»from dust till dawn«, eine 2006 durch servus.at produzierte interaktive Sound-Installation von Markus Decker und Didi Offenhuber wurde beim internationalen FILE-Festival in São Paulo mit einer »Honorable Mention« in der Kategorie »Electronic Sonority« ausgezeichnet und nach Brasilien eingeladen.
FILE- the International Festival of Electronic Language ist das größte Kunst- und Technologie-Festival in der Nation der freien Kultur- und Freien Software-Bewegung. Seit einigen Jahren verfolgt Brasilien eine ganz eigene Entwicklungspolitik. Durch besondere kommunale und landesweite Maßnahmen, wie der Förderung von Infrastruktur, freier Software und Open Source Software (FLOSS), gelangten Brasiliens Aktivitäten in den Mittelpunkt zahlreicher internationaler Online-Artikel und das Land ist mit seiner freien Kultur-Bewegung nach wie vor sehr präsent auf diversen Medienkultur-Veranstaltungen in ganz Europa.
Das FILE-Festival ist ein Festival, das Kunst und Technologie verbindet, aber verglichen mit ähnlichen Festivals, wie auch der Ars Electronica in Europa, verfolgt FILE kein jährliches Thema, sondern hat sich zum Ziel gemacht, die interessantesten künstlerischen Produktionen im Feld elektronischer und digitaler Kunst zu fördern und zu zeigen. Entstanden ist das Festival vor zehn Jahren. Die InitiatorInnen Ricardo Barreto und Paula Perissinotto, selbst aus der Kunst kommend, organisierten die ersten Events nur online. Auch der Name stammt aus dieser Zeit. Bis zum heutigen Stand haben die beiden das Interesse und die Sensibilität für Kunst und Technologien in São Paulo, wie auch in anderen Städten Brasiliens, geprägt und es geschafft, das FESTIVAL in eine beachtliche Größe weiterzuentwickeln. Wir waren gespannt wie sich so ein Festival in Südamerika anfühlen wird!
2010 fand das erste Mal der Award »File Prix Lux« mit unterschiedlichen Kategorien statt, wo wir »from dust till dawn« eingereicht haben. Durch ein Public Voting und eine Jury sollten die besten Arbeiten in den Kategorien interaktive Kunst, digitale Sprache und Electronic Sonority ausgewählt werden.
»from dust till dawn« ist eine psychodelische Noise-Disco, wo monochromatisches Licht durch Bewegung aufgewirbelten Staub sichtbar und hörbar macht. Mit der Zeit hinterlässt Staub seine Spuren auf den im Raum plazierten Plattenspielern und Platten. Die Tonabnehmer geben durch die Verschmutzung mehr und mehr Lärm wieder. Die Intensität und Richtung des Lärms hängt von den erzeugten Staubwolken ab und diese erzeugen einen optoakustischen Sog. Das als Experiment gedachte Setup für eine Garage in einem Hinterhof wurde auch bei dem Public Voting gewählt und von der Jury mit einem Preis ausgezeichnet. Nach den Stationen Linz 2006, Zagreb 2008 und Instanbul 2009 sollte »from dust till dawn« also das vierte Mal im Kontext einer Ausstellung gezeigt werden.
Ankunft São Paulo
Mit dem ausgefüllten Einreiseformular war nun eine Stunde Schlange stehen am Plan, ehe endlich die ersten Bilder der Megacity am Weg zum Hotel mit dem Taxi an uns vorbeiziehen. Die Fahrt in einer nicht enden wollenden Perlenkette von Autos und Motorrädern, die sich in Gruppen durch den Verkehr schlängeln, vermitteln schon einen winzigen Eindruck von der Dimension São Paulos. Die heutige Cashcow Südamerikas ist erst am Ende des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung explosionsartig gewachsen.
Nach einer Stunde Taxifahrt erreichen wir das Hotel auf der Via Paulista. Es dauert nicht lange bis auch unser Dritter im Bunde, Didi Offenhuber, in der Hotel Lobby auftaucht, gefolgt von weiteren Bekannten wie Erich Berger, Peter Votava (DJ Pure) und Jörg Piringer. Nach dem ersten gemeinsamen Frühstück und dem Genuss frischer Papayas war keine Zeit zum Ausrasten. Unser erster Termin um 11.00 Uhr im Teatro do Sesi-Sp (Bild 2), dem Ausstellungsort war bereits fixiert. Der kurze Spaziergang dorthin hat mich ein bisschen an den Financial District New York erinnert, bis auf diese unglaublichen Steigungen vom Hotel zur Paulista Avenue. Gleich beim Eingang des Gebäudes müssen wir zahlreiche Security-Leute in schwarzen Anzügen passieren. Es wird schnell klar, wir sind in der Gegend der Reichen. 30% des Staatsbudgets werden in Security und Sicherheit investiert, erfahren wir später bei einem Empfang von einem österreichischen Juristen, der schon einige Jahre in São Paulo lebt.
Wir treffen auf die ersten Produktionsleute vom Festival und werden sehr herzlich von Ricardo Barreto und Paula Perissinotto begrüßt. Die Situation scheint irgendwie vertraut. Alles ist noch leer bis auf diverses Equipment und Rechner die herumstehen.
Die nächsten drei Tage waren wir, wie schon ein bisschen befürchtet, hauptsächlich damit beschäftigt, die Installation aufzubauen. Viel Wartezeit auf diverse Kabeln, die ungewohnte Schwierigkeit 110V und 220 Volt aus unterschiedlichen Steckdosen zu bekommen und kein taugliches Wlan für LinuxuserInnen haben die Arbeitstage begleitet. Die letzte Schwierigkeit konnten wir jedenfalls mit einigen KünstlerInnen aus Südamerika teilen beim Wettlauf zu den wenigen Stellen, wo wir unsere Netzkabeln anhängen konnten. Bei diesen neuen Bekanntschaften wurde auch schnell klar, dass diese KünstlerInnen selbstverständlich Linux und freie Software verwenden.
Immerhin funktionierte »from dust till dawn« am Vormittag vor der Eröffnung. Ricardo Barreto, der Festival-Direktor hat sich jedenfalls selbst davon überzeugt und hat beim Ausprobieren von »from dust till dawn« mächtig Spaß gehabt. Nun kamen sämtliche Leute die Installation ausprobieren und verteilten mit den Schuhen den Staub in der ganzen Ausstellung. Von dem Zeitpunkt an waren wir mehr oder weniger verfolgt vom armen Reinigungspersonal. Es war ja kurz vor der Eröffnung und alles musste sauber sein!
Am Abend der Eröffnung und der Verleihung des Preises konnte unser Kollege Didi nicht mehr dabei sein. Markus und ich nahmen den Preis entgegen. Unser Verdacht, dass ÖsterreicherInnen in der Jury gesessen haben, hat sich erst an diesem Abend als falsch erwiesen. Es waren Anna Barros/Brazil, Pau Waelder Laso/Spain, Edson Zampronha/Spain/Brazil, Melinda Rackham/Australia, Vivian Caccuri/Brazil, Wayne Ashley/United States.
Nach der Feierlichkeit waren Schlangen wie am Flughafen vor »from dust till dawn« und unsere Befürchtung war groß, dass am nächsten Tag alles hin sein würde. Das war erstaunlicherweise nicht der Fall. Die Putzfrauen aber rächten sich an uns und wischten auch den gesamten Staub aus der Installation.
ur.
www.servus.at/dust
http://www.file.org.br/