myco-logick

crashintro über pilzlogik von taro.

pilze sind die großen wiederverwerter unseres planeten, sie zerlegen größere organische moleküle in einfachere formen, die wiederum andere organismen nähren. mit der bezeichnung pilz ist hier eigentlich das myzel gemeint, jenes meist unsichtbare netzwerk fadenförmiger zellen einer gruppe von lebewesen, die geschätzte 1 bis 2 millionen verschiedene arten umfasst. das reich der pilze hat um ein vielfaches mehr arten als das pflanzenreich. etwa 10% davon bilden unter bestimmten bedingungen fruchtkörper, die im allgemeinen sprachgebrauch als pilze bezeichnet werden. pilze haben einen großen einfluss auf unsere umwelt, der weit darüber hinaus geht, dass einige vertreter von ihnen fruchtkörper ausbilden, die [unter anderem] als nahrungsmittel genutzt werden können. ohne pilze würden alle uns bekannten ökosysteme scheitern. sie sind der »interface-organismus zwischen leben und tod.«[1] paul stamets, ein erfahrener amerikanischer mykologe, bezeichnet das myzel als das »neurologische netzwerk der natur. verwobene myzel-mosaike durchziehen lebensräume mit informationsverarbeitenden membranen. diese myzele sind bewusst, reagieren auf veränderungen und sind kollektiv auf das langfristige wohlergehen ihrer wirtsumgebung ausgerichtet. sie stehen in ständiger molekularer kommunikation mit ihrer umgebung und entwickeln dabei vielfältige enzymatische und chemische reaktionen auf komplexe herausforderungen. diese membrane fungieren als kollektives pilzartiges bewusstsein.«[2] sie sind in ständigem austausch mit ihrer umgebung, sie beeinflussen und reagieren auf den fluss essentieller nährstoffe im kreislauf der nahrungskette. viele davon leben in symbiotischer beziehung zu ihrer umwelt. die meisten ökologen gehen mittlerweile davon aus, dass beispielsweise die vitalität eines waldes in direktem zusammenhang mit dem auftreten, der häufigkeit und der vielfalt von pilzen steht. mykorhiza genannte pilze gehen verbindungen mit gleichzeitig mehreren, verschiedenen baumarten ein und sorgen für eine bedarfsorientierte verteilung von nährstoffen untereinander. manche forscher sehen darin eine form von zellulärer intelligenz, vermuten, dass diese netzwerke auf einer höheren stufe von komplexität arbeiten als die modernsten supercomputer oder das menschliche hirn, bezeichnen es als »das natürliche internet der erde, ein bewusstsein, mit dem wir möglicherweise kommunizieren können.«[3] das myzel ist im wesentlichen eine »verdauende zelluläre membran, eine fusion aus magen und hirn, ein nährstoffe und informationen teilendes netzwerk.«[4] abhängig von unserem verständnis bezüglich informations-netzwerken und ihren vielfältigen formen werden sich uns in zukunft neue mikrobiotechnologien ermöglichen.

möglicherweise sind pilze nicht nur auf der erde verbreitet. eine von vielen theorien geht davon aus, dass leben nicht nur auf der erde existiert, sondern über den gesamten kosmos verteilt auftritt, wahrscheinlich überall, wo wasser in flüssiger form vorhanden ist. manche astrobiologen vermuten, dass vorläufer von dns im kosmos gebildet werden/wurden als unvermeidbare konsequenz sich organisierender materie. die hypothese der panspermie besagt, dass leben im gesamten universum verteilt existiert und sich in form von keimen oder sporen darin verbreitet. auch auf die erde sollen so die ursprünge des irdischen lebens gekommen sein. svante arrhenius, ein vielseitiger physiker und chemiker aus schweden, war der erste, der sich ausführlich damit beschäftigte und erörterte 1903 im lehrbuch der kosmischen physik und 1908 in das werden der welten die »entführung von sporen durch den strahlungsdruck der sonne« [das phänomen der sonnenwinde war damals noch nicht bekannt] bzw. den »transport von sporen durch die atmosphäre in den weltenraum und weiter durch diesen zu anderen planeten«. in den 1970er jahren wurde diese hypothese von francis crick, einem britischen physiker und biochemiker, als gerichtete panspermie [directed panspermia] wieder aufgegriffen. im buch life itself spekuliert er, warum das leben nicht auf der erde begonnen haben kann, sondern an einem anderen ort im universum entstanden sein muss und von dort in form von genetischem material auf die erde geschickt wurde. das könnte unter anderem erklären, warum das erste irdische leben offensichtlich unmittelbar mit dem vorhandensein des ersten flüssigen wassers bzw. der ersten ozeane auftrat.
viele sporen, unter ihnen auch manche pilzsporen, sind extrem widerstandsfähig und können oft sehr lange unter sehr unwirtlichen bedingungen überleben. vermutlich können einige sogar der kosmischen strahlung trotzen.

das leben [auf dieser erde] wäre ohne unsere mitbewohner aus dem reich der pilze offensichtlich so nicht möglich & was sie zusätzlich noch ermöglichen [könnten] liegt wohl jenseits unseres derzeitigen vorstellungsvermögens...
myco-logick ist eine serie von projekten: eines der projekte wird im zuge der 48-stunden performance der stwst während des ars-electronica festivals stattfinden. es werden mehrere wetterballons mit bestimmten sporen und helium gefüllt und gestartet. während ihres aufstiegs vergrössern sich diese aufgrund des nachlassenden luftdrucks auf ein vielfaches ihrer ursprünglichen grösse und explodieren schliesslich in der stratosphäre, auf einer höhe von etwa 30km. dabei entlassen sie ihre fracht, die weiter in den weltraum hinausgetragen wird und/oder auf die erde zurückfällt – möglicherweise treffen sie irgendwo auf geeignete bedingungen um ihre informationen zu erweitern bzw. zu verbreiten.

[1,2,3,4] Paul Stamets, Mycellium Running