Was hat der Unabomber mit der Finanzkrise zu tun?

Franz Xaver über Kunst nach den neuen Medien.

Hat die technologische Entwicklung eine Grenze?

Mit der Aufklärung bekam die Kreativität eine neue Bedeutung. Mit jeder Erfindung wurden die Spielräume, um Neues zu entdecken, kleiner. Mit der elektronischen Datenverarbeitung schreitet die Aufklärung exponentiell voran. Durch die Verarbeitung von Information entstand eine komplett neue Technologie, die letztlich keinem naturwissenschaftlichen Zweig zugeordnet werden kann. Die maschinelle Verarbeitung von Information begann vor über 100 Jahren. Ein grundlegend neuer Denkansatz ermöglichte vor ca. 60 Jahren die Entwicklung des Computers. Die Informationstechnologie überzeugte sofort in allen Sparten. Auch in der Wirtschaft, wo der Neoliberalismus durch die New Economy weiter gestärkt wurde.

Die Technologie der Information.

Shannon, Jaynes, Planck, Schrödinger, Boltzmann, Turing..., Pioniere in der Informationstheorie. Sie legten den Grundstein, um Mitte des letzten Jahrhunderts Information messen zu können. Dadurch konnte sie auch maschinell verarbeitet werden. Die Messung erfolgte auf einer abstrakten Ebene und wurde nicht über Semantik, sondern durch Abweichungen von Redundanz bzw. Schaffung von negativer Entropie definiert. Die Erkenntnis einer Abnahme von Entropie durch geschaffene Information spielte dabei eine zentrale Rolle. Diese Messmethode ist bis heute gültig.
Durch die Miniaturisierung der Röhren- und Halbleitertechnologie entwickelte sich die Hardware des Computers rasant. Die Software konnte meist nur auf den Fortschritt reagieren und hinkte immer ein wenig hinterher. Dies erschwerte es den Betreibern von Großrechenanlagen auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben.

Es entstanden kleine alternative Systeme, die einen spielerischen, kreativen Umgang mit dieser neuen Technologie ermöglichten. In Folge ergab sich eine rekursive Schleife: sinkende Kosten bei steigender Effizienz.

Wie erkennt man eine Sättigung in diesem Bereich?

Zielsetzungen eines Computerprogramms können aber außer Kontrolle geraten. Computerprogramme sind darauf ausgerichtet über mathematische Analysen und Prognosen Entscheidungen zu fällen. Programme bekamen in Folge autonome Entscheidungskompetenz, weil sie in einer Geschwindigkeit und Komplexität arbeiten, die außerhalb der menschlichen Kapazität liegt. In der Finanzwirtschaft wurde es möglich, Gewinne aufgrund kleinster Abweichungen durch eine enorme Anzahl von Transaktionen innerhalb sehr kurzer Zeitspannen zu generieren.

Um den Zusammenhang zwischen dem heutigen Stand der Informationstechnologie und der Finanzmarktkrise herzustellen, sei auf folgende Fakten verwiesen:
Eine Börse aktualisiert ihre Datensätze ca. 20000 mal pro Sekunde (ca. 20 Mrd. Datensätze pro Tag). Die handelnden Computer generieren dann über ca. 1000 Entscheidungen pro Sekunde ihren Mehrwert.1 Da der Computerhandel im Moment vom Millisekunden- in den Mikrosekundenbereich wechselt, wird sogar der Standort des Computers wichtig. Die Laufzeit der Entscheidungen, die mit Lichtgeschwindigkeit zu den Börsen übermittelt werden, entscheiden über den Marktvorteil. Der agierende Computer muss daher möglichst nahe beim Börsencomputer aufgestellt werden, um bei dieser Jagd nach Rendite keinen Nachteil zu haben. Die Börsenaufsicht überlegt daher, allen agierenden Computern gleichlange Anschlusskabel zu geben.

Was ist bei der technologischen Entwicklung falsch gelaufen? Hat die Aufklärung ein Ablaufdatum?

Es scheint, dass der Bereich der Informationsverarbeitung und Wissensspeicherung viel mit der Evolution gemeinsam hat. Es könnte der Schluss gezogen werden, dass die Informationstechnologie durch Naturbeobachtungen entstanden ist. Aber es war die Messmethode, das Abstraktionvermögen des Menschen, der diesen Meilenstein ermöglichte. Die Natur hat ihren Fortbestand über einen Kopiervorgang gesichert und eine Möglichkeit entwickelt, Information in Genen zu speichern.
Die künstliche Informationsverarbeitung übernahm aber nur den scheinbar effizienteren Teil der Evolution. In einem naiven Fortschrittsglauben der Aufklärung, entwickelten sich Informations-speicher und informationsverarbeitende Programme, die nichts vergessen konnten.
Die Evolution zeigte aber einen anderen Weg – den langsamen, sich ständig korrigierenden Fortschritt.
Drei Schritte nach vor, zwei zurück. Das Vergessen als Korrekturmöglichkeit ist ein wichtiger Faktor einer nachhaltigen Informationsentwicklung.
Um das Vergessen zu ermöglichen, gibt es bei der biologischen Informationsgenerierung eine Schlaf- oder Ruhephase, in der man eine alternative innere Realität erzeugt, um das Erlebte in Wechselbeziehung zu verarbeitet.
Eine Informationsverarbeitung und Wissensspeicherung ohne die Einbeziehung von Korrekturmöglichkeiten zu konstruieren, erscheint vor diesem Hintergrund als Irrweg. Sie droht an der Einseitigkeit oder der Flut von Daten zu kollabieren.

Das globale Netz.

Definition und Klassifizierung schafft Information im semantischen Kontext. Globale Wissensspeicherung erzeugt immer mehr NegEntropie (negative Entropie). Durch das Fehlen dieser Entropie wird unser Freiraum kleiner, Kreativität und Erfindungsmöglichkeiten werden zurückgedrängt. Die Aufklärung ist zu Ende. Mit nur einer Informationsquelle entsteht das Problem der individuellen Meinungsbildung, denn wenn alle Menschen die selbe Quelle zur Informationsbeschaffung verwenden, schwindet der Intellekt.

Wie können wir dieser Entwicklung entgegenwirken?

Fördert die Kunst solange es noch möglich ist!


Kunst hat die Möglichkeit Entropie in die Welt zurückzubringen.
Durch die Kunst ergibt sich die Chance, Information anders zu klassifizieren und zu vermitteln. In der Musik wird die Information weder an der Redundanz, fehlender Entropie oder am semantischen Kontext gemessen.
Kunst, die sich mit neuen Medien beschäftigte, hat die Gefahren der Informationstechnologie frühzeitig durch schwindende Inhalte aufgezeigt. Genau mit dem Zeitpunkt, als das globale Netz mit dem »http://«-Protokoll den/die letzte(n) KritikerIn überzeugte, schwanden bzw. änderten sich die Inhalte der medialen Kunst.

Für Personen, die in diesem Bereich arbeiteten und ihre Eigenständigkeit bewahren wollten, gab es nur eine Möglichkeit: Sich diese Technologie anzueignen und innerhalb des Systems zu agieren. HackerInnen, Labore in der Kunst, autonome Kulturnetze und einzelne Server entstanden und boten neue Möglichkeiten. Jene Menschen, die Arbeitsbereiche im globalen Netz durch freie Software schufen, haben eine globale Vermarktung der Information verhindert. Es ist ein Rätsel unserer Zeit, warum das Internet eigentlich niemandem gehört. Diese NetzaktivistInnen könnte man aus heutiger Sicht, gegen ihren Willen, durchaus auch als KünstlerInnen bezeichnen.

Die Kunst mit ihrem anderen Informationszugang war schon immer eine Referenz, ein Spiegel, um unsere Welt aus einer anderen Perspektive betrachten zu können. Kunst als Entscheidungshilfe über die Relevanz der Dinge, ob Inhalte bewahrt oder vergessen werden können. Der Intellekt und die Kunst sind dadurch wichtige Orientierungshilfen, die nicht verloren gehen dürfen.

Die Gefahren der einseitigen Informationsbereitstellung darf nicht unterschätzt werden. Eine sture Weiterentwickelung dieser Technik ohne Korrekturmöglichkeiten könnte jede Information (im semantischen Sinn) überall gleichzeitig verfügbar machen, was die Klassifizierung der Information im Sinn Shannons (Information entspricht der Abweichung von Redundanz) in Frage stellen könnte.

An Information sind schon Hochkulturen gescheitert. Man denke an die sagenumwobene Sprachverwirrung von Babylon bei dem der semantische Kontext der Sprache verlorengegangen sein soll.

Darum nochmal:
Fördere Entropie! Schaff Freiraum! Bastle keine Bomben! Mach sinnlose Dinge! Sei Punk! Fördere Kunst!

Bankverbindung: Hypo BLZ-54000, Kto-0000385278
Kennwort: Schaffung Entropie