»Da Dobusch baut si a neichs Goartenheisl«. So gehört von PassantInnen, die im November den Innenhof des ehemaligen Finanzamtkomplexes durchkreuzten. Es war dort ein Hausgerüst aufgestellt, das, zumindest für ein Bürgermeister-Gartenhaus extrem mickrig aus dem angrenzenden Gebäude wuchs. Und in das zudem einige kleinere, schäbig wirkende Versatzstücke eines alten Hauses eingehängt waren – ein ausgeschnittenes Fenster, ein Türschloss, Teile einer Wand. Deshalb fiel die Antwort nicht unberechtigt so aus: »Ob des fertig wird?«
Natürlich handelte es sich um etwas anderes, nämlich um ein Kunstprojekt im Rahmen des diesjährigen Kunstuni-bestOffs: Das Kollektiv von »Zizlau 83« präsentierte an diesem Ort eine Dokumentation ihres im Rahmen des »Festivals der Regionen« durchgeführten Projekts, das in der Zizlau stattfand. Bekannterweise wurde die Siedlung von St. Peter 1938 für den Bau der »Hermann Göring Werke« abgerissen, allerdings blieben südlich des Dorfes St. Peter circa 15 der ursprünglich 60 Häuser der Zizlau stehen, die wegen der schwarz gebeizten Holzverkleidung auch einmal als »Negersiedlung« bezeichnet wurden. Heute im Eigentum der MCE und mitten in Industriegebiet und Schwerverkehr, leben dort noch einige wenige Familien oder nutzen »ihr« Haus als Wochenenddomizil – und haben dort eine teilweise seltsam anmutende Idylle entstehen lassen. Auf einem Spaziergang durch die unbekannteren Gefilde der Stadt wurden zwei der künftigen ProjektgestalterInnen von einer Bewohnerin auf einen Kaffee eingeladen und damit auf eine Idee gebracht, die den bemerkenswerten Ort als solchen thematisieren wollte. Was »Festival der Regionen«-Leiter Martin Fritz später als »vielfältiges Arsenal an künstlerischen Möglichkeiten« bezeichnete, mit denen sich die Projektgruppe diesem Ort annäherte, stellte sich für das Kollektiv vom Zizlau-Projekt als pure Notwendigkeit heraus, um der Vielschichtigkeit dieses Ortes gerecht zu werden. Treffen hier doch Stadtgeschichte, BewohnerInnenschicksal, Industriegeschichte, Wirtschaft, Verkehr und Naturoase aufs Heftigste aufeinander. Und finden doch einen gemeinsamen Nenner des Zusammenlebens, der nicht zuletzt im Wissen um das langsame Verschwinden der Siedlung festgelegt ist: Ein Haus wird abgerissen, sobald dessen Bewohner ausziehen oder versterben. Der Verfall, der schlechte Standard, den man zuerst bemerken will, erweist sich als Fehlen einer langfristigen Perspektive, als schleichende Umwidmung von Wohnraum zu Industrieraum. Nimmt man – etwas frei hergeleitet – ein Zitat des kürzlich verstorbenen Philosophen Claude Levi-Strauss, der sein Ich »als Ort, an dem Dinge geschehen« definiert hatte, so könnte man die Zizlau als vielsagenden Ort des geschichtlichen Zusammentreffens, des Weichens, des langsamen Verschwinden-Müssens und Wiederverwertens von Identitätsteilen der Stadt Linz bezeichnen.
Konsequenterweise wollte das Kollektiv deswegen keine vorgegebenen künstlerischen Gestaltungen des Ausagierens, der Partizipation oder anderer beschlagworteter Zugänge durchexerzieren. Sondern es fanden vielmehr skulpturale und diskursive Ansätze prozesshaft zusammen, »um zuallererst die Aufmerksamkeit auf diesen Ort zu lenken«, so Petra Moser, eine der ProjektbetreiberInnen. Dementsprechend war Zizlau 83 ein Projekt des Verweilens und des Gesprächs mit Besucher- und BewohnerInnen, die etwa »eigentlich nicht bedauern«, dass der Wohnraum verloren geht, »das sei schon ok so, man habe das immer gewusst«, die aber natürlich auf das Verschwinden der Häuser emotional reagieren. Man fand letztlich als Kollektiv von sechs Leuten – Sabina Köfler, Kristina Kornmüller, Stefan Messner, Petra Moser, Ulrike Seelmann und Felix Vierlinger – einen Zugang, den seltsam wild-romantischen Ort zwischen Lagerplätzen und Industrie zu thematisieren. Es wurden die vier Außenwände eines bereits leerstehenden Hauses mit den vier Wertigkeiten »Kunst, Geschichte, Material, Emotion« belegt. Die vier »Wertewände« wurden dann für skulpturale Eingriffe der BesucherInnen freigegeben, die sich daraus ein Stück Haus aussuchen, aussägen lassen und mit nach Hause nehmen konnten. Die Materialität des Holzhauses wurde zum Kunstobjekt – als skulpturales Fragment einer historischen, fast verschwunden Siedlung; oder die Teile wurden wieder gelagert und anders verwertet, etwa durch das noch laufende Projekt »Schwemmland«, das im Hafen eine »Nischenerzählung Hafenviertel« betreibt und sich schon eines Teils des Gelben Haus Bellevue angenommen hat. Ein Teil von Bellevue wird recycled und dient im Moment als Winterlager, später soll dieser Teil jedoch als Primärstruktur für ein geplantes Fischlokal im Hafenviertel verwendet werden. Und im Hafenviertel soll auch »das historische Geschenk« von Zizlau 83 eingepasst werden: »[…] Als Fassadenteil, das es ist, soll es über den Umweg des Kunstwerks wieder Teil einer Fassade im Hafenviertel werden.«
Das Haus Zizlau 83 ist mittlerweile abgerissen. Teile dieser Fassade wurden aber von den neuen Besitzern ausgeborgt, um sie eben auch in die Installation von besagtem »Bürgermeister-Gartenhaus« einhängen zu können. In den angrenzenden Innenräumen bei bestOff wurden allerdings auch andere dokumentarische Teile präsentiert: Historisches Material, ein Fotobuch, das die Hausbesitzer und die Teile auswies, andere Projektfragmente … und ein Film, der das Projekt begleitete und in dem auch die Abendveranstaltungen gezeigt wurden. Es konnte unter vielen anderen zum Beispiel Mieze Medusa gelauscht werden, die eine Lesung von 83 Zeilen vortrug, was Räume alles können sollen: »[…]Ein Zimmer mit Ersatzteilen für mein Lächeln. Ein Zimmer, in dem sich die Socken selbst sortieren. […]Ein Zimmer als Spiegelkabinett. Ein Zimmer, das in den Rucksack passt. […]Ein Zimmer – vielleicht das wichtigste – mit einer Tür nach draußen.«
Abschließend soll auf die Entstehungsgeschichte der Siedlung eingegangen werden, zumal das Projekt die Materie auch auf diskursiver Ebene zwischen Kunst und Geschichte thematisierte, namentlich durch diverse Einladungen von Kunstuni-Personal oder des Geschichteclubs Stahl. Dabei erwies sich die Geschichte zur Siedlung als fragmentarisch vorhanden, wenngleich die Siedlung Zizlau auch eines der ersten Projekte des sozialen Wohnbaus in Linz darstellte: Die »Siedlungsgenossenschaft des OÖ. Landesverbandes gemeinnütziger Baugenossenschaften in Linz« war Bauherr der ersten Stadtrandsiedlung von Linz Zizlau-St.Peter, die 1932 errichtet wurde. Die Besonderheit war, dass die Errichtung dieser Siedlung als »Hilfe zur Selbsthilfe« gedacht war, zumal die ambitionierten Linzer Siedlungsbauten nicht zuletzt wegen der Weltwirtschaftskrise ins Stocken kamen. Einerseits waren ambitionierte Pläne neuerer Wohnformen vorhanden. Aber das, was der erste Nachkriegsbürgermeister Ernst Koref als ein Erbe des Nationalsozialis-mus bezeichnete, nämlich den Wandel der Stadt »von der Barockstadt zur Barackenstadt«, stellt der Historiker Helmut Lackner in einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaft des dritten Reichs und den Maßnahmen auf dem Sektor des Wohnbaus in Linz, der stattdessen forciert wurde. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten durch etwas ab, was Lackner »in politischen wie ökonomischen Notsituationen« eine »Ähnlichkeit der Konzepte« nennt. Die »Nebenerwerbssiedlungen« die zugleich immer »Stadtrandsiedlungen« waren, waren bestenfalls noch durch eine »Idee der Gartenstadt« kaschiert, die sich noch während der ganzen Zwischenkriegszeit in die Stadtplanung mischte. In Wahrheit war dieses Ideal schwer von der Notlage der breiten Bevölkerung überdeckt und stellte einen ideologischen Rückgriff auf die konservativ-agrarromantische Siedlerbewegung dar. »Diese Siedlungshäuser waren vor allem für Erwerbslose, Saison- und Kurzarbeiter bestimmt. Die Baukosten wurden durch billigste Bauweise, unbezahlte Mitarbeit der Siedler sowie Einsatz des ‚freiwilligen Arbeitsdienstes’ so niedrig wie möglich gehalten«, kommentiert etwa die Linzer Historikerin Brigitte Kepplinger. Und Helmut Lackner schreibt: »Unter der Bezeichnung ‚Innenkolonisation’ sollte etwa der ‚Neuaufbau der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in gesunde Bahnen’ gelenkt werden, Arbeiter und Angestellte krisenfest gemacht und die ‚Einführung der industriellen und gewerblichen Kurzarbeit’ erleichtert werden, denn der Lohnausfall durfte bei gleichzeitig erhöhter Freizeit im Nebenerwerb wettgemacht werden […]« Und wenn man an so manche Aussage einer Kristallerbin denkt, die vor kurzer Zeit noch Arbeitslosen empfohlen hat, »ihr Gemüse doch auf dem Balkon selbst anzubauen«, bekommt die Werbeschrift des OÖ. Landesverband gemeinnütziger Baugenossenschaften in Linz der dreißiger Jahre beängstigende Realität: »Aus den Gärten erzielen die Siedler jetzt schon schöne Erträge, das Gemüse für ihren eigenen Bedarf haben alle, außerdem können sich viele auch durch den Verkauf von Beerenobst noch einen kleinen Nebenverdienst sichern.« Ein also von mehreren Seiten beachtliches Projekt.