Im März dieses Jahres machte sich der namibische Gewerkschafter Herbert Jauch zu einer Vortragsreise durch Deutschland und Österreich auf. Seine Botschaft war eine ebenso einfache wie für viele Menschen verblüffende: Bedingungsloses Grundeinkommen funktioniert. Zumindest in einem namibischen Dorf, wo seit mehr als zwei Jahren an alle BewohnerInnen ein bedingungsloses Grundeinkommen ausbezahlt wird. Dabei waren, so betonte Herbert Jauch in seinen Vorträgen, die Aussichten für das Gelingen dieses »Feldversuches« zum Grundeinkommen bei weitem nicht die besten. Denn es wurde für dieses Projekt bewusst ein Dorf ausgesucht, in dem die Bedingungen unter dem ohnehin niedrigen namibianischen Durchschnitt lagen.
Geschichte
Nach einer längeren stetigen Landnahme durch deutsche Siedler, wurde das heutige Namibia 1884 zur deutschen »Schutzzone« und später zur deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika erklärt. Dieser neue Status, aber vor allem reiche Diamantfunde führten zu einem verstärkten Zuzug (meist deutscher) Händler und weiterer Farmer. Die Folgen waren eine schnelle Verarmung der einheimischen Bevölkerung und die Zerstörung bestehender Wirtschaftskreisläufe. Die schwarze Bevölkerung (in ihrer Mehrheit Herero) waren sehr bald darauf angewiesen, sich als Lohnarbeiter bei den deutschen Siedlern zu verdingen. Aufstände der Hereros und anderer Gruppen wurden mit unmenschlicher Brutalität niedergeschlagen. So wurden die Hereros nach ihrer Niederlage im August 1904 in eine beinahe wasserlose Wüste gejagt und von den wenigen dort vorhandenen Wasserstellen vertrieben. Wer dennoch dem Tod durch Verdursten entkommen wollte, wurde gemäß eines Vernichtungsbefehls von General Lothar von Trotha erschossen.
Während des Ersten Weltkrieges wurde das Land von Südafrika besetzt und geriet 1920 nach einem Beschluss des Völkerbundes unter südafrikanische Verwaltung. Trotz der nun folgenden »Südafrikanisierung« behielt die deutschstämmige Minderheit ihre politische und ökonomische Macht. Zwar gelang es der Südwestafrikanischen Volksorganisation (SWAPO) ab 1973 von der UNO das Alleinvertretungsrecht für Namibia zuerkannt zu bekommen, doch erst am 21. März 1990 erhielt das Land, nach mehr als 100 Jahren Fremdherrschaft, die Unabhängigkeit.
Nach der Unabhängigkeit
Obwohl die sozialistisch orientierte SWAPO nun auch formal die Macht in Händen hielt, war 1990, nach dem Zusammenbruch des realen Sozialismus, nicht an die Umsetzung sozialistischer Ideen zu denken. Der Kapitalismus feierte gerade seinen Endsieg und neoliberale Wirtschaftstheoretiker wurden als Heilsbringer verehrt. Unter diesen Umständen war es ein Leichtes, zwar die politische Macht in die Hände schwarzer Politiker zu legen, die ökonomische Macht aber bei den bisherigen Eliten zu belassen. Naomi Klein beschrieb die Methode, diesen Übergang von einem Rassenregime zu einem beinahe lupenreinen Neoliberalismus als Schockstrategie (Klein 2007, 275-286). Gemäß dem schon von Margaret Thatcher formulierten Grundsatz, dass, wenn man die fettesten Pferde füttert, auch mehr Pferdeäpfel für die Spatzen abfielen, wurden nach der Unabhängigkeit weder Reichtum noch Land neu aufgeteilt. Da in den Folgejahren viele schwarze ArbeiterInnen von den Farmern entlassen wurden und damit oftmals auch ihre Wohnmöglichkeiten verloren, verschärfte sich die Armut in Namibia unter der neuen schwarzen Regierung noch weiter.
Bedingungsloses Grundeinkommen für ein Dorf
In dieser Situation machte sich eine aus linken Kräften, Gewerkschaft und kirchlichen Organisationen bestehende Koalition für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle namibischen StaatsbürgerInnen stark. Im damals weltweit herrschenden neoliberalen Klima stieß diese »Grundeinkommens-Koalition« aber bei den Regierenden auf taube Ohren. Nach Jahren des vergeblichen Argumentierens entschlossen sich die GrundeinkommensaktivistInnen, ihren Vorschlag in einer Art Versuchsanordnung einfach einmal vorzuführen. So wurde ein Dorf in Zentralnamibia ausgewählt, in dem man aus Spendenmitteln ein bedingungsloses Grundeinkommen einführte. Es handelte sich dabei um ein kleines, von kommerziellen Großfarmen umgebenes Dorf mit etwa 1000 EinwohnerInnen. Dieses Dorf war auch für namibische Verhältnisse dermaßen arm, dass man sich sagte, »Wenn es hier gelingt, dann kann es im ganzen Land gelingen.« So wurde der Bevölkerung dieses Dorfes monatlich bedingungslos und ohne Auflagen 100 Namibien-Dollar (ca. 10 Euro) pro Kopf ausbezahlt. Außer einer begleitenden Erforschung und Dokumentation, wie sich das Leben der Menschen veränderte, wurden keine weiteren Interventionen gesetzt.
Nach zwei Jahren konnten ungemein beeindruckende Ergebnisse präsentiert werden. Sowohl die Gesundheit der Menschen wie auch die Schulleistungen der Kinder erfuhren eine wesentliche Verbesserung. Viele BezieherInnen des bedingungslosen Grundeinkommens nutzten das Geld, um wirtschaftliche Aktivitäten zu beginnen. So wurden Kleider, Ziegel, Brot und noch vieles mehr produziert. Diese Waren konnten im Dorf selbst abgesetzt werden, da durch das Grundeinkommen auch die notwendige Kaufkraft existierte. Die nun entstandene Geldzirkulation innerhalb des Dorfes hatte den Effekt, dass die Menschen durch die Anstoßfinanzierung des Grundeinkommens mehr Einkommen für sich selbst und ihre Familien lukrieren konnten. Damit konnte ein weit verbreitetes Gegenargument entkräftet werden: Grundeinkommen macht die Menschen nicht faul, sondern aktiviert viele zu verstärkter wirtschaftlicher Tätigkeit. Vielmehr konnte gezeigt werden, dass Armut die Menschen in Armut gefangen hält. Wenn es gelingt, diese Armutsschwelle zu überschreiten, so können die Menschen aus eigener Kraft noch mehr daraus machen.
Betrachtet man diese Entwicklung parallel zu der ebenfalls festzustellenden Verbesserung der Gesundheits- und Bildungssituation, so zeigt sich, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur ein geeignetes Mittel zur Armutsbekämpfung in Namibia darstellt, sondern auch einen wertvollen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des gesamten Landes leisten könnte.
Trotz dieser sehr ermutigenden Ergebnisse konnte die Regierung in Namibia bis dato allerdings nicht dazu bewogen werden, die Einführung eines landesweiten Grundeinkommen ins Auge zu fassen. Allerdings hat das Projekt international für genügend Aufsehen gesorgt, um ein bedingungsloses Grundeinkommen als ernsthafte Alternative zu bisherigen Modellen der Armutsbekämpfung zu etablieren.