitik
Die ökonomische und politische Situation in Europa ist demnach eine wesentlich andere als in den 1930er Jahren, nicht zuletzt dank der international koordinierten Maßnahmen seitens Notenbanken und Finanzmärkten zum permanenten Aufschub der Krise, der wohl besser als Aufschub innerhalb ihres Ausbruchs zu bezeichnen wäre. Das sind Maßnahmen, die im genauen Gegensatz zur einstigen, im Grunde überall praktizierten Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise auch die internationalen Verflechtungen weiter fördern und eher intensivieren. Solange sie unternommen werden, keine Entflechtung der Weltmarktbeziehungen erfolgt und eine praktische, nicht nur propagandistische Hinwendung zu Autarkiepolitik unmöglich ist,
kann von Deutschland aus die Katastrophenpolitik nur in seiner Eigenschaft als Exportweltmeister gefördert werden: durch Appeasement und Kollaboration.
Gerade dabei übernimmt nun der europäische Rechtspopulismus eine ganz besondere Funktion. Er identifizierte sich überall da mit einzelnen Schritten der USA unter Trump oder auch Israels unter Netanyahu, wo es gerade nicht um die Frage der Hegemonie in der Außenpolitik, sondern um den Schutz der Grenzen und die Einwanderung geht – und zwar um Front gegen die europäische Einigung zu machen. Der Kampf gegen den Islam, den die AfD oder die FPÖ im Unterschied zur EU sich auf ihre Fahne schreiben, ist ebenfalls nur Mittel zu diesem Zweck – die AfD wurde nicht zufällig einmal als Anti-Euro-Partei gegründet. Ihre Identifikation mit Netanyahu und Trump ignorierte selbst dann, wenn sie entschiedener wäre, als sie tatsächlich ist, die jeweils anderen Voraussetzungen, unter denen jene Schritte der USA und Israel erfolgen, sie hintertreibt ebenso die uneingeschränkte Priorität einer notwendigen Außenpolitik, die sich frontal gegen die Islamische Republik Iran als größte Bedrohung richten muss und worin für Israel wie in anderer Weise für den US-Hegemon die wesentliche Herausforderung besteht. Wird dem Wahn der Autarkie nicht widersprochen, schlägt er sich noch in jedem Statement für Israel oder die USA nieder: Als Identifikationsobjekt bloß für den Grenzschutz ausersehen erscheint der eine Staat nicht mehr als jüdischer und der andere nicht mehr als Hegemon; beide dienen bloß noch als propagandistisch verwertbare Musterstaaten: Passau liegt neuerdings am Gazastreifen, und Straches muslim ban lautet seit jeher: »Daham statt Islam«.
Die Verlogenheit der Rechtspopulisten zeigt sich sogar am deutlichsten, wenn sie sich Israel unmittelbar als Vorbild für die eigene Nation nehmen wollen: Denn ein Bewusstsein dessen, was Antisemitismus ist, macht es unmöglich, den notwendig jüdischen Charakter dieses Staats mit irgendeinem anderen nationalen Charakter irgendeines anderen Staates gleichzusetzen, sind doch die Juden vom Antisemiten auserwählt, jenen »totalen Feind« zu verkörpern, auf den der Vernichtungskrieg zielt. Was nun die USA betrifft, so ist es zwar offensichtlich, dass die derzeitige Administration, um ihre Maßnahmen gegen den illegalen Grenzübertritt im Süden des Landes durchzusetzen, in gleicher Weise wie bei den Zöllen und der Immigration aus muslimischen Ländern die nationale Sicherheit als Argument bemüht. Unter dem »Primat der Außenpolitik« (Leo Strauss) betrachtet handelt es sich dabei allerdings um eine Sicherheit, die nur insoweit mit der Hegemonie der USA zu tun hat, als auch diese Hegemonie einen ‚funktionierenden‘ Staat voraussetzt, das heißt: einen, der nicht zerfällt. Im Kern geht es um eine Auseinandersetzung, die in jedem Staat jederzeit über die Frage stattfindet, wie groß die eigene industrielle Reservearmee der Arbeitslosen denn sein soll. Die Antwort darauf ist abhängig von der Entscheidung des Souveräns, was jeweils als nationale Krise und Ausnahmezustand zu gelten habe. Wenn Trump sich in seiner Politik für die Mauer an der mexikanischen Grenze als abschreckendes Beispiel auf Europa und die Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung beruft, ist das ebenso ein Teil dieser Auseinandersetzung als es deutlich machen kann, dass hier der einzige Punkt berührt ist, von dem aus gesehen das Phänomen, das man Rechtspopulismus nennt, in den USA mit dem in Europa wirklich identisch ist.
Doch in den Diskussionen der europäischen Öffentlichkeit wird nicht zufällig immer nur dieser Punkt fixiert: von den Proponenten des Rechtspopulismus, die sich auf Trump berufen, wie von ihren Gegnern, die ihn verabscheuen. Es stiftet hier die alle politischen Lager vereinende Form, die Frage der Hegemonie und den Primat der Außenpolitik zu verdrängen.
Gegenidentifikation versus Apologie des Postnazismus
Gäbe es einen wirklichen Widerstand gegen die Dominanz Deutschlands in der Europäischen Union, so würde er gerade das Nachgeben dem US-Hegemon gegenüber einfordern, dessen Maßnahmen, soweit sie der Hegemonie dienen, gewissermaßen entgegenkommen – quasi eine Kapitulation im vorgeblichen Handelskrieg nach dem regulativen Prinzip, Deutschland zum Importweltmeister und treuen, weil zahlenden Alliierten der USA zu machen. Denn solange Deutschland weiter seinen Exportüberschuss steigert, wird es jedenfalls auch das ihm zur zweiten Natur gewordene Appeasement gegenüber dem Djihad vorantreiben können. Und erst dieses Appeasement ist es eigentlich, wodurch kenntlich wird, dass jene Steigerung als Surrogat eigener Autarkie – Deutschlands erster Natur – dient.
Eine solche »Gegenidentifikation« (Manfred Dahlmann), welche die Grundlage aller Politik: das Kapitalverhältnis und dessen Vernichtungspotential sichtbar macht, erweist sich nicht zuletzt auch im Ökonomischen als das Gegenteil der Identifikation mit dem status quo: Was sie zu erreichen weiß, ist Aufschub der drohenden Vernichtung, die diesem Status innewohnt. Weil sie vom Verhältnis zum Hegemon und damit vom Primat der Außenpolitik aus gesetzt wird, vermag sie jeder Apologie des Postnazismus zu widersprechen. Die neueste dieser Apologien beruht dabei auf der hanebüchenen Suggestion, eine Rückkehr zum Sozialstaat des Wirtschaftswunder-kapitalismus wäre möglich, und muss darum verdrängen, dass er ebenso auf den Resultaten des Vernichtungskriegs wie dem Sieg der Alliierten aufgebaut wurde. Im Gespräch mit Platypus – einer Initiative, die sich auf ihre Fahne schreibt, das »Aussterben der Linken zu überleben« – werden demgemäß von einem Bahamas-Autor die ‚Trente Glorieuses‘ gefeiert, die »glorreichen 30 Jahren zwischen 1945 und 1975«: »Ich würde den Umschlagspunkt, an dem diese Vorstellung endgültig platzte, Ende der 70er Jahre in der Zeit von Thatcher und Reagan verorten. Das Kapital hatte sich so weit monopolisiert, dass es begann, die einstmals festgelegten Formen, vor allem der nationalen Regulation, zu sprengen.« Was hier immerhin noch als bloße Vorstellung bezeichnet wird, »als ob der Kapitalismus den Sozialismus tatsächlich in irgendeiner Form inkorporieren könnte«, wird in den folgenden Sätzen zur realpolitischen Option: »Darauf ist bislang kaum reagiert worden. Wir haben auch in der Bahamas lange gebraucht, um uns des epochalen Charakters dieser Veränderungen klar zu werden. Das ist Einem erst in den letzten Jahren aufgrund der angesprochenen Krisenphänomene wirklich vor die Augen getreten. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem dieses Rezept – Deregulation und Überschwemmung mit billigen Waren – an seine Grenze stößt. … Das könnte man als die Krise des Neoliberalismus bezeichnen – auch wenn ich diesen Begriff nicht verwenden möchte. Es ist verständlich, dass die Menschen jetzt nicht die gescheiterten und auch als gescheitert empfundenen Utopien der Linken aufgreifen, sondern dass sie erst einmal darauf setzen, dass Zustände dieser ‚Trente Glorieuses‘ wiederhergestellt werden. Das ist ein Anliegen, das so nahe liegt, dass ich beim besten Willen nicht verstehen kann, was daran von linker und linksradikaler Seite als so abstoßend empfunden und gar mit Faschismusvorwürfen belegt werden kann.«1 Suggeriert wird, die kapitalistische Krisendynamik – welche nach der Einsicht von Marx jene Deregulierung erzwingt (solange jedenfalls der Weltmarkt nicht auseinanderbricht) – könnte mithilfe einer Anleihe an Trumps Antiestablishment-Rhetorik zurückgedreht werden, dabei war es gerade Trump, der neben der Neujustierung der Zölle zugleich an die Steuer- und Deregulierungspolitik von Reagan anknüpfte und »the biggest rollback of financial regulations since the global financial crisis« auf den Weg brachte.2 (Dieses Rollback müsste konsequenterweise genauso wie die deutsche Exportpolitik, die mit der Deregulierung zu kalkulieren versteht, zum »postmodernen Kapitalismus« vulgo Neoliberalismus gezählt werden.)
Die Fehlleistung, von Neoliberalismus zu sprechen, zeigt im Grunde nur eins: Was neuerdings als ‚rechtsantideutsch‘ firmiert, ist auf dem Gebiet der politischen Ökonomie nichts anderes als Linkspopulismus. Aus solcher Anpassung entsteht hier wenigstens der wohltuende Effekt, dass man weiterhin die Solidarität mit Israel für sich in Anspruch nehmen muss – als Distinktionsmerkmal nämlich, um sich noch von Sahra Wagenknecht oder der AIK3 zu unterscheiden. In dieser Funktion gilt sie freilich wie bei den Rechtpopulisten mehr dem Musterstaat als dem jüdischen Staat und legt das Fazit nahe: Es stünde besser um die Kritik, wenn es weder die Linke noch derlei ‚Feind‘ der Linken gäbe.