»Hackers In Space« – so das diesjährige Motto der Veranstaltung. Nachdem in den letzten vier Jahren weltweit sog. »Hackerspaces«, Orte/Vereine, an denen sich Hacker_innen zum gemeinsamen kreativen Schaffen mit elektronischen Spiel- und Werkzeugen treffen, gegründet wurden, soll diese weltweit vernetztes Potenzial an Wissen nun dazu genutzt werden, um den Weltraum zu erobern. Im ersten Schritt soll ein freies Netzwerk an Kommunikationssatelliten enstehen, um den zunehmenden Zensurbestrebungen im Internet etwas entgegenzusetzen. Ob dies auch verwirklichbar ist, wird sich zeigen. Das technische Interesse und das Talent sind auf alle Fälle vorhanden.
Hacker (hier verwende ich absichtlich die rein männliche Bezeichnung, da in unseren vielgeliebten Massenmedien die Vorstellung von Hacker-innen offenbar nicht existiert – und Frauen leider immer noch schwer unterrepräsentiert sind in dieser Community) waren in letzter Zeit ja des öfteren auch in den Medien. Gruppen wie »Anonymous«, »LulzSec« oder in Deutschland die »No Name Crew« machten sich auf, um verschiedenste Webauftritte von kleineren oder größeren Organisationen und Institutionen umzugestalten (»defacen«[1]) und/oder um Daten aus schlecht gesicherten Netzwerken zu kopieren. Meist sind davon Institutionen betroffen, die in irgendeiner Weise persönliche Daten speichern und/oder verarbeiten bzw. staatsnahe Organisationen oder Parteien.
Es stellt sich die Frage, wie diese Aktionen einzustufen sind, ob es gesellschaftliche oder politische Ziele gibt, die damit verfolgt werden.
Diesen Fragen widmete sich einer der Vorträge auf dem Camp.[2]
Ausgehend vom ersten Aufkeimen eines »Hacktivism« Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrtausends wurde der Bogen bis zu den aktuellen Hack-Ereignissen gespannt.
Als Mitte der 1990er das Internet immer mehr Verbreitung fand und die sogenannte »Antiglobalisierungsbewegung« immer stärker wurde, war es fast eine logische Konsequenz, dass sich der Aktionsraum des politischen Protests und Aktivismus auch auf den virtuellen Raum ausdehnt. Zu dieser Zeit waren die Aktionen im Netz meist sehr stark politisch inhaltlich geprägt und auch die Aktionsformen, nach denen im »realen« Raum benannt, wie z.b. »Online Demonstration«. 2001 fand zum Beispiel eine solche im Rahmen der Proteste gegen Abschiebungen der deutschen Lufthansa statt (»Deportation Class«3). Rein technisch war diese »Demonstration« ein sog. »Distributed Denial of Service (DDoS)«. Das heißt, dass von vielen Rechnern gleichzeitig Anfragen an die Server von Lufthansa geschickt wurden, um diese zu überlasten. Diese Form der Demonstration wurde später auch versucht zu kriminalisieren, aber letztlich ohne Erfolg, sie wurde schließlich vom Oberlandesgericht Frankfurt als solche anerkannt.
Der Online-Aktivismus von heute zeigt dagegen ein anderes Bild. Politische Grundsatzerklärungen von »Anonymous« oder »LulzSec« sucht mensch vergebens, auch sind diese »Gruppen« keineswegs statisch oder homogen sondern vielmehr eine Art Label, unter dem von verschiedensten Menschen rund um den Globus die Webauftritte gewisser Firmen oder staatlicher Organisationen »angegriffen« werden. Gewisse politische Stoßrichtungen sind jedoch immer noch erkennbar. So werden hauptsächlich jene Organisationen mit Protest bedacht, die entweder durch massives Sammeln von personenbezogenen Daten, die meist auch noch schlecht gesichert gespeichert werden, die Privatsphäre potenziell gefährden (wie es bei der Website der G.I.S. in Österreich der Fall war) oder die versuchen, Freiheiten im Realraum sowie im Netz einzuschränken (politische Parteien, Geheimdienste, Polizeiorganisationen, ...). Diese Freiheiten, die es da zu »verteidigen« gilt, sind aber auch nicht näher definiert, somit lässt sich auch schwer von einer dezidiert politischen Bewegung sprechen.
Immerhin erreichen einige der Aktionen ein sehr breites Medienecho, das zumindest das Potenzial hat, Missstände aufzuzeigen. Leider folgt meist aber keine politisch inhaltliche Debatte, sondern eher eine Kriminalisierung der Aktivist_innen.
Durch die extrem lose Struktur fehlt es aber auch an Solidarstrukturen wie einer Rechtshilfe im Fall von strafrechtlicher Verfolgung. Diese Verfolgung gibt es nicht zu knapp. Nachdem gerade von staatlicher Seite immer wieder versucht wird, Proteste zu kriminalisieren, wird im Zusammenhang mit solchen Aktionen gern von Internetkriminellen oder Cyberterroristen gesprochen. Die Strafen dafür sind auch oft drakonisch (in manchen europäischen Ländern wird das Teilnehmen an DDoS Angriffen mit bis zu sechs Jahren Gefängnis bedroht).
Durch die verstärkte Verlagerung unserer Kommunikation und damit auch von Meinungsbildung, der Geschäfte und der staatlichen Verwaltung ins Internet ist es nur logisch, dass sich Protest auch dort äußert. Es wird sich weisen, ob dieser Protest wirksam genug ist, um die totale Überwachung und anrollende Zensur zu verhindern.