Die »National Partei Österreichs«, die »Republikanischen Patrioten«, die »Alternative für Österreich«, diverse »Pegidas« und »Bürgerwehren«… aus dem derzeitigen bundesweiten Wildwuchs an Gruppierungen neben und rechts der FPÖ stechen die »Identitären« als vermutlich professionellste Kraft hervor.
Großspurig sieht man sich als »die erste freie, patriotische Kraft, die sich aktiv und erfolgreich für Heimat, Freiheit und Tradition einsetzt«1. Spektakuläre, provokante und via social media gut vermarktete Aktionen haben ihnen zumindest kurzfristig den gewünschten Medienhype beschert. Mittlerweile sind die Identitären in allen Bundesländern organisiert. Seit Jahresbeginn vergeht kaum eine Woche ohne aufsehenerregende Aktionen, Demonstrationen und Kundgebungen.
Die Idee
»Völlige Übereinstimmung, Gleichheit, Wesenseinheit« fällt dem Wörterbuch zum Begriff »Identität« ein. Die Grundannahme der Identitären ist demzufolge, es gäbe ein österreichisches bzw. europäisches Volk, das in seiner Wesensart und in weiterer Folge auch seinen Interessen übereinstimmt. Dies(e?) gilt es »GEGEN diesen Multikulti Wahnsinn gegen die Masseneinwanderung und gegen die Islamisierung«, und natürlich gegen die inneren Schweinhunde, die Kollaborateure »von den Konzernen, Politikern und linken Medien« zu verteidigen.
Und wenn man sich schon inhaltlich an den einfachen Gut/Böse-Schemata von Märchen, Sagen und Hollywood-Schinken bedient, kann man auch gleich die Optik mit übernehmen. Dabei scheinen die Identitären vor allem vom Neo-Sandalenfilm »300« inspiriert, der eine fiktionalisierte Begebenheit aus den Perserkriegen erzählt: König Leonidas und seine 300 tapferen spartanischen Recken verteidigen Griechenland gegen eine zahlenmäßig weit überlegene, aber eben weit weniger tapfere (weil kulturell auf niederer Stufe stehender) persische Armee. Dieser verfilmte »Männlichkeitsirrsinn um Blut, Boden und Kriegerehre«2 fand offenbar in den Identitären einige SeherInnen, die ihn tatsächlich ernst nahmen. So findet sich das »Lambda«-Symbol aus dem Film auch auf den Schildern (!), Fahnen und sonstigem Propaganda-Klimbim der Bewegung. Wie ihre filmischen Vorbilder wähnen sich die Identitären als letzte Hoffnung zur Rettung des Kontinents vor den anstürmenden asiatischen Horden:
»Es geht mittlerweile um unser nacktes Überleben als Österreicher und Europäer. Wir haben keinen Rückzugsraum mehr« und »Wir sind die Bewegung, deren Generation für einen falschen Blick, weil sie jemand eine Zigarette verweigert oder eine andere Art sich zu kleiden hat,
getötet wird.«
Solcherart dem Tode geweiht, gibt man sich kämpferisch. »Wir wollen unser Erbe und unser Land erhalten. Wir wollen die identitäre Idee auf die Straße tragen. Patriot ist, wer nicht nur redet, sondern auch handelt« und verbal abenteuerlustig ist, wie`s der pubertierende Spießer nun mal gern hat: »Noch mehr vereint uns aber die Sehnsucht nach einer Wende und die Suche nach einem Abenteuer. Wir haben ihr langweiles Konsumleben satt, wir wollen hinein ins echte Leben!«3
Und Gewalt gehört da auch dazu: »Wir wollen dem gesamten patriotischen Österreich (…) eine Stimme, ein Gesicht und eine Faust geben«.
Die Identitären als Organisation
2003 wurde ein »Bloc identitaire« von französischen Rechtsextremisten gegründet. Offen faschistische und rassistische Ideen waren bzw. sind in weiten Teilen der Bevölkerung diskreditiert, so konstruierte die »Neue Rechte« ihre Feindbilder um. Man sah sich nicht mehr als Vertreter eines klassischen Nationalismus oder Rassismus, sondern eines an »Kulturkreisen« angelehnten »Ethnopluralismus«. Sprich: Alle »Völker« sind eh lieb und nett, aber man soll sie bitte nicht mischen, weil dies unweigerlich in der Apokalypse endet.
Im deutschsprachigen Raum kam die neue Idee mit Verspätung an. Lange hatten die Alt-Nazis eine »Modernisierung« des Faschismus verhindert. Optisch und kulturell hatte man sich zwar schon ab den 1980ern bei den Jugendbewegungen bedient, ein wirklicher inhaltlicher Neuanfang abseits des Hitlerismus hatte jedoch nicht stattgefunden, bzw. blieben die entsprechenden Versuche auf kleine Zirkel beschränkt. Erst ab 2012 wurde die »Identitäre Bewegung«, inspiriert von den medialen Erfolgen ihrer französischen Pendants, in Deutschland und Österreich aktiv. Ihren ersten breit rezipierten Gag feierten die Wiener mit einer symbolischen »Gegen-Besetzung« der zu diesem Zeitpunkt von Flüchtlingen okkupierten Votivkirche. Die taktische Vorgabe schien von Beginn an klar: Mit möglichst geringem Aufwand und Risiko soll maximaler Wirbel erzeugt werden, zum einen um die »normalen« Medien zu erreichen, zum anderen um durch die Reproduktion der Aktionen via social media in Kontakt mit GesinnungsfreundInnen zu kommen. Inhaltlich konzentriert man sich vorrangig auf simple rassistische Botschaften (gegen AsylwerberInnen, gegen Muslime) bei gleichzeitiger Distanzierung von Rassismus, Faschismus etc… Auch optisch wird jede Bezugnahme zum Nationalsozialismus oder rechtsextreme(r) Jugendkulturen wie den Skinheads tunlichst vermieden. Wir sind anders, möchte man sagen, keine hirnlosen Schläger in Bomberjacke oder Braunhemd, sondern besorgte junge BürgerInnen.
Die österreichischen Identitären dürften in Relation schon deutlich aktiver und »erfolgreicher« sein als ihre deutschen GesinnungskameradInnen. Rechtsträger und Betreiber der österreichischen »Bewegungs«-Homepage ist der »Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität«, dessen Vorstand die Brüder Thomas und Martin Sellner bilden. Neben Wien kann man die Steiermark und Salzburg als Hochburg ausmachen. In Oberösterreich schwächelt die »Bewegung« etwas. Einen regelmäßigen Stammtisch gibt es nur in Linz, Aktivitäten vereinzelt noch in Freistadt.
Neo-SalafistInnen und Identitäre
In Michel Houellebecq‘s 2015 erschienenen Roman »Unterwerfung« wenden sich zwei ehemalige Mitglieder der »Identitären« dem politischen Islam zu. Sie sehen dort ihr reaktionäres Weltbild besser vertreten. Beschrieben wird hier kein neuer Wechsel: Das »Switchen« von einer autoritären Ideologie zur anderen ist kein Massenphänomen, immerhin muss man dazu auch sein gesamtes soziales Umfeld auswechseln, passiert aber schon immer wieder mal. So finden sich im salafistischen Milieu ehemalige militante »Antiimperialisten« von links genauso wie »geläuterte« Neonazis4. Das mag befremden, sind doch die MuslimInnen (und/oder AsylwerberInnen) das einigende Feindbild aller rechten Szenen und Milieus. Doch die inhaltlichen Überschneidungen zwischen den Extremen sind vielfältig: (antisemitische) Verschwörungsmythen, autoritär-patriarchale Strukturen, die Aufwertung des Eigenen durch Abwertung der Anderen, apokalyptisches Endzeitdenken, das Gefühl, permanent benachteiligt oder gar verfolgt zu werden, die Ablehnung der als »hedonistisch« wahrgenommenen »westlichen« Welt….; viele Gemeinsamkeiten in grundlegenden Fragen sind gegeben. Am fast auffallendsten ist die Sehnsucht nach einer heilen, sittenstrengen Idylle, die – wie könnte es bei so viel Angst vor der Zukunft auch anders sein – in der Vergangenheit liegt. Während sich die einen an den »ehrwürdigen, rechtschaffenen Vorfahren« (arabisch »as-Salaf aṣ-Ṣāliḥ«), also den Gefährten und Nachfolgern Mohammeds orientieren, sind es bei den anderen die europäischen Gemeinschaften und Abwehrkämpfer gegen die »außer-kontinentalen« Invasoren, die da stets aus dem Süden und Südosten antanzen. Man spintisiert sich in eine Traditionslinie, die von den Spartanern über Karl Martell bis zu Prinz Eugen und weiter reicht.
AnhängerInnen des politischen Salafismus wie auch der »Identitären Bewegung« nutzen ähnlich geschickt die Vorteile der globalisierten Welt, obwohl sie sich in ihr so unwohl fühlen. Allen voran die Mobilität von Nachrichten, Werbung und Personal im global digital village. Insbesondere des web 2 mit seinem Bilder- und Sprüchefetisch bedient man sich, ja man überflutet es regelrecht. Kaum ein Flugblatt, das in einen Briefkasten wandert, ohne dabei fotografiert und anschließend hochgeladen zu werden, kaum ein Sticker, Plakat oder Transparent im öffentlichen Raum, dessen Abbild nicht noch tausende Mal auf facebook reproduziert wird. Man versucht sich als permanent aktiv zu inszenieren und ruft auf, es einem gleichzutun. Hauptziel bleibt es jedoch, es über die Grenzen der social media communities noch in die Mainstreammedien zu schaffen. Das ist zwar zum einen in der österreichischen Medienlandschaft nicht allzu schwer – im Dezember 2015 wurde ein Identitärer sogar ins »Bürgerforum« des ORF geladen – nur muss man sich stets was Neues einfallen lassen, der Boulevard verliert sonst schnell das Interesse an einem. Die Tat an sich zählt wenig, die Medien sind alles. Das aufsehenerregende Verteilen einiger Pfeffersprays an PassantInnen in Wien Mitte Februar birgt wahrscheinlich mehr Gefahren als Sicherheit für diese, egal, was zählt, wir sind aktiv, und wir haben Angst geschürt, und wir bieten die Lösung: Selbstjustiz.
Solche Aktionen, sowie die jüngst aus dem heimischen Boden sprießenden »Bürgerwehr«-Projekte dienen natürlich auch dazu, das Gewaltmonopol des Staates in Frage zu stellen, die Demokratie verächtlich zu machen, als schwach und wehrlos darzustellen. Mit ähnlicher Intention gingen deutsche Salafisten als »Sharia Police« 2014 im Wuppertal auf Tour. Die ExtremistInnen als Hüter von Recht und Ordnung, einig gegen die Dekadenz der liberalen Gesellschaft. Eigentlich könnten die Fans von Sparta und den Salaf fast gemeinsam auf Streife gehen. In der Wüste soll es schön sein.