Nur mal so angenommen, was, wenn wirklich nicht gelogen wird? Wenn also nicht geglaubt wird, die Wahrheit zu sprechen (das geht nach ein paar NLP-Wochenend-Seminaren locker von der Zunge), sondern es gewusst wird, dass die Weste weiß, die Geldflüsse transparent, die Konten nicht schwarz sind? Weil dann stellt sich die Frage ja auch ganz anders. Sollten sich einige der jetzt im Umlauf befindlichen Ungereimtheiten als doch legal erweisen, geht es nicht nur um gefinkelte Finanztransaktio-nen, sondern um die viel grundsätzlichere Frage nach einem System innerhalb dessen solchen Geschäfte möglich und sogar auch noch gewünscht sind. Wenn es darum geht, mit allen möglichen Mitteln das private Gewinnstreben voranzutreiben, dann agieren jene, die das tun ja sozusagen auch als neoliberale Avantgarde. Und zwar ganz unabhängig von jeglicher Parteizugehörigkeit. Die einen halt skrupelloser, weil sie zur Generation Post-Ideologie gehören, die anderen patscherter, weil sie glauben eh nur, eine beratende Funktion inne zu haben. Und wenn dann bei Privatisierungen einiges auch in eigene, private Geldbörsen geflossen ist, zeigt das ja nur, wie effizient hier gearbeitet wurde. Denn es zeigt, wie mit Fleiß, Risikobereitschaft und einem wandelbaren Pokerface Gewinne erzielt werden können, ohne sich dabei groß anzustrengen.
Das ist es ja auch, was das neoliberale Credo verspricht – eben nicht mit meiner Hände Arbeit irgendeinen Lebensstandard zu erreichen, sondern indem einfach dem Geld das Arbeiten überlassen wird. Denn so lächerlich sich die jetzt wieder ins Gerede gekommene »Buberlpartie« auch immer wieder öffentlich in Szene gesetzt hat, so gerissen haben die Beteiligten hinter den Kulissen die von Schüssel angestrebte »Wende« in die Tat umgesetzt. Gerade der Blödelfaktor, das politische Nullwissen und die Tatsache, dass die FPÖ unter Haider nur zu gerne jedem Hasardeur ein Asyl gewährte, der Sozialpartnerschaft, »Sozis« und staatlichen Abgaben für Soziales und Bildung als unnötigen Firlefanz ansah, ließ sie ja agieren wie sie wollten. Die poltern zwar, sind manchmal grob und ruppig, aber außer beim Thema »Ausländer« wurden sie im Grunde eher in Ruhe gelassen. Buberl machen halt gerne Bubenstreiche und die ÖVP war sowieso froh, in der FPÖ Leute ausfindig machen zu können, von denen sie dachte, es seien Wirtschaftsliberale. Da wurde zwar die FPÖ mit der FDP verwechselt, was jedoch der Erfolgsgeschichte der Kanzlerschaft von Schüssel keinen Abbruch tut. Alles klasse und fesche Burschen, die sich was trauen. Diese Leute haben wenigstens etwas gewagt und als Ich-AG keinen blöden Strickladen, sondern die ganz große Geldmaschine betrieben. Die Reaktion von manchen Seiten auf all die Enthüllungen der letzten Zeit sollte daher auch weniger als Schockstarre begriffen werden. Es wäre eine Illusion anzunehmen, irgendwer zwischen ÖVP, FPÖ, BZÖ oder FPK würde auch nur eine Sekunde überlegen, ob damals nicht doch ein paar Sachen schief gelaufen sind (außer verlorenen Wahlen). Das Schweigen hat eher die Qualität eines Aussitzens, kombiniert mit den Aussetzern jenes politischen Kurzzeitgedächtnisses, mit dem sich der Populismus immer schon hervorgetan hat (die ÖBB ist dann zum Beispiel für die ÖVP immer ein rotes Tuch, auch wenn sie unter Schwarz/Blau zu einem finanziellen Fiasko geworden ist). Die Entflechtung des Staates hin zu einer Verflechtung von Privatinteressen ist so gesehen ja auch nichts anderes als die von ÖVP so gerne propagierte »Bürger-Gesellschaft«, wo alle ohne staatliche Interventionen gerne zusammen helfen. Nachbarschaftshilfe im Sinne von »Eine Hand wäscht die andere«.
In postdemokratischen Gesellschaften muss das so sein. Auch weil der Kapitalismus Demokratie ja auch nicht unbedingt zum Funktionieren braucht. Wobei »postdemokratisch« auch vordemokratisch bedeuten kann, was speziell diverse Landesfürsten und Dorfkaiser sehr gut zum Ausdruck bringen können. Mittlerweile wird ja auch unumwunden zugegeben (etwa von Haiders »Lebensmenschen«), dass Gesetzeslücken, Graubereiche und nicht ganz genau Gewusstes emsig ausgeschöpft wurde. Etwas nicht zu wissen ist bekanntlich mittlerweile ein Grund, für ein Vergehen nicht belangt zu werden. Zwar wird eifrigst versucht, jeden Lebensbereich zu reglementieren und Vergehen dann auch strafrechtlich zu ahnden, aber bei Politikern läuft es dann doch anders. Was auch vielen gefällt. Da dürfen wir uns auch Illusionen machen. Wenn Bauernschläue den Verfassungsgerichtshof an der Nase herumführt, dann ist der Bauer immer der Coole (und für diese Sicht der Dinge braucht es nicht einmal einen Wohnsitz in Kärnten). Das gibt dann Szenenapplaus wie in einem Schwank. Und es funktioniert ja auch. Kommt irgendein Detail wieder in die Medien, sagt die FPÖ, die genannten Personen sind jetzt beim BZÖ, woraufhin das BZÖ sagt, damals aber nicht, weil Noch-FPÖ und die FPK haben mit all dem sowieso nichts zu tun, weil sie ja gerade erst gegründet wurde. Da wird auch gar nicht mehr viel Wert auf etwaige vertrauensschaffende Maßnahmen gelegt. Die eigene Klientel schluckt eh alles – und ungeniert lebt es sich etwa zwischen Justiz- und Innenministerium bekanntlich sowieso besser. Lieber ein Aufreger als gar keine Beachtung finden.
Gerade all die Seite-1-Enthüllungs- und Skandalgeschichten könnten sich da als fatal erweisen. Zwar kennen wir von Haider die Taktik, nach der, auch wenn sich nacher alles als falsch herausgestellt hat, dennoch etwas bleibt (ein Makel). Aber was, wenn sich das nun umdrehen könnte? Seien wir uns ehrlich: »News« und »Österreich« sind nicht unbedingt seriöse Magazine, die für ihren investigativen Journalismus bekannt sind. Beim Beach Volleyball-Turnier am Wörthersee vielleicht, aber hier? Und auch wenn – sind das nicht die selben Magazine, die dafür gesorgt haben, dass Politkprominenz zu Promis auf den Society- und Klatschseiten umgemodelt wurden? Sind Stories über den cool urlaubenden ehemaligen »besten Finanzminister der Welt« subversiv, oder machen sie ihn erst recht zu jenem Strahlemann, als der er sich selber verkauft? Promis sind zwar keine Menschen wie du und ich, aber ihre Verfehlungen sind in der Art »menschlich« wie sie in der Politik eben »politisch« sein müssten. Nur meint Privatisierung hier eben auch die Privatisierung der Rolle im politischen Leben. Dann ist halt mal was schief gelaufen. Egal. Wer im Politteil als möglicherweise in kriminelle Machenschaften verwickelt vorgeführt werden kann, der kann im Societyteil auch auf einer Party gezeigt werden und dazu ein Kurzstatement abgeben. Außerhalb des Systems steht hier sowieso niemand. Haben es halt ein paar dumme Buben übertrieben, oder nicht kapiert wie es geht. Das kennen wir nur all zu gut schon von den kriselnden Banken. Nicht die Risikoveranlagung per se ist fraglich, sondern die Deppen, die zu blöde sind, den Kapitalismus richtig in Schwung zu halten. Zudem gilt ja: Gewinne werden privatisiert, Verluste vergesellschaftet. Das ist in der Tat zynisch, gerade wenn es um jene geht, die sich in ihren Porsches für den »kleinen Mann«, die »Anständigen und die Fleißigen« ins Zeug legen. Aber ist Zynismus nicht ein Grundpfeiler populistischer Politik? Oder anders gefragt: Waren all die teuren Anzüge, Uhren, Autos, Privat-Jets, Yachten vielleicht weniger zynische Verarsche (vor allem der von der SPÖ zu Haider gewechselten »kleinen Männer«), sondern Zeichen dafür, dass es auch »der kleine Mann« schaffen könnte, wenn ihn der Staat nur mehr Freiheiten ließe und die »Ausländer« im Ausland blieben. Weil Ausländer (also bayerische Juristen und Richter) haben ja den ganzen Schlamassel rund um die Hypo-Alpe-Adria überhaupt erst gerichtsanhängig gemacht, anstatt einfach zuzugeben, beim Pokern über den Tisch gezogen worden zu sein. Aber vielleicht wird dort ja auch Bauernschläue anders definiert (Edmund Stoiber war zuerst ja gar nicht amused ein Geschäft mit einem »Rechtsradikalen« wie Haider zu machen), oder es wurden eindeutige Lehren aus der »Amigo«-Affäre gezogen. Nur, dort gab’s ja auch mal eine Räterepublik und wurden Regenten des Landes verjagt.