Wer wütend ist, denkt nicht..

..und schreibt keine guten Bücher. David Kirsch über die Begriffslosigkeit des Stefan Zenklusen in seinem Buch »Islamismus und Kollaboration«.

»Islamismus und Kollaboration« – »Der Beitrag von französischen und europäischen Linken und Liberalen bei der Errichtung des Islamismus und Antisemitismus« – so heißt das 2017 erschienene Buch des Schweizer Philosophen Stefan Zenklusen. Der im Hintergrund-Verlag veröffentlichte Essayband möchte ein Einspruch gegen die »jahrzehntelange Beschweigung und Negierung der islamspezifischen Alltagsgewalt in Frankreich« (Zenklusen 2017) sein. Der »islamophile Kollaborationismus« (ebd.) sei, so Zenklusen, weitaus skandalöser »als die Kollaboration während des Zweiten Weltkrieges«, sei er doch »ohne Druck einer Besatzungsmacht zustande gekommen« (ebd.). Während Zenklusen einige Punkte anspricht, die nicht vollkommen von der Hand zu weisen sind, zieht sich das Bedürfnis nach unbedingter Tendenziösität – verbunden mit einer grassierenden Begriffslosigkeit – wie ein roter Faden durch das Buch. Ein Aufschrei soll es sein, eine Streitschrift, ein Pamphlet. Bloß nur, dass Zenklusen kaum einen Gedanken formuliert, der nicht anderswo schon treffender und nüchterner niedergeschrieben wurde.

In seinem im Sammelband enthaltenen Aufsatz »Ist der Antirassismus faschistoid geworden?« schreibt Zenklusen, dass er sich– erschüttert durch den ein Jahr zuvor verübten Brandanschlag auf das Gebäude der französischen Zeitung Charlie Hebdo – »im Rahmen des Möglichen (!)« mit dem Islam auseinandergesetzt habe (ebd.: 25). Das merkt man. Wie auch Hartmut Krauss, der ein Vorwort für den Sammelband beigesteuert hat, sieht er die Moderne in einem »doppelten Würgegriff von McWorld und Djihad« (ebd.: 11). Zwar werden Individualisierungstendenzen des »digitalen Gegenwartskapitalismus« (ebd.: 14), welcher »selbst ein vaterlandsloser Geselle geworden« sei, richtig erkannt. Die Schlussfolgerungen daraus jedoch, lesen sich wie eine bizarre Mixtur aus Versatzstücken des Marxismus-Leninismus mit einer Brise französischem Konservativismus: »Wer sich der neuen kapitalistischen Verbündungsstrategie« (ebd.) von Islamismus und Globalismus widersetze, werde als »rassistisch« gebrandmarkt, dröhnt es aus dem Vorwort. Später wird »die islamische Massenimmigration« sogar zum »zentralen Faktor der spätkapitalistischen Gesellschafts- und Hegemoniekrise« (ebd.: 15). Während in Frankreich bereits der Linksfaschismus regieren würde, und eine Meinungsdiktatur aufrecht erhalten hätte, sieht es weiter nördlich noch schlimmer aus: »Globalkapitalistische Herrschaftsträger« würden »im Falle Deutschlands« sogar »unkontrollierte Masseneinwanderungsschübe von hauptsächlich Muslimen« (ebd.) forcieren, um »sich an deren Migrationsimporten zu mästen«. Was wie der »Große Austausch« klingt, ist auch einer: Wenige Seiten später verliert sich Zenklusen in einer Ehrenrettung Renaud Camus’, des französischen Idols der rechtsextremen Identitären Bewegung, demnach die westlichen Regierungen eine »Auflösung« des Volkes planen würden.

Während Zenklusen mitunter so manches treffendes Wort für aktuelle Entwicklungen findet – etwa wenn er vom »europäischen Euphorismus« (ebd.: 28) oder vom Schweizer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan als »Maulwurf der Ideologie der Muslimbruderschaft« (ebd.: 29) spricht – so hinterlässt vor allem Zenklusens Ranküne gegen eine angeblich voranschreitende »Angloamerikanisierung aller Bereiche« (ebd.: 50), ebenso wie die »Tyrannis der Unterhaltungsindustrie« (ebd.) ein reaktionäres, aber für ihn keineswegs neuartiges Geschmäckle. Bereits in seinen früheren Publikationen wetterte der Schweizer Philosoph, gegen die »Leitsprache Denglisch, Leitmusik Pop, Pax Americana« und die »Antisemitismus- und Antizionismuskeule«.1 Damals wie heute verteidigt Zenklusen den mittlerweile verstorbenen Publizisten Lothar Baier, welcher sich »über den Antisemitismusvorwurf gegen Martin Walser lustig machte« (Zenklusen 2017: 23). Getrieben durch einer Mischung aus Überschwang und Ahnungslosigkeit, gerät Zenklusens an manchen Beispielen durchaus nachzuvollziehende Verteidigung von Philosophen gegen den Vorwurf des Rassismus (etwa beim Soziologen Heinz Gess) geradezu ins Tragikomische: »Der Antirassismus in Ländern wie Deutschland und Frankreich ist drauf und dran, zu einer enormen Repressions- und Zensurmaschine zu werden.« (ebd.: 24). Angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2017 kaum eine deutsche Tageszeitung noch ohne vermeintlich islamkritische Headlines auskommt, der massiven Zunahme von Veröffentlichungen reißerischer Sachbücher über die Gefahr einer islamistischen Unterwanderung europäischer Gesellschaften und zum Mainstream verkommenen Forderungen nach einer Schließung der Balkan-, Mittelmeer oder Westafrikafluchtroute, kann man sich durchaus fragen, ob Zenklusen zu viel Zeit in der Schweizer Provinz verbracht hat.

Vielleicht hat Zenklusen aber auch längst schon seine politische Heimat gefunden: Während er am Beispiel der französischen Präsidentschaftswahl 2012 zu Recht festhält, dass die Front-National-Kandidatin Marine Le Pen den Säkularismus entschiedener als ihr sozialistischer Widersacher Francois Hollande verteidigte, (ebd.: 66ff.) und so manche linke »Fraternisierung mit den europäischen Vertretern der Muslimbruderschaft« (ebd.) beim Wort nennt, weigert sich Zenklusen stur, Wähler des Front-National derselben Analyse zu unterziehen, wie ultrakonservative Apologeten des politischen Islam: »Sind die Le Pen-Wähler wirklich so irrational und angstvoll-phobisch, wie gemeinhin dargestellt?« (ebd.: 68). Zenklusen möchte nicht kritisch-dialektisch auf dem Widerspruch beharren, der sich aus so mancher kulturrelativistischer Kumpanei mit dem Islamismus ergibt, er möchte ihn einseitig auflösen: »Wenn sich Pseudo-Antifaschisten mit dem grünen Faschismus verbünden, ist selbst die nationale Rechte noch vorzuziehen« (ebd.: 71).

Man merkt Zenklusens Beschäftigungen mit dem politischen Islam an, dass sie einem Moment der Erschütterung und Empörung entspringen. Hastig ineinander zusammengefügte Schachtelsätze, prasseln als vermeintlich neuartige Thesen auf den Lesenden ein, die er mit frech gemeinten Schenkelklopfern garniert: »Ich persönlich verspüre keine Lust, mich multikulturell mit dem hinduistischen Kastenwesen zu vermischen. Erstmals erfahre ich von deutschen Soziologen, daß ich deshalb wohl rassistisch bin.« (ebd.: 35)

Passend aufmerksamkeitshaschend liest sich auch Zenklusens Ankündigung des Buches, welche er  – da er selbst »keine Lobby habe«2 – auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Obwohl so gut wie alle zentralen Thesen des Buches; die Gemeinsamkeiten zwischen Islamismus und Rechtsextremismus (55ff.), paranoide Denkstrukturen des Rassismus im vermeintlichen Antirassismus (47f.), wie auch die fehlende Säkularisierung in der islamischen Religion (26ff.), bereits seit mehreren Jahren Eingang in wissenschaftliche und mediale Debatten gefunden haben, bewirbt Zenklusen den Essayband als eine »der ersten Darstellungen im europäischen Raum, die diesen systematischen Kollaborationismus mit dem islamischen Herrschafts- und Glaubensapparat bei Linken und Linksliberalen aufarbeitet.«. Weil es Zenklusen offensichtlich mehr um ein Haschen nach Aufmerksamkeit geht, als um eine kritische Durchdringung des komplexen Gegenstands, imaginiert sich der Autor als einer der letzten Verfechter einer gnadenlosen Islamkritik, die keine Tabus kenne. Was Historiker wie Volker Weiß schaffen – strukturelle wie ideologische Gemeinsamkeiten der neuen Rechten mit denen des politischen Islam herauszuarbeiten – möchte Zenklusen schon lange nicht mehr. Folgerichtig sieht er im Front National ein »genuin linkes Ansinnen« (ebd.: 75), welches »Marxens Forderung« folge, »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, geknechtetes, verächtliches Wesen sei« (ebd.).
In seiner Vorankündigung3 erklärt Zenklusen die Veröffentlichung seines Sammelbandes als einen »Abschluss« der Beschäftigung »mit dem selben islamophilen Blödsinn«: Er könne, so Zenklusen, »das Arschgesicht des Islam, dieser geistig vollkommen hohlen, aggressiven, hasserfüllten Ideologie nicht mehr weiter sehen« und zitiert dabei Flaubert, der darauf hingewiesen habe, dass man sich im Zuge einer langen Beschäftigung mit ein- und demselben Thema, zu verblöden drohe. Es bleibt zu hoffen, dass Zenklusen sich daran hält – auch zum Wohle seiner eigenen mentalen Gesundheit.

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Zenklusen, Stefan; Islamismus und Kollaboration.
Der Beitrag von französischen und europäischen Linken und Liberalen bei der
Errichtung des Islamismus und Antisemitismus; Osnabrück; 2017
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Literatur zu Tariq Ramadan:
Fourest, Caroline; Brother Tariq: The Doublespeak of Tariq Ramadan
Mit dem Buch »Brother Tariq« hat Caroline Fourest ein Buch vorgelegt, das die Doppelstrategie des islamistischen Star-Predigers Tariq Ramadan aufgedeckt hat. Fourest gelingt es zudem – im Gegensatz zu Zenklusen – ihn u.a. aus einem feministischen und progressiven Blickwinkel zu kritisieren.

Zu den Gemeinsamkeiten zwischen Rechtsextremismus und Islamismus:
Weiß, Volker; Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes
Mit dem Buch »Autoritäre Revolte« gelingt es Volker Weiß nicht nur, die wichtigsten Akteure der »Neuen Rechten« zu portraitieren, sondern auch nicht in Polemik und Pauschalisierungen zu verfallen. Darin zeigt er strukturelle wie auch ideologische Ähnlichkeiten des Rechtsextremismus zum Islamismus auf und schafft es beide Ideologien zu entzaubern.

Zum Ausbleiben der Säkularisierung im Nahen Osten:
Diner, Dan; Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen Welt
Mit dem Buch »Versiegelte Zeit« hat Dan Diner einen Grundbaustein zur Erforschung der tiefgehenden Krise wie auch der fehlenden Säkularisierung des Nahen Ostens vorgelegt. Diner verharrt dabei nicht nur auf einer rein ideologiekritischen Durchdringung des Gegenstandes, sondern schafft es auch, andere Faktoren wie die ökonomische Beschaffenheit des Vorderen Orients einzubeziehen.

Zum Sonderfall Frankreich bzgl. Säkularisierung und Kirche-Staat-Gesellschaft:
Berlinerblau/Fainberg/Nou (Hg.); Secularism on the Edge. Rethinking Church-State Relations in the United States, France, and Israel
Die Politikwissenschaftlerin Sarah Fainberg untersucht in diesem Buch die Schwierigkeiten des französischen Säkularismus unter dem Vorzeichen von muslimischer Immigration und freier Religionsausübung – unaufgeregt und scharfzüngig.

 

 

Reaktion auf David Kirschs Rezension