Interessanterweise legt die Subkultur ein Bekenntnis zur Familienausstellung ab und verweist damit auf eine mögliche Gegenstellung zu einem durchaus bekannten Komplex von urbaner Vereinzelung und gesellschaftlicher Atomisierung. Dass in diesem säuberlich zertrümmerten Universum Helga und Herbert Schager, sowie die Kinder Valarie und Felix mit Ufuk Serbest andere Dimensionen bewohnen, wird klar, wenn Felix Schager sagt: »Wir leben zwar als Familie, aber uns interessiert’s nicht«, was wohl heißen soll, dass Familie nicht biologisch/ideologisch erklärt werden will, sondern bestenfalls - quasi phänomenologisch - für kurze Zeit im Tacheles zur Beobachtung freigegeben wurde. Familie als Pflege des Ähnlichen und als selbstverständliche Praxis von Bindungen und Bezugnahmen, die auf Interesse, teilnehmender Auseinandersetzung und Individualität beruhen. Ufuk Serbest und Valarie Schager auf künstlerische Gemeinsamkeiten befragt: »Die Medien unterscheiden sich bei uns eigentlich nicht so stark, wir alle arbeiten innerhalb der bildenden Kunst mit Bildern, Video, Fotos, Computern, Installationen, etc. Aus einem harmonischen Hintergrund in der Weltsicht, aus Überschneidungen in den Ansichten entwickelt jedes Familienmitglied aber unterschiedlichen Bearbeitungen und Stile« – und im Vordergrund stehe aber ohnehin die künstlerische Präsentation der/des Einzelnen.
Den harmonischen Background schlechthin bildet sicherlich die Subkultur. »Die Kinder finden sich heute dort wieder, wo wir aus Ermangelung noch mit aufgebaut haben - schlichtweg«, so Herbert Schager, »weil in den 70er und 80er Jahren bei uns nichts Spannendes vorhanden war.« Zur Subkultur als Inspiration befragt, sagt Helga Schager: »Egal wo wir hingekommen sind, haben wir uns in diesem Mind von Subkultur wieder gefunden, in diesem großzügigen offenen Vollzug von Gesellschaft, wo zwar wenig Mittel vorhanden sind, es dafür aber umso mehr brodelt«. Ein energetisches Netzwerk, das die beiden unter anderem bis nach Brasilien, Bolivien und mehrfach nach New York geführt hat.
Jetzt, im Berliner Tacheles, werden jedenfalls Arbeiten gezeigt, die zwischen Spieltrieb und Action, politischem Engagement und kunstgeschichtlichen Traditionen, Haptik und Virtualität angesiedelt sind. Exemplarisch hier einige wenige Sätze zu Arbeitsansätzen und gegenseitigen Bezugnahmen: Für Helga Schager sind Sprache und Symbolik oftmalig zentrales gestalterisches Element, Sprache wird mitunter durch »Signalwörter« auf ihren assoziativen Gehalt befühlt. Politisches Engagement und konzeptuelle Arbeit lassen sich bei Valarie Schager und Ufuk Serbest unschwer erkennen. In einer Fotoserie dokumentierten sie etwa Folgewirkungen der Hisbollah, Ausnahmezustand und eine undurchsichtige Zweiteilung in der Stadt veranlasste die beiden, Bilder von kaputten Häusern auf intakte Häuser zu projizieren. Spieltrieb kennt Felix Schager durch eine starke Bezugnahme auf die Ästhetik von Computerspielen. Spiel entsteht in Videos u.a. durch unterschiedliche Tempi von Alltag und Action sowie einer Dramaturgie von Alltagsgesten, zum Beispiel von Handschlagqualitäten (»Privatpolitisch peinlich«). Die computerbearbeiteten Fotos Herbert Schagers zitieren unter anderem die Tradition der Selbstbildnisse. In Bilderserien (»Stencils«, »Brazil«, »CSI«) arbeitet er mit einem Material von äußerer Welt, in das er Bildfragmente, visuelle Versatzstücke sowie Selbstporträts montiert. Herbert Schagers Bilder erzählen von einem Leben mit echten und falschen Faksimiles, gleichermaßen vom Wunsch nach Verrückung von sozialen und politischen Gegebenheiten sowie von einer gegenseitigen Aufhebung von Virtualitäten.
»Das Tacheles zeigt bewusst diese generationsübergreifenden Arbeiten als Argument in der beginnenden Sinn- und Systemdiskussion […]«, so Martin Reiter vom Tacheles. »Die Uniformität und Gleichmacherei unserer marktwirtschaftlich dominierten Tatsächlichkeit ist weder Schicksal noch Vorsehung […] Dort wo der /die gemeine westliche KuratorIn in Ratlosigkeit verfällt und die Dinge (Kunst und KünstlerIn) belanglos durcheinander würfelt […] bietet die Ausstellung im Tacheles eine neue Perspektive […]«. Eine Argumentation, die das Konzept Familienausstellung mit seinen gewachsenen Bezugnahmen durchaus zur Innovation befördert, weil es damit eine substanzielle Kritik am herkömmlichen Kunstsystem anbringt. Es wird eine Kuratorenschaft kritisiert, die auf einer abstrakten Ebene mit einer quasi nichtsubstanziellen Vertextlichung der Kunst arbeitet und diejenige Kunst exkludiert, die sich nicht in einen aktuellen Diskurs von Mainstream absorbieren lässt. Kunst, oder vielmehr Künstler, die sich nicht arbeitsteilig und marktwirtschaftlich in ein gemachtes Konzept und als geschlossener Text subsumieren lassen, werden bis zur Nichtexistenz dematerialisiert. Es blühen zudem so kuriose Blüten, dass sich Künstler zunehmend über Strategien des Marktes zu unterhalten scheinen und umgekehrt sich Eventmanager als Künstler inszenieren, schlichtweg weil sie es sich leisten können, im globalen Kunstsupermarkt »internationales« Shopping zu betreiben. Alles in allem etwas ernüchternd: Schon längst an ihr produktives Ende gekommene Zusammenhänge, trotzdem kein Ende in Sicht. Sehen wir uns lieber den Katalog der Schagers an, Infos im Netz: http://super.tacheles.de/cms/new_site/abfrag4_detail.php?id=84