Über Kunst kann geredet werden

Ja genau, beim Salon Wiesengrund: Einem Diskussionsformat, in dem es um Kunst und Philosophie, aber auch zum Beispiel um Privatsprache oder auch mal um Privatporno geht. Tanja Brandmayr hat die drei Salon-BetreiberInnen getroffen.

Die erste Veranstaltung des Salon Wiesengrunds war im Dezember 2010 und hatte Wittgenstein und die Privatsprache als Thema. Vortragender war ein Prof. Lütterfelds von der Universität Passau, der den BetreiberInnen des Salons für lebendige Zugänge in der Philosophie bekannt war – und für ein gewisses, spezialisiertes Außenseitertum in der akademischen Welt. Der zweite Salon befasste sich mit Aktionstheater und experimentellen Formen der theatralen Darstellung, und bildete in Inhalt und als offene Diskussion gleich mal den Gegenpol zum Akademischen. Danach folgte in ungefähr monatlichen Abständen ein ähnliches Wechselbad zwischen eher »akademischer« Philosophie und etwas weiter gefasster Annäherung an kulturelle Phänomene unserer Zeit: Zuerst wurde »Freiheit bei Hegel« gegeben, dann wurde Kristina Hofer eingeladen, um Sichtweisen auf Neue Medien, Feminismus und Pornographie vorzustellen. Übrigens ein Salon mit sehr großem Zulauf – auf Nachfrage, ob von eher feministischer oder pornographischer Seite, wurde in diesem speziellen Fall mit »von beiden Seiten« geantwortet, um auf ein generell sehr bunt durchmischtes Publikum hinzuweisen. Der vorerst letzte Salon vor der Sommerpause befasste sich am 1. Juni mit »Kunst aus der Sicht der postcolonial studies«, ein Abend, den Galia Stadlbauer-Baeva und Marissa Lobo mit den Menschen vom Salon Wiesengrund gemeinsam gestalteten. Anhand einer Performance von Marissa Lobo »Iron Mask White Torture« wurde hier den Fragen nachgegangen: »Wo kann Subversivität noch passieren?«, »Ist politisches Handeln nur mehr in der Kunst möglich?«, »Wie geht man mit Zuschreibungen um?«, und sehr pointiert: »Wie kann man Prostest gegen die weiße, männliche Kunst formulieren, wo die weiße, männliche Welt selbst an ihr Ende gekommen ist?« Leider müssen die Antworten auf diese überaus spannenden Fragen schuldig geblieben werden – auf Grund eines Redaktionsschlusses, der vor dem Veranstaltungstermin lag.

Deshalb zurück zum Salon Wiesengrund, der von Theresa Gindlstrasser, Doris Gstöttner und Stefan Blumenschein betrieben wird, alle drei Studentinnen, bzw. ein Absolvent der Philosophie, die ihr nicht-hegemoniales Interessensfeld zwischen Kunst und Philosophie aufgeschlagen haben. Sie programmieren aus diesen beiden Fachkomplexen, abwechselnd oder, »im Idealfall überschneidend«. Der Salon ist dabei aus einer besonderen Bedarfslage entstanden, dass »über Kunst auf eine intelligente Weise gesprochen werden soll« und dass es trotz der engen Verwandtschaft von Kunst und Philosophie »kaum den Rahmen für eine theoretische Diskussion gibt, wo aus den Erkenntnissen dieser Felder klug miteinander geredet wird«; und wo Gesprochenes zu einem Diskurs werden kann, »der im Alltag losgetreten wird«. Inspirieren ließ man sich in der Namensgebung von Adorno, wie unschwer zu erkennen ist, allerdings »ohne selbst Adorniten zu sein«. Und außerdem, was den Salon anbelangt, auch von der gemütlichen Atmosphäre der Räumlichkeiten des Roten Krebsens, der den Salon Wiesengrund, sprich seine eingeladenen Gäste, auch finanziert (als Kulturverein IFEK). Mit dem Salon soll jedenfalls eine Gesprächskultur gepflegt werden, die frei und assoziativ Fragen verfolgt, die selbstverständlich inhaltlich angelegt sind, im Prinzip aber auch einem großen »Wie?“ nachgehen: »Wie komme ich zu meinen Standpunkten?« oder »Wie spreche ich und was sind meine Maßstäbe für Auseinandersetzung?«. Grundlegende Überzeugung hinter dem gewählten Format ist dabei kaum die Idee eines bürgerlichen Wissenstransfers eines Vortragenden zum Publikum mit anschließender Diskussion, sondern eine gewisse Wildheit, ein Bekenntnis »zur Ausuferung« und eine Überzeugung, dass »aus Kunst etwas Neues entstehen kann« – durch offenen Austausch und besonders dadurch, eben »keine fixe Position« von vorneherein einnehmen zu wollen (oder auch zu können). So versteht es sich von selbst, dass innerhalb des Salon-Formats für die BetreiberInnen selbst der Versuchscharakter im Vordergrund steht, was Inhalte, Abläufe, Settings oder generell die Lust am Experiment anbelangt. Das betrifft den eingangs bereits erwähnten Spagat von akademisch-philosophischen Vorträgen mit halbwegs trockenen Titeln bis hin zu Veranstaltungen, wo die emotionale Distanz etwas schwerer zu halten ist – wie beim Thema Feminismus und Pornographie im Zusammenhang mit Neuen Medien: So löste der kurze Aufriss einer Entwicklung von Pro-Porno der 70er Jahre über den gesättigten Markt der Penetration hin zur veränderten Dramaturgie des heimelig-konservativen Online-Pärchenpornos zumindest die Vortragssituation völlig auf. (Siehe den Artikel von Kristina Hofer)

Weiter geht es mit dem Salon Wiesengrund im Herbst. Das positive Feedback unterstützt das Wiesengrund-Trio: »Initiative wird geschätzt, und überraschenderweise haben wir auch viele junge Leute im Publikum«. Der Rote Krebs bildet für den Salon zweifelsohne einen fruchtbaren Boden, sowohl was ein kulturnahes als auch ein Fortgeh-Publikum betrifft. Befragt nach persönlichen Betätigungsfeldern zwischen Kunst und Philosophie, beziehungsweise befragt nach der persönlichen Wunsch-Zukunft als Einzelpersonen: Stefan Blumenschein ist sich ziemlich sicher, dass sein eingeschlagener Weg (u.a. derzeit als Performer) vorerst ins Prekariat führen wird – auch wenn hinter dem Prekariat irgendwann eine Kunst-Existenz herauskommen soll. Doris Gstöttner möchte den Salon und seine Fragestellungen nutzen, um eine literarische Tätigkeit anzugehen. Und Theresa Gindlstrasser denkt spontan an das Wort Primaballerina, wenn sie an die persönliche Zukunft denkt … das sozusagen als offener Hinweis zum Schluss...