Dass unter den FPÖ-Mitgliedern eine große Anzahl deutschnationaler Burschenschafter sind, ist schon lange bekannt. Nun ist die dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller Mitglied verschiedener Mädelschaften, unter anderem der Linzer »Iduna«. Wie haben sich Mädelschaften entwickelt und welche Frauen*bilder werden da vermittelt?
So genannte Damenverbindungen als Äquivalent zu den männerbündischen Studentenverbindungen gibt es im Grunde genommen seit der Zulassung von Frauen zu den Universitäten. Nicht alle sind jedoch dem deutschnationalen Umfeld zuzuordnen, der Großteil der Studentinnenverbindungen in Österreich ist konfessionell orientiert. Mädelschaften hingegen sind das Ergebnis des strikt dualen Geschlechtermodells, das in burschenschaftlichen Kreisen verfochten wird und das auch im Verbindungswesen eine klare Geschlechtertrennung vorsieht. Frauen dürfen demnach im männlichen Verbindungsleben nur an ausgewählten Veranstaltungen teilnehmen und übernehmen selbst nur vermeintliche Frauenaufgaben wie die Organisation von Brauchtumsabenden und Sonnwendfeiern oder dienen bei Burschenschafter-Bällen als standesgemäße Tanzpartnerinnen. Wenngleich sich weibliche Verbindungen vor allem in den Anfangsjahren an ihren männlichen Vorbildern orientierten und beispielsweise die hierarchische Organisationsform sowie auch Bräuche, Rituale und Komment (Regelwerk) übernahmen, lassen sich auch Unterschiede festmachen. So ist Frauen* das Kämpfen von Mensuren untersagt, wird ihnen doch seit dem Entstehen der Burschen-schaften die Satisfaktionsfähigkeit, die Möglichkeit, »Ehre« nach einer Ehrverletzung oder einer Beleidigung (durch ein Duell) wiederherzustellen, abgesprochen. Das sagt natürlich auch bereits einiges über das dort vertretene Frauen*bild aus, das sich an einem komplementär gedachten und in der Regel biologistisch konstruiertem Geschlechterdualismus orientiert. Das bedeutet, dass ein eher traditionelles, konservatives Bild vorherherrscht, das vermeintlich naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern übertont und Frauen* besondere Fähigkeiten und Aufgaben in der Gesellschaft zuschreibt. In Österreich gibt es aktuell sieben Verbindungen in drei Bundesländern, die eher dem deutschnationalen Lager zuzuordnen sind, davon eine Linz, die Iduna. Ihr bekanntestes Mitglied ist Anneliese Kitzmüller, die nicht nur für die FPÖ das aktuelle Regierungsprogramm mitausverhandelt hat, sondern eben aktuell auch als dritte Nationalratspräsidentin tätig ist.
Gerade das Beispiel von Kitzmüller zeigt, dass Mädelschaften – auch wenn sie zahlenmäßig deutlich kleiner sein mögen und gesellschaftlich weniger relevant – ideologisch ihren männlichen Gesinnungskameraden um nichts nachstehen. Spannend ist auch, dass sich seit 2010 drei neue Verbindungen gegründet haben, was darauf schließen lässt, dass es auch unter Frauen* verstärkt ein Bedürfnis zu geben scheint, sich in diesem Spektrum zu organisieren.
Du arbeitest schon lange zu Frauen im Rechtsextremismus und bist Mit-Herausgeberin eines Buches1 über die rechtsextreme Gruppe der »Identitären«, in dem du dich unter anderem mit deren Geschlechterbildern beschäftigst. Was sind für dich die Kernthemen und gab es während des Forschungsprozesses auch Überraschungen für dich?
In den letzten Monaten sind zahlreiche Medienartikel über Frauen* in den Kreisen der ,Identitären‘ sowie über einzelne Aktivist_innen verfasst worden. Dabei dominierten in der medialen Berichtserstattung, trotz jahrzehntelanger Forschung zu diesem Themenbereich, Erstaunen, Exotismus und Skandaliserungsversuche. Aber auch kritische Auseinandersetzungen beleuchteten die Thematik bislang unterkomplex und blieben meist beim Vorwurf des Sexismus und des Antifeminismus stehen. Den dahinter stehenden Argumentationsmustern, der Modernisierung dieser Ideologien sowie den zahlreichen anzutreffenden Widersprüchlichkeiten hingegen wurde einstweilen kaum auf den Grund gegangen. Das hat mich ehrlich gesagt schon ein wenig überrascht.
Diese Leerstelle wollte ich daher füllen und aufzeigen, auf welche Art und Weise geschlechterpolitische Themen (Sexismus, Frauen*bilder, Antifeminis-mus, Homosexualität etc.) im Kontext der ,Identitären‘ verhandelt werden. Insgesamt hat sich dabei gezeigt, dass der Vorwurf des biologistisch konstruierten Sexismus sowie des Antifeminismus zwar im Endresultat zutrifft, geschlechterpolitische Diskurse ebenso wie die damit verbundenen Argu-mentationsmuster jedoch komplexer und differenzierter geworden sind. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass es in identitären Kreisen nicht nur ein Identitfikationsangebot für Frauen* gibt, sondern gleich mehrere. Dazu gehören einerseits starke Bezugsnahmen auf Mütter, die für den ,Erhalt des Eigenen‘ sorgen sollen und andererseits Darstellungen von Frauen* als sexualisierte Objekte, die als Ausdruck der ,Schönheit des Eigenen‘ verhandelt werden. Ihre Synthese liefert ein weiteres (Ideal-)Bild, nämlich das der Kampfgefährtin, die sich am ,Kampf für das Eigene‘ beteiligen soll.
Die Positionierungen rechter Gruppierungen zu Homosexualität sind sehr divers. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Alice Weidel, die keinen Widerspruch darin sieht, in einer lesbischen Beziehung zu leben und für die AFD Politik zu machen. Wie positionieren sich die Identitären zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen?
Im Zuge meiner Recherchen habe ich festgestellt, dass sich in identitären Kreisen mindestens vier Umgangsformen mit Homosexualität finden lassen: Einerseits eine Privatisierung. Dazu meint beispielsweise Patrick Lenart 2014, dass ihm »vollkommen egal« sei, »was wer wann mit wem zu tun« gedenke. Andererseits gibt es aber auch eine Teilanerkennung, die argumentiert, dass nicht die (maskulinen, wehrhaften) Schwulen das Problem seien, sondern nur die (,verweichlichten‘, effeminierten) ,Schwuchteln‘. Gleichzeitig lässt sich aber auch offene Ablehnung ebenso finden wie eine Anerkennung unter rassistischen Vorzeichen. Diese Instrumentalisierung dient v.a. dazu gegen ,den Islam‘ mobil zu machen, wenn beispielsweise in einer Aktion der ,Identitären‘ in Thüringen betont wird, dass in einigen islamischen Ländern – im Gegenstatz zu Deutschland – für Homosexualität die Todesstrafe droht und derartige Umgangsformen mit Homosexualität in »unserer Gesellschaft« keinen Platz habe. Homosexualität wird übrigens ausschließlich als männliche verhandelt, wohingegen es weibliche nicht zu geben scheint.
Trotz dieser - möglicherweise positiver als erwartet ausfallenden - Positionen einiger identitärer Gruppen in Hinblick auf das Thema Homosexualität soll nicht darüber hinweg getäuscht werden, dass sich durch die Nicht-Abwertung oder fehlende aktive Bekämpfung homosexueller Lebensformen nicht automatisch deren Akzeptanz bzw. Nicht-Diskriminierung ergibt. Gerade die Propagierung der normativen Zweigeschlechtlichkeit sowie der heterosexuellen Familie in identitären Kreisen bildet schließlich die Basis jeglicher Diskriminierung der von ihnen abweichenden Lebens- und Liebensformen.
Welche personellen und ideologischen Überschneidungen siehst du zu aktuellen Regierungsmitgliedern und den ,Identitären‘?
Die FPÖ hat in der Vergangenheit immer wieder beteutert, dass sie mit den ,Identitären‘ nichts zu tun habe und auch nichts mit ihnen zu tun haben wolle. So ganz hat das in der Regel nicht der Wahrheit entsprochen, wofür sich zahlreiche Beispiele finden lassen: Ein früherer Führungskader der ,Identitären‘ hat beispielsweise in der Vergangenheit für die FPÖ bei Wahlen kanditiert, einzelne FPÖler_innen nahmen an Demonstrationen der Gruppierung teil, der Vermieter des identitären Zentrums in Graz ist Gemeinderat für die FPÖ, Innenminister Herbert Kickl nahm gemeinsam mit den ,Identitären‘ am ,Verteidiger Europas‘- Kongress letztes Jahr in Linz teil, sein Kommunikationsverantwortlicher, Alexander Höferl, hat sowohl die Gruppe als auch deren Aktionen auf Facebook geliked. Diese Liste lässt sich natürlich noch fortsetzen. Aber all das ist vor allem deswegen nicht verwunderlich weil es eben auch ideologisch große Überschneidungen gibt, insbesondere in Hinblick auf den antimuslimischen Rassismus. Die beiden Gruppen unterscheiden sich vor allem in der Organsationsform aber auch in der Art und Weise, wie politische Anliegen zum Ausdruck gebracht werden. Dennoch stellt sich für die ,Identitären‘ nun die Frage, welche Bedeutung ihnen noch zukommen kann, wenn ihre politischen Anliegen durch die FPÖ nicht mehr nur im Parlament, sondern auch in der Regierung vertreten werden. Das könnte einerseits tatsächlich zu einem Bedeutungsverlust führen, andererseits ist aber auch eine weitere Radikalisierung denkbar.