Leserbrief 1 zu Versorgerin #92

Kultur, Management und Partizipation.

Wie viel Wellness verträgt eigentlich die Kultur?“ wurde gefragt. „Wie wenig Management verträgt die Kultur?“ frage ich zurück. Unser aller Situation ist prekär, das „Sparpaket“ ist dabei nur die aktuelle Sahnehaube. Und es wird noch weiter bergab gehen. Wenn auch heute alles immer schneller wird, ich erinnere an die Dauer einer Welle des Kondratjew Zyklus: 40 – 60 Jahre. Wir stehen also – da bin ich mir relativ sicher – gerade erst am Anfang einer Abwärtsbewegung, einer großen strukturellen Krise. Dass welt- und volkswirtschaftliche Entwicklungen die Finanzausstattung von Kulturarbeitern verschlechtern, mag (ja muss!) Kunst fundamental auf- und angreifen, die bedingungslose Opposition, der utopische Raum, Visionen (ohne Arzt), von mir aus auch „unnötige“ Spinnerein, sind grundsätzlich richtig und wichtig – den zu den vielen und vielfältigen Funktionen von Kunst gehört zuvorderst ihre reflexive Aufgabe.
ABER: Kunst und Kultur kann und darf nicht immer nur reiner Selbstzweck sein, hermetisch, selbstreferentiell, moralisch scheinüberlegen und per se fordernd (nämlich Geld). Nur aus „jahrelangem Tun und Treiben“ heraus. Woher sollte dieses Recht kommen? Woraus sollte, sui generis, ohne Argumentationsstrategie, das Recht auf Förderung entstehen? Und warum diese so oft offen dargelegte Abneigung gegen alles „ökonomische“? Warum sind alle anderen deppert nur wir, die Kunstschaffenden, nicht?
Von der öffentlichen Hand finanzierte Kunst und Kultur hat meiner Meinung nach die Verpflichtung, nachvollziehbar, effektiv und effizient mit den erhaltenen Mitteln (im Endeffekt: unsere aller Steuergeldern), umzugehen. Um das tun zu können, sind einfache bestimmte Skills nötig – in der Kommunikation und vor allem auch im Management. Seit mehreren Jahrzehnten gibt es in Theorie und Praxis des Managements die Schule des Non-Profit Managements – mitbegründet übrigens von einem von den Nazis vertriebenen Österreicher, Peter Drucker. Nicht umsonst heißt es dort, dass Non-Profit Management viel komplexer sei als For-Profit. Weil das Ziel nicht so klar ist – es geht nicht um die Gewinnmaximierung, sondern um vielfältige, gesellschaftliche, quantitative, „meritorische“ Ziele, deren klare Ausformulierung eine echte Herausforderung ist. Es gilt eine Vielzahl von Vorstellungen, Wünschen, Visionen und Interessengruppen und die entstehenden Zielkonflikte unter einen Hut zu bringen. Was gerade auch in Kunst und Kultur besonders gutes Management erfordert – um nämlich die nachhaltige Legitimation zu liefern, warum unser Tun weiter gefördert werden muss, über den reinen Selbstzweck hinaus. Das gilt m.M. nach für die großen Häuser der Repräsentationskultur, ebenso aber auch für Basiskulturarbeit in freien Szenen.
Ein Kulturentwicklungsplan ist hierbei eine Chance und Hilfestellung für die Kulturarbeiter – denn wenn partizipatorisch mit dem Subventionsgeber Ziele definiert werden, ist es leichter, diesen zu befriedigen – indem man dessen (hier: unseren, gemeinsam definierten) Zielen folgt und nicht (oder in geringerem Maße) eigene Erfolgsparameter definieren muss. Und somit den eigenen Legitimationsdruck reduzieren kann.
Von der Politik vorgegebene Rahmenziele können völlig sinnfrei sein –z.B. der alleinige Fokus auf quantitative Parameter wie Auslastungszahlen oder den Eigendeckungsgrad. Umso größer finde ich die Chance, die sich in Linz bietet: Die Transparenz des KEP Entwicklungsprozesses und die Chance zur Partizipation erlauben es uns Kulturarbeitern, unsere Ziele gemeinsam mit der Politik zu definieren, eine gemeinsame Basis zu schaffen. Der KEP schafft Commitments, gleicht Erwartungen, Möglichkeiten und Ziele ab, schafft einen gemeinsam definierten Rahmen für die Zukunft in höchst prekären Zeiten.
Das geht nicht friktionsfrei, das geht schon gar nicht ohne die erwähnten Zielkonflikte – aber das geht auch nicht ohne strukturierte Prozesse und ohne Tools der Analyse und Planung. Eine SWOT ist ein altbekanntes, etabliertes Instrumenten der strukturierten Analyse sowie (strategischen) Planung. Ich halte es für vermessen, sich darüber lustig zu machen – denn zwischen den Zeilen sagt man damit, dass man auch ohne den Analyseprozess, der einen Bedarf erhebt, Aufgaben und Ziele, Stärken und Schwächen, Potentiale und Risiken betrachtet und somit zur Legitimität der Förderung beiträgt, „einfach so“ Geld haben will. Ich denke, es braucht noch viel mehr Analyse und Planung (nebst Umsetzung) – denn daraus resultieren harte Fakten, die als Argumentationsgrundlage bei den Entscheidungsträgern viel Wert haben. Und ja, qualitative Parameter zu finden und definieren ist schwierig, eine große Herausforderung, die oft redundant erscheint, weil das Postulat, dass künstlerische Qualität nicht messbar sei, ein perfektes Totschlagargument ist. Aber die Mühe lohnt – weil wir alle primär Wirkungszielen folgen und diese einfach vernünftig operationalisieren sollten.
Warum ich dies schreibe? Weil ich als Außenstehender immer wieder beeindruckt bin, wie sehr die Linzer Szene Gewicht in der Mitsprache und Entscheidungsfindung hat, wie viele Möglichkeiten der Partizipation es gibt und welche effektiven Erfolge gefeiert werden können. Ob der nicht zuletzt in der Versorgerin #92 formulierten Kritik möchte ich alle jenen, denen die Chancen der gemeinschaftlichen Zukunftsgestaltung in Linz nicht genug ist (es ist nie genug, keine Frage!) daran erinnern, wie „vergleichbare“ Prozesse in Wien aussehen. Wir haben keinen KEP. Wir haben keine Zielvereinbarungen, wir haben keinerlei objektivierbares Instrumentarium in der Subventionsgewährung und im Subventionscontrolling. Wir haben nur Freunde (oder auch nicht). Es gibt in Wien keine Chance auf wie auch immer geartete Partizipation. Die Wiener Kulturpolitik hat keine Vision, keine Mission, keine manageriale Exzellenz, keine transparenten Strukturen. Die ist mit sich selber und mit „Führern, Narren und Hochstaplern“ (Kets de Vries) der Sorte, über die man laufend in den Medien liest, beschäftigt.

Stefan Parnreiter-Mathys, Kulturarbeiter, lebt und arbeitet in Wien.

Der Lesbarkeit geschuldet wurde auf das ganz selbstverständliche Gendern verzichtet.
S.P

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