Wenn es nicht passiert, dann passiert es bald

Stephan Roiss liest im Jänner in der Stadtwerkstatt. Zuvor ist er mit »Februar Null« als Teil der Formation Fang den Berg zu sehen.

FEBRUAR NULL ist eine postapokalyptische Zustandsbeschreibung aus der first-person-Perspektive, in der das Hörstück der Linzer Formation Fang den Berg mit Machinima-Elementen und experimentellen Realfilm-sequenzen zu einem beengenden, audiovisuellen Kosmos verschmilzt.

Eine Sprechposition, zwei Stimmen: eingebettet in eine schillernde Klangwelt (Dark Ambient bis Noiserock) ist FEBRUAR NULL mit düster-bizarren Animationen und Aufnahmen bebildert. Schenkt man den Ausführungen des Protagonisten Corall Glauben, ist er in einer Laboranlage eingeschlossen und versendet von dort aus Sprachbotschaften in die Außenwelt – ohne je Antwort zu erhalten. Der Hunger treibt ihn dazu, eine ihm unbekannte pflanzliche Substanz einzunehmen. Unter deren Einfluss scheint er kurzfristig sein Gedächtnis wiederzuerlangen: Er berichtet von einem Krieg globalen Ausmaßes und kommt zur Überzeugung, für diese Katastrophe verantwortlich gewesen zu sein. Die Wahrheit bleibt ungesichert. Doch die Suche nach ihr beginnt wieder und wieder von Neuem. Die Wüste wächst.

Februar Null wird bei freiem Eintritt von 15. - 19. Jänner vor der Stadt-werkstatt im Cine Traktori gezeigt, in den Abendstunden zwischen 17 und 21 Uhr. Stephan Roiss ist Autor und Vokalist bei Fang den Berg und liest außerdem mit eigenem Leseprogramm am 19. Jänner im Saal der Stadtwerkstatt. 

-bruar Null
zehn Uhr ein

-ikla-  / Corall / weiß / weiß nicht wo i- / ich
sieht hier aus wie in einer Forschungssta- /
Computer / ich versuche mit diesem / Sprach-
/ Botschaft versenden / zu / eine Spur / eine
Spur zu hinterlassen / nur Text / seit drei /
Tagen nichts me- / zu viele / -innerungen /
ist gesch- / ob mich jemand hört?


ich bin entmündigt
ein Computer spricht für mich
ich sammle Splitter von Erinnerung
und schicke sie an dich
wer immer du auch bist
wie viele ihr auch seid
vermutlich niemand null
und diese Stimme spricht für sich allein

ich tippe Sätze, drücke Enter
und zwei Sekunden später
schickt sie der Rechner
24 Stunden lang im 10 Minuten-Takt
in einen stummen Äther

gepresst in kalte Vokale
und Binärcode-Konsonanten
nackt bloß blank
 in Plastik verpackt
wie das blaue Moos
im Gefrierschrank

dieser Roboter
und meine Gedanken
schließen Tag für Tag
einen frischen Pakt
ich schreibe
was er sagt

anfangs war alles Hilferuf
doch nach und nach
geriet das Gerät
mehr und mehr
zu einer Art von Tagebuch

Hoffnung wird inzwischen vermisst
so wie das Wissen darüber,
was vor meiner Ankunft
in diesem Laboratorium
 geschehen ist

das Labyrinth ist perfekt
ich kann die Spuren die ich lege nicht lesen
die Speicherfunktion ist defekt

und solang von mir gelebte Zeit
sich vor mir selbst versteckt
bin ich weniger gewesen

-bruar
sieben und drei

mich hier in einer Art Labor / schon 40 Tage
seit / Wiederkehr / die Welt hat verdient /
hat / gekriegt / verknap- / -ektoren / Laurin
/ nur wüsste / jemand hören / wenn nur nicht
diese Wüste / hier spricht Corall / was den
Zeitraum / drei und zwan / zehn bis vier / und
zwanzigsten / besitze ich keinerlei Erinnerung
/ eine Lokali- / mir unmöglich / ich wiederhole
/Aufenthaltsort  unbekannt


dass kein Hahn nach mir kräht
dass kein Köter nach mir bellt
dass mich kein Schwein versteht

die Erscheinung: entstellt
die Position: entrückt
 das selbst: an die vorderste Front
des Wahnsinns beordert
das Schicksal: verrückt - herausgefordert

wenn nur nicht diese Wüste...
die Wüste wächst!
der Mantel des Schweigens breitet sich aus
dabei war der Plan doch perfekt
ich kann mich zwar an den Plan nicht erinnern
aber ich weiß noch, dass ich dachte,
dass er funktionieren müsste

der Hunger wird schlimmer
schon wieder von der Schlacht geträumt
wenn nur nicht diese Wüste
nirgendwo eine Oase
und sogar die ist eingezäunt

wenn nur nicht diese Wüste...
die Wüste wächst!
der Mantel des Schweigens breitet sich aus
dabei war der Plan doch perfekt
ich kann mich zwar an den Plan nicht erinnern
aber ich weiß noch, dass ich dachte,
dass er funktionieren müsste

der Hunger wird schlimmer
schon wieder von der Schlacht geträumt
wenn nur nicht diese Wüste
keine einzige Oase
und sogar die ist eingezäunt

ein Senkblei
auf Eis gelegt
das Wasser ist kalt
wenn es nicht passiert
dann passiert es bald

wenn es nicht passiert
dann passiert es bald

 

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FEBRUAR NULL
Fang den Berg

Postapokalyptische Zustandsbeschreibung
im Cine Traktori vor der Stadtwerkstatt
15.–19. Jänner 2017
Mo-Fr jeweils von 17-21 Uhr

-Februar.Null- von Fang den Berg, sowie Florian Hackl und Michael Wirthig.
Festivalteilnahmen: Mac Film Festival 2016 (Brasilien), Official Selection of the Lisbon International Film Festival 2016 / Fall edition (Portugal), Cutting Edge Film Festival 2016 (USA)

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Stephan Roiss / Lesung
+ Textor & Renz / Hip Hop


Freitag, 19. Jänner 2017, 21 Uhr
Stadtwerkstatt Saal

Stephan Roiss ist mehrfach preisgekrönter Autor, lebt in Ottensheim und Berlin
und ein bisschen auch in Leipzig. Er schreibt Prosa, Börek und Dramatik, Texte für Hörspiele und Graphic Novels. Zudem ist er als Vokalist in mehreren musikalischen Projekten aktiv. An den Schnittstellen von Improvisation, Free Jazz, Noiserock, Hop Hop und Performancekunst. www.stephanroiss.at
Am 19. Jänner liest er vor Textor & Renz.