Liquid Territorries

Im Rahmen einer zweimonatigen Residency am Laboral, Zentrum für Medienkunst und Creative Industries in Gijon, spanische Nordwestküste, recherchierten Franz Xaver und Armin Medosch die inhaltlichen und praktischen Dimensionen der Errichtung einer schwimmenden Skulptur in der Bucht von Gijon. Diese »floating structure« verwischt die Grenzen zwischen künstlerischer Arbeit, künstlerischer Forschung und kuratiertem Projekt und versucht, die Grenzen der Kunst zu erweitern und das Wasser als Medium der Kunst zugänglich zu machen. Das Projekt »Liquid Territories« entwickelte sich entlang einer engen Verbindung zwischen künstlerischer Arbeit und theoretischer und methodologischer Forschung vor. Im folgendenden ein Auszug aus dem Forschungsbericht von Armin Medosch und Franz Xaver.

Künstlerische Autonomie

Die »künstlerische Autonomie« ist nicht mit der »Autonomie der Kunst« zu verwechseln, wie sie sich in der bürgerlichen Gesellschaft im 19.Jahrhundert entwickelt hat. Bei der Autonomie der Kunst geht es um die Stellung der Kunst in einem vom Kapitalismus geprägten Sozialsystem, wobei der Kunst und den künstlerischen Subjekten ein Ausnahmestatus zugestanden wird. Die »künstlerische Autonomie« hingegen bezeichnet ein ethisches Verhältnis zu den Werkzeugen und Arbeitsmitteln, gekennzeicht durch den Versuch, ein weitgehendes Ausmaß an Autarkie zu erreichen. Der Künstler oder die Künstlerin sollte in der Lage sein, nur solche Produktionsmittel zu benutzen, die er oder sie völlig versteht, um nicht von anderen abhängig zu sein, wie z.B. von einer Bild- oder Videosoftware, die von einer Firma produziert wurde und durch ihre Beschaffenheit den Rahmen der künstlerischen Produktion vorgibt, und deren Innenleben dem oder der Künstlerin fremd ist. Die Materialien sollten Medienkünstlern so unmittelbar zugänglich und ähnlich natürlich vorhanden sein wie Stein, Holz oder Pigment für Maler und Bildhauer. Künstlerische Autonomie ist in konzeptueller Hinsicht eine tragende Säule des Projekts Liquid Territories.

Künstlerische Forschung

Die künstlerische Forschung unterscheidet sich grundlegend von der wissenschaftlichen Forschung, auch wenn sie die selben technischen Mittel und ähnliche Methoden verwendet. Die Kunst, wie sie sich seit der historischen Avantgarde entwickelt hat, ist heute weniger mit der Erzeugung ästhetischer Objekte beschäftigt als vielmehr mit der Produktion von Wissensobjekten. Sie ist eine eigene Form des intellektuellen und sinnlichen Verstehens der Welt, die ihren Wahrheitsanspruch nicht dem der Wissenschaft unterordnen kann, wenn sie sich selbst ernst nimmt. Das steht nicht im Widerspruch dazu, dass die künstlerische Forschung sich technisch wissenschaftlicher Geräte bedient. Der Unterschied liegt in den Zielen und im Interpretationsrahmen. Die Kunst errichtet ihren eigenen Interpretationsrahmen, der wesentlich weiter ist als jener der Wissenschaft. So müssen sich Wissenschafter in vielen Bereichen an Denkverbote halten, da sie sonst von ihren Kollegen nicht ernst genommen werden und ihre Projekte nicht finanziert bekommen. Die künstlerische Forschung braucht sich nicht an solche engen Vorgaben zu halten, muss jedoch auch nachvollziehbar und gesellschaftlich relevant sein. Diese Relevanz erklärt sich jedoch nicht aus dem Paradigma des ökonomischen Nutzens, der heute mehr und mehr auch die Grundlagenforschung dominiert.

Messungen

Unter dem Ansatz der künstlerischen Forschung beschäftigte sich das Projekt Liquid Territories mit der Möglichkeit der Einrichtung einer Forschungsboje, die mit verschiedensten Mess- und Kommunikationseinrichtungen ausgestattet ist. Die Messungen selbst sind bereits ein wesentlicher Teil der künstlerischen Arbeit, die nicht zweckrational und ergebnisorientiert ist wie die wissenschaftliche Forschung.Die künstlerischen Messungen, auch wenn sie äußerlich den Messungen der Forscher ähneln, dienen einem anderen Ziel. Die Künstler führen Messungen durch, um sich ein Bild von der »Welt wie sie ist« zu machen. Die Konzeption der Art von Messungen, die gemacht werden und die Auswertung der Daten erfolgt vor dem Hintergrund einer spekulativen Beschäftigung mit Wissensobjekten. Diese Objekte sind aber nicht abgeschlossen, sondern »offen« hinsichtlich der Interpretation all jener, die mit diesen Systemen in Berührung kommen.

Konzeption

Mit diesen Ausgangspunkten wurde folgende Grundkonzeption erarbeitet:

Es geht darum, ein realistisches Konzept für eine schwimmende Struktur zu erarbeiten. Die Bedingungen der Residency - Zeitrahmen, Budget oder der Mangel eines solchen - würden es nicht ermöglichen, ein solches Projekt auch nur annähernd umzusetzen. Was jedoch geschehen sollte, ist eine realistische Projektskizze zu entwickeln, die dann in einem nächsten Schritt Finanzierung und Umsetzung erlauben würde.

Diese schwimmende Struktur sollte ein autarkes System sein, d.h. insbesondere von Energiezufuhr von außen unabhängig. Das Objekt sollte seine eigene Energie erzeugen (Sonne, Wind, Wellen) und nur soviel Energie verbrauchen, wie es erzeugen kann.

Dieses Objekt sollte bis zu einem gewissen Grad behausbar sein. Es sollte Menschen die Möglichkeit bieten, sich dort für einen Zeitraum, wenn auch einen begrenzten, aufzuhalten und zu arbeiten.

Das Objekt sollte nach Möglichkeit auch Nahrung und Trinkwasser erzeugen können. Je nach Größe und Beschaffenheit kann diese Fähigkeit symbolischen Charakters sein oder wirklich den Weg zur Versorgungs-Autarkie weisen.

Das Objekt sollte mit seiner Umwelt kommunizieren können, d.h. Informationen aus der Umwelt aufnehmen und abgeben. Es sollte auch mit dem Festland in einer Verbindung stehen. Ursprünglich war dabei an eine Art Statusreport gedacht. Einmal alle 24 Stunden sollte das Objekt einen Satz von Daten (Bild, Ton, Messungen) an Land schicken.

Das Objekt sollte den Erfordernissen der Sicherheit genüge leisten und sich als Langzeitinstallation in die Umwelt harmonisch einfügen.

Das Objekt sollte als Basis für andere Künstler dienen, die es als Plattform für eigene künstlerische Forschungsprojekte verwenden oder bereits an der Errichtung der Plattform mitarbeiten.

Nach der globalen Netzkunst und Netzkultur zeigt die Verinselung eine letzte Rückzugsmöglichkeit einer Autonomie.

Die Eleonore als autonome Struktur

Im Oktober 2008 wurde ein ehemaliges Wohnschiff der Donautechnik von einer Gruppe um C. Eder, K. Knopp, und F. Xaver übernommen. Nach ersten Adaptierungen am ehemaligen Liegeplatz in Niederösterrreich im Winter 2008/2009 wurde das Objekt im April mit der DDSG auf einer abenteuerlichen Flussfahrt nach Linz transportiert.
Das Schiff ist an die 100 Jahre alt und besteht aus einer Stahlblechhülle, die auf Stahlspannten genietet ist. Vor etwa 15 Jahren wurde die Außenhülle verdoppelt.
• Länge: 20m
• Breite: 6m
• Gewicht: 40t
Raumaufteilung: ein großer, heller Arbeitsraum, 2 Kabinen, eine Küche, ein Ess- und Empfangsraum, Waschraum/Toilette
Weiters: Ein Werk- und Lagerbereich, Heiz- und Kochmöglichkeit, ein Sonnendeck als Außenarbeitsfläche, ein Aggregatraum.

Das Schiff wurde nach Linz »importiert« um die lokale Szenerie zu bereichern. Es soll vorerst als kulturelle Interventionen zur Verfügung stehen.

• Lokale Kulturvereine und Individuen können das Objekt für ihre Aktivitäten verwenden, oder temporär darüber verfügen. Es wird als Gästehaus und temporärer Arbeitsraum für nationale und internationale KünstlerInnen dienen.

• Ab und an finden auf dem Schiff »Think-Tanks« statt. Unter dem Titel SINK TANK Eleonore wird hier von den jeweils geladenen Gästen ein lösungsorientierter Diskurs geführt.

• Vor allen Dingen ist das Schiff aber der experimentellen Forschung und Kunst gewidmet. Es ist die zentrale Station für dauerhafte Messtätigkeit.

Der Grundgedanke war, einen neutralen Ort (eine Insel) zu schaffen, auf dem neue Ideen entstehen können. Ein Schiff als neutraler, isolierter Ort schien uns dafür am sinnvollsten. Ideen entstehen nicht aus dem Nichts. Nebenbedingungen müssen dafür geschaffen werden. Uns erscheint die Beobachtung der Umwelt als geeignetes Mittel um sich diese Grundlage zu erarbeiten. KünstlerInnen und WissenschafterInnen sind angehalten auf diesem Schiff verschiedenste Messreihen durchzuführen.