Für das Objekt »Linzer Auge« wurden in der Ankündigungsphase die verschiedensten Deklarationen genannt: Bezeichungen wie »Wahrzeichen«, »Kultur Bühne«, »urbane Strategie« und »bietet 360° Panorama« können zwar getrost als Marktschreierei beiseite gelassen werden, das Schlagwort der »Belebung des Donauraumes« ist aber ein nennenswertes Thema für Überlegungen zu dem Bauwerk. Denn das (vielerseits leider bereits prophezeite) technische Scheitern des im Kontext der »Kulturhauptstadt 2009« initiierten Schwimmkörpers könnte das Wasser für kulturelle Aktivitäten eher abgraben als beleben. Aber es gilt auch hier die Maxime »das Beste daraus zu machen« – und so soll versucht werden, aus den Vorgängen bei der Entstehung des »Linzer Auges« zumindest Wissen und Erkenntnisse über die Bedingungen für Aktivitäten auf der Donau zu gewinnen. Sie werden sehen: es misslingt.
Die technische Idee war einen Schwimmkörper mit Donaukraft in Rotation zu versetzen. Was ging also schief? Die Printmedien eignen sich nicht recht als Informationsquelle:
»Wie 'Österreich' aufdeckte, wurde in Bratislava, wo das 16-Tonnen-Konstrukt hergestellt wurde, bei den Kugellagern gepfuscht« oe24, 16.9.2009
»Wie in den OÖN vom Samstag berichtet, hatten die slowakischen Behörden der Kammer der Ziviltechniker, die die Stahlinsel in Urfahr installieren und der Kulturhauptstadt zum Geschenk machen will, massive Probleme bereitet.« OÖNachrichten, 11.8.2009
»Die Werft in der Slowakei, die die künstliche Donauinsel baute, habe die Kugellager falsch dimensioniert.« Die Presse, 16.9.2009
»…in der Slowakei gefertigt werden. Und dort bekam das grüne Rund Ecken und Kanten. Die Werft hatte schlampig gearbeitet. Konkret waren es die Kugellager, die zu klein dimensioniert waren. Eine Umrüstung auf größere Lager scheiterte.« OÖNachrichten, 16.9.2009
»…Bei der Fertigung in einer slowakischen Werft wurde Medienberichten zufolge an den Kugellagern geschlampft (sic!)…« Rundschau, 18.9.2009
»…Gegen 7 Uhr früh wollte gestern das holländische Motorgüterschiff 'MS Reina' die von einem Polen in Bratislava (Slowakei) gefertigte Stahlinsel …« OÖNachrichten, 19.8.2009
Kantige Kugellager? Eine ausländische Verschwörung? Das gibt maximal ein paar Erkenntnisse über die psychische Situation in der regionalen Presselandschaft. (Übrigens: Bei der sogenannten »Werft« in Pezinok nachzufragen, haben die SchreiberInnen bis dato allesamt vergessen).
Aus der Reparatur des stählernen Schwimmkörpers wurde ein richtiggehender Umbau. Seitens der Firma MCE, die diesen durchführt, ist zu vernehmen, dass grundlegende Änderungen vorgenommen werden mussten. Zum einen, was die Genauigkeit des geplanten Sollabstandes (11 mm) der ineinander liegenden Ringe betrifft: »Bei umfangreichen Vermessungsarbeiten für das geforderte Gutachten, wurden die ineinander liegenden Kreisbauteile vermessen, die Messkurven übereinandergelegt, und es hat sich gezeigt, dass man dabei teilweise in den negativen Bereich kam.« Diese »Toleranzabweichung« müsste eigentlich dazu geführt haben, dass eine Rotation gar nicht möglich ist. Einige Abschnitte des Bleches wurden daher herausgeschnitten und zurückversetzt. Es sei nun »eben die große Frage, ob da im Wasser Verformungen aufgetaucht sind« oder schon von Anfang an keine Drehbarkeit gegeben war. Andererseits betrifft die Änderung die gesamte Lagerung der Ringe. Es handelt sich dabei um vertikale Laufrollen und horizontale Tragerollen, die allesamt kugelgelagert sind. Es wurden zwar auch ursprünglich Normteile verbaut, doch sieht der neue Plan vor, spezielle Rollen zu verwenden, die die Kräfte nicht auf die Kugellager abgeben. Außerdem sieht man den Plan skeptisch, Metall auf Metall rollen zu lassen. Es werden nun Kunststoffrollen eingebaut. »Es soll ja schließlich noch zwei, drei Jahre halten«.
Die Architekten des Bauwerks von der Agentur »feld72« wussten bis dato noch nichts von den Schwierigkeiten mit den Laufrollen. »Es ist aber ein Unsinn, wenn geschrieben wird, die Werft hätte die Kugellager ‘schlampig dimensioniert’. Für die Festlegung der Dimensionen sind nämlich nicht die Fertiger zuständig, sondern die Konstrukteure.« Die Aufgabe der Architektur bei dem Projekt hätte nur gestalterische Dinge betroffen. Allerdings hätten sie von »Toleranzabweichungen« in der Fertigung gehört. Die Konstruktion und technische Planung des runden Schwimmkörpers wurde von einem Zivilingenieur für Maschinenbau vorgenommen; die Konstruktion des Zugangssteges, der zugleich die gesamte Verheftung des Schwimmkörpers darstellt, von einem Zivilingenieur für Schiffbau. (Wer den Übergang zwischen den beiden Elementen geplant hat, ist uns nicht bekannt [Anm.]). Allerdings sei laut Architekten zu bedenken: »Wenn es aufgrund von mangelnder Fertigung anders als geplant läuft, wirken auch andere Kräfte und Lasten. Dadurch kann es sein, dass die geplanten Dimensionen nicht mehr ausreichend sind.« Metall auf Metall würde im übrigen auch bei jedem Eisenbahnzug aufeinander rollen.
Die MCE Linz musste von der ursprünglichen Planfassung abweichen. Gefragt, was sie anders gemacht hätten als der Fertiger aus der Slowakei: »Vermutlich hätten wir die Ausgangsplanung nicht annehmen können, oder eine Planänderung gefordert«. Das Problem sei, dass zwar gute Modellbildungen bzgl. Schwimmkörper und Strömungsverhalten gemacht wurden. »Aber es wurde vermutlich vernachlässigt, die praktische Umsetzung zu testen. Hier sind wir im Maschinenbau, und da gehören mehrere Personen an einen Tisch«. Bei der Suche nach Kosteneinsparung und unter Zeitdruck sei die Vergabe ein Problem, von dem viele ein Lied singen könnten, und oftmals »troubleshooting« danach notwendig wird. »Ein Auftragnehmer fertigt zunächst natürlich einfach nach Plan«.
Gefragt nach Erkenntnissen aus der Sache, sieht man es im Büro der Architekten ähnlich: »Die Kompetenz aller Beteiligten in der Entwicklungskette eines solchen Prototypen spielt eine entscheidende Rolle, denn die Leistung des schwächsten Gliedes hat große Konsequenzen für das Ganze.« Derzeit würde man das schwächste Glied in der Fertigung sehen. Es bestünden aber keine Befürchtungen seitens des Gestaltungsbüros, als nächste die Verantwortung für das Scheitern zugeschoben zu bekommen.
Es hat den Anschein, als würde überhaupt keine neue Erkenntnis herauskommen. Folgendes war nämlich bereits bekannt: Wer immer die Möglichkeit hat, einen massiv experimentellen Prototypen mit großen Geldmitteln und aller erdenklicher öffentlicher Unterstützung mitten in eine internationale Wasserstraße zu hängen und dann zuzusehen, wie er sich erwartungsgemäß verbiegt – sollte das als das verkaufen, was es ist, und nicht als ein Geschenk.