»Jedoch es gibt im Leben immer wieder Neider
Die Ärzte ham ihr’s Handwerk abgestellt.
Die machen heut genau dasselbe, aber leider
Verlangens dafür zehn mal so viel Geld.«
So singt Helmut Qualtinger vom Ende des Berufsstandes der Engelmacherin. Der Schwangerschaftsabbruch kostet die Patientin nicht nur »zehn mal so viel Geld«, sondern ist auch moralisch beladen wie kein anderer medizinischer Eingriff. Ein Rückschritt in Richtung Fremdbestimmung von Frauenkörper und Familienplanung wird sich allemal nur verhindern lassen, wenn viel und auf hohem Informationsniveau diskutiert wird.
Wir haben bei einer Filmemacherin, einer Juristin und einem Gynäkologen nachgefragt.
Die Legende vom Storch ist bekannt: Er bringt die Kinder und macht die Mutter mit einem Biss ins Bein bettlägrig – vornehmlich seit dem 19. Jahrhundert, dem europäischen Zeitalter der sexuellen Prüderie. Der Frosch hingegen, natürlicher Gegner des Storchs, weil er schlicht um sein Leben fürchtet, bringt die Kinder nicht, sondern sagt sie voraus: zumindest der Xenopus laevis, auch Krallen- oder Apothekerfrosch genannt. Seine Gabe ist weniger die Wahrsagerei als die Reaktionsfähigkeit auf das menschliche Schwangerschaftshormon. Injiziert man dem Froschmännchen den Morgenurin einer schwangeren Frau in den Lymphsack, so beginnt er innerhalb weniger Stunden, Spermien zu produzieren. Das fand ein chilenischer Wissenschaftler in den 1940er Jahren heraus. Der erste Schwangerschaftstest war geboren.
Dieser »Froschtest«, der in Apotheken betrieben wurde und den potentiell Schwangeren schnelle Auskunft über ihren Zustand gab, wurde in den 1960er Jahren »wegen der Etikette« von der österreichischen Ärztekammer zurückgedrängt. Das erfährt, wer sich Susanne Rieglers neuesten Dokumentarfilm ansieht: »Der lange Arm der Kaiserin. Die Geschichte des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich«.
Dein Bauch gehört mir
Wobei der Abbruch in den 1960er Jahren ohnehin noch gar nicht erlaubt war. Die Geschichte der Strafbarkeit ist eine, die in Österreich bei Maria Theresia ansetzt: Sie hat, so der Gynäkologe Christian Fiala, den Abbruch nicht nur verboten, sondern auch gleich mit der Todesstrafe geahndet, ein rein moralischer Schachzug, der dazu führen sollte, »dass sie genügend Soldaten hat für ihre Kriege.« Die Motivation, den Abbruch zu verhindern oder zu verbieten, hat sich über die Jahrzehnte immer wieder verschoben. War es unter Maria Theresia bis in den ersten Weltkrieg vor allem das »Soldatenmaterial«, so wurde der Bedarf an Menschen im Allgemeinen bald ideologisch überlagert: Unter den Nazis war nicht jede Abtreibung streng verboten und zuletzt sogar mit der Todesstrafe geahndet, sondern nur die, die »arischen« Nachwuchs verhinderte. Auch die Höhe der Strafe und die vom Strafrecht Betroffenen variierten quer durch die Regime: Einmal waren es die Schwangeren selbst, dann wieder die den Abbruch ausführenden Personen, die strafrechtlich härter verfolgt wurden.
»Die letzte Frau, die in Wien exekutiert wurde, weil sie Abbrüche durchgeführt hatte, wurde im Januar 1945 exekutiert. Im Urteil heißt es, extrem zynisch, ‚Es war besonders schädlich, Abbrüche durchzuführen im vierten Kriegsjahr, wo doch jeder wissen müsste, wie dringend das Reich Soldaten braucht.‘« Belege dafür finden sich im von Fiala geleiteten »Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch«, das im gleichen Haus am Mariahilfergürtel seinen Sitz hat wie das Ambula-torium »gynmed« – eines der wenigen, in denen in Österreich zu tragbaren Kosten Abbrüche durchgeführt werden.
Auch hier ist man nicht von den »Fundis« verschont, die am gegenüberliegenden Grünstreifen stehen und großformatige Bilder in der Hand halten, die auf den Kindsmord gegen Gottes Willen hinweisen, den ein Abbruch für sie bedeutet. Als ich nach dem Interview mit Christian Fiala das Haus verlasse, hat mir einer von ihnen ein Flugblatt in den Fahrradkorb gelegt. Darin werde ich aufgefordert, »es mir noch einmal zu überlegen«, immerhin sei da bereits »ein Mensch« vorhanden, den ich – um Gottes Willen – nicht umbringen lassen könne.
Da hat sich also die Forderung, den Bauch und alles, was sich darin tut, jenen zu überlassen, denen er gehört, sichtlich nicht in allen Köpfen durchgesetzt. Die Motive sind für Fiala nach wie vor nicht gesundheits- sondern machtpolitische: »Heute sagen die Mächtigen politisch korrekt, wer zahlt unsere Renten?, aber es bleibt das gleiche Denkschema – machtpolitisch, mechanistisch, sehr menschenverachtend. Dem gegenüber stehen die einzelnen, deren primäre Sorge ist, wie kann ich eine Familie gründen, für wie viele Kinder kann ich verantwortungsbewusst sorgen? Diese Entscheidung über das Intimste im Leben muss man dem Staat entreißen.«
Schlafende Hunde raus aus dem Strafrecht!
Für eine »gmahde Wiesn« hält auch die Journalistin und Filmemacherin Riegler die Abbruchdebatte nicht. In ihrem Film, den sie der Optimistin Johanna Dohnal gewidmet hat (»Wenn die Fristenregelung rückgängig gemacht wird, gehen die Frauen auf die Straße«, war die überzeugt), lässt sie vor allem Frauen zu Wort kommen, die in einer Zeit der Illegalisierung einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen. Zum Beispiel Freda Meissner-Blau, die den Eingriff, bar aller Schmerzmittel, ausgerechnet in einem Hinterzimmer in Rom über sicher ergehen ließ; und nicht schreien durfte, »damit die Nachbarn nichts hören«. Christine Käfer, Enkelin einer Josefstädter »Engelmacherin«, spricht vom Gewerbe der Großmutter (deren Tätigkeit immer wieder von Gefängnisaufenthalten unterbrochen, aber durchaus angesehen war), bei der sie »auch lernen hätte sollen«, wäre ihr nicht schon vom Zusehen übel geworden. Und der Wiener Gynäkologe Alfred Rockenschaub, in den 1970ern Arzt an der Semmelweisklinik, erzählt von seinem Beitrag zum Ende der Illegalisierung.
Das Fazit des Films bleibt: auf die Errungenschaften aufpassen! Jahrzehntelange Kämpfe der Frauenbewegung brachten 1975 mit der »Fristenregelung« eine teilweise Legalisierung des Abbruchs. Er verblieb damit zwar im Strafrecht, aber de facto als »totes Gesetz«, das nicht exekutiert wird. Was wiederum durchaus nicht in Stein gemeißelt ist. Verfolgt man die europaweite Kampagne »One of us« (die kurz gesagt fordert, dass die EU keine Unternehmungen wie Stammzellenforschung oder Schwangerschaftsabbrüche mitfinanziere), oder hört man – so man es erträgt – den »Reformkonservativen« Ewald Stadler den Schutz des Lebens von Ei- und Samenzelle predigen, dann hat man nicht mehr das Gefühl von ein paar verstreuten Fundis, die ihre letzten reaktionären Felle davonschwimmen sehen. Wieso vernimmt man aber ausgerechnet aus der mitregierenden SPÖ, die sich mit Dohnal die Fristenregelung auf die parteihistorischen Fahnen schreiben darf, keine Widerrede mehr? »Aus Sorge, man könnte da schlafende Hunde wecken«, denkt Susanne Riegler.
Genau aus diesem Grund haben einige politisch engagierte Frauen, darunter die Juristin Brigitte Hornyik, die facebook-Gruppe »Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht!« gegründet. »Wir wollten das Thema wieder in den politischen Diskurs einbringen, weil wir es satt haben, immer zu hören was alles NICHT geht, dass das Thema ‹heikel› ist, besonders im Wahlkampf – und irgendwo ist immer Wahlkampf.« Den Abbruch aus dem Strafrecht – wo kein anderer medizinischer Eingriff zu finden ist – rauszuholen, ist nicht das einzige Ziel der Initiative: »In absehbarer Zeit hoffen wir mehr auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, wie Durchführung des Abbruchs österreichweit in öffentlichen Spitälern, Kostenregelungen, Kostenzuschüsse.« Tatsächlich gibt es nämlich nur drei öffentliche Krankenhäuser (Korneuburg, Salzburg, Linz), in denen ohne Hürden und zu normalen Kosten ein Abbruch in Anspruch genommen werden kann. In anderen sind die Kosten höher oder es werden Schranken wie etwa die Pflichtberatung eingeführt, die im Gesetz nicht vorgesehen sind. In mehreren Bundesländern gibt es überhaupt kein öffentliches Krankenhaus, das Abbrüche durchführt. Am Sektor der niedergelassen Ärzt_innen finden sich zwar einige, die den Abbruch anbieten, aber »brutto für netto«. Die Zugangshürden sind also keine rechtlichen, sondern eine Mischung aus moralischen und finanziellen.
Einzigartig ist der Schwangerschaftsabbruch auch darin, dass Ärzte und Ärztinnen sich aussuchen können, ob sie seine Durchführung mit ihrem »Gewissen« vereinbaren können. Diese so genannte »Gewissensentscheidung« findet Christian Fiala unglaublich:
»Wenn ich kein Benzin riechen kann, dann werd’ ich nicht Tankstellenpächter. Wenn ich kein Blut sehen kann, dann werd’ ich nicht Chirurg. Ist ja kein Problem!«. Zum Problem werde es erst dadurch, dass nicht die Ärzt_innen, sondern die Patientinnen die Konsequenzen tragen müssen: »Das ist eine mentale Unfähigkeit, den Berufspflichten nachzukommen. Dann muss aber auch ich die Konsequenz ziehen und mich versetzen lassen an eine Position, in der ich meinen Beruf ausüben kann – ich kann Röntgenarzt werden oder in die Ärztekammer gehen als Beamter. Ich kann nicht sagen, ich möchte den Schutz meiner Tätigkeit genießen und mein Gehalt beziehen und die anderen müssen sich nach mir richten.«
Kegele vs. Küng
Zu hoffen bleibt, dass wir, wie Fiala es formuliert, aus der Geschichte und den vielen internationalen Beispielen »lernen, dass Restriktionen nichts bringen und dass die schwangere Frau die einzige ist, die eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen kann.« Damit die Generation, die legal einen Abbruch vornehmen kann, sich nicht dafür genieren muss. Die jüngste Interviewpartnerin in Rieglers Film möchte bezeichnender Weise anonym bleiben: »I will ned, dass Leute, die glauben, i hab jetzt wen umbracht, mit’m Finger auf mi zeigen«.
Zumindest scheint die Debatte inzwischen aus dem leidigen Dornröschenschlaf erweckt zu sein und treibt durchaus auch positive Blüten. Rieglers »Langer Arm der Kaiserin« ist Ende Jänner im ORF III-Hauptabendprogramm gelaufen. Die Bachmann-Publikumspreisträgerin Nadine Kegele hat im »Standard« dem erzkonservativen Bischof Küng Kontra gegeben: Er, der sie gefirmt hat, soll sich besser nicht in die Bauchangelegenheiten von unsereins einmischen. Es steht im nicht und es steht ihm nicht zu. Im Netz kursiert – zur Unterhaltung – ein Interview mit dem »State Legislator John Buchy« aus Ohio, der den Abbruch illegalisieren möchte. Auf die Frage der Reporterin, »Warum meinen Sie, möchte eine Frau abtreiben?«, antwortet er nach kurzem Hin- und Herüberlegen: »Das ist eine Frage, über die ich noch nie nachgedacht habe.« Na dann, nur zu!
»Der lange Arm der Kaiserin«
Dokumentarfilm, 2012, 64 Minuten, DVD 22 Euro
www.derlangearmderkaiserin.at