»Was immer für Geld gekauft werden kann, der Genuss wird bald schal und bleibt im ‘Uneigentlichen’.« »War hier in dieser Zeitschrift zu lesen. Gemeint war aber nicht, dass der neue LapTop keinen Spaß macht, wenn man weiß, unter welchen entsetzlichen Arbeitsbedingungen junge Frauen in mexikanischen Maquiladoras für Hewlett Packard und Dell arbeiten müssen, sondern überhaupt. Für Geld Gekauftes taugt sowieso nichts, weil der Genuß im »Uneigentlichen« bleibt, sagen die KonsumfeindInnen.
»Eigentlichkeit«, bewies uns Adorno im »Jargon der Eigentlichkeit«, ist ein Hochstapelwort der anti-intellektuellen Intellektuellen, der schlechtgetarnten ReaktionärInnen, die sich damit in höhere Sphären mogeln, »wie wenn es den inneren Rang eines Menschen erhöhte, daß er einer Lehre vom Höheren anhängt.«
Wer sich anmaßt, den Genuß anderer als »uneigentlich« abzuqualifizieren, hat sich auf die Predigtkanzel derer begeben, die seit Jahrtausen-den den Menschen die eh schon viel zu spärlichen Genüsse des Lebens mit Moralin und Höllendrohungen und Todsündenlisten zu verderben versuchen.
Mit einer Leidens- und Verzichtsmoral, die mit Kritik der politischen Ökonomie gar nichts zu tun hat, sondern mit christlich und antisemitisch geprägtem Ressentiment: edel sind Glaube, Liebe, Leben, Eigentlichkeit und unedel ist das Geschäft. Geschäfte machen ist: böse, unheilig, ver-werflich, kurz: jüdisch. (Übrigens eine Denkstruktur, die das Christentum mit dem Islam gemeinsam hat. Auch dem Islam ist der Zins »haram«)
Sexarbeit wird als Inbegriff kapitalistischer Bosheit denunziert, um so die kirchliche Verteufelung der Huren zu säkularisieren. Warum soll es schlimmer sein, jemandem gegen Geld das Geschlecht zu streicheln als die Haare zu schneiden oder den Arsch auszuwischen, wenn man das gerne tut? (und: ist es nicht die Ächtung und Verachtung der Sexarbeit, die sie erst zum so oft entwürdigenden und lebensgefährlichen Job macht?)
Kapitalismuskritik (die im Übrigen nicht mein Geschäft ist, schon gar nicht im 5000 Zeichenformat) hat zu erklären, dass die Bananen, wegen denen Zonengaby*die DDR in den Müllkübel geschmissen hat, aus der erbärmlichsten neokolonialen oder wenn man will: imperialistischen Sklaventreiberei stammen, sonst könnten sie nicht billiger sein als Äpfel. Daß es im Sozialismus nicht deshalb keine billigen Bananen gibt, weil der Sozialismus die Menschen unglücklich machen möchte, sondern weil er auf imperialistische Ausbeutungsstrukturen verzichtet. Zonengaby* zu erklären, dass Bananen nicht glücklich machen, ist nicht Kapitalismus-kritik sondern Lüge. (Bananen machen glücklich. Schon der reine Geruch nach Bananen macht glücklich. Das beweist haarscharf »Oh, wie schön ist Panama!«)
Ist das Jammern über den schalen Genuß der Versuch der Arbeiter-Innenaristokratie auf der Gewinnerseite der Weltökonomie, sich auf eine Leidensstufe zu stellen mit den Subalternen dieser Welt, die gefährliche, oft tödliche Fluchten auf sich nehmen, um zumindest eines Rinnsals der Warenströme teilhaftig zu werden? Und dann begrüßt sie in Traiskirchen Maria Wölflingseder und erklärt ihnen, dass sie das gleich bleiben lassen können. Schauts uns an, Maden im Speck und wir tun mehr sudern als sonst wer auf der Welt. Liebe Armutsflüchtlinge, ihr seht: für Geld Gekauftes macht nicht glücklich, also bleibts wo ihr seids.
Ich vermute, dass Genuß keine ökonomische Kategorie ist. Dem Kapitalis-mus ist es wurscht, ob die Konsumentinnen die Waren genießen oder nur verbrauchen.
Aber dem Widerstand ist es nicht wurscht. Ich jedenfalls stelle mir die permanente Weltrevolution nicht als Passionsdrama mit Märtyrerpathos vor, sondern als Big Party, als Bacchanal, als einen karnevalesken, alles überwältigenden Rausch. Der will geübt sein.
Nach meinem Geschmack geht’s nicht darum Kryptokirchen zu gründen, die Eigentlichkeit im kommunistischen Paradies versprechen, sondern eher darum dem System der Verwertung und Profitmaximierung schon jetzt, hier, heute gerechte Verteilung, Lust, Genuß, Zeit, soziale Reich-tümer abzutrotzen. Alles halbwegs okay Genießbare auf dieser Welt zu genießen, aus den Waren Wunschmaschinen bauen, der Amöboisierung zu restlos verfügbaren Arbeitskraftcontainern rebellische Verbündungen entgegenzusetzen. Sich gemeinsam wehren, wo es nur geht.
Ich habe eine Allergie gegen linke Eschatologien, die eine bessere Zukunft, eine Erlösung versprechen, wenn sie von Leuten versprochen werden, die sich der kapitalistischen Gegenwart so völlig unterwerfen, dass für sie »in unserer Gesellschaft nur zweierlei geboten ist : erstens Produzieren, bzw. Geld machen und zweitens Konsumieren bzw. Geld ausgeben«.
»In unserer Gesellschaft«? Es gibt abertausende von Gesellschaften, ineinander, übereinander, durcheinander, Kulturen und Subkulturen, die auf dem Territorium Österreichs den österreichischen Gesetzen unterworfen und vom österreichischen Staat regiert werden. »Unsre Gesellschaft« ist der Kampfbegriff des leitkulturellen Mehrheitsöster-reichertums.
Und selbst in den mehrheitsösterreichischen Gesellschaften (Ö-Staatsbürgerschaft, abhängig beschäftigt, pensionsversichert, Mundwinkel herabhängend bis zum Knie, 1 Hund) gibt’s immer zumindest ein Drittes neben Produktion und Konsumption: den Verein. Kegelverein. Turnverein. Kameradschaftsbund. Heimatdienst. RapidfanClub. Trachtenverein. Bürgerwehr. Selten Kulturvereine.
Noch seltener Anti-AMS-Angels.
Statt vom Kapitalismus glücklich von allen traditionellen Bindungen befreit, sich neugierig in die lustvollsten und verwegensten Lebensex-perimente zu stürzen, betonieren die Leute sich in superreaktionäre neotraditionelle Denk- und Lebensmuster ein.
Psychomunition dafür ist die Verklemmtheit, die Lustfeindlichkeit, die Suderanz, diese schlecht säkularisierte Religionshörigkeit, die hier den Dschihaddismus gebiert und da Harry Potter als Christusfigur mit Märtyrertod samt Auferstehung entwirft. Pfui.
Im Übrigen ist dieser Text eine Ware, keine Wahrheit.