Ein anderes Fernsehen wollen

Die Konferenz »nah-sehen fern-sehen — Differenz und Diversität des Televisionellen heute« an der Linzer Kunst-Uni lotete die Möglichkeiten für ein freies Community-Fernsehen in Linz aus. Von Franz Fend.

Früher, sagen die Kulturpessimisten, sei es leicht gewesen, sich kritisch dem Gegenstand Fernsehen zu nähern. Man nahm, wie Eckehardt Henscheid, die avancierte Fernseh- und Kulturindustriekritik von Adorno bis Anders zu Hand, vermischte sie mit Literarischem aus eigener Hand, ließ seine Figuren, die durchs Fernsehen nervlich aufgepeitschten Väter Weib und Kind vernachlässigen und dann vollends angepulvert von Fernseh-Bier und Schnaps, Nikotin, Kriminal und Fußballübertragung und Alfred Biolek wie Wim Toelke die Synchronie von Fressen und Fernsehen nicht mehr hinkriegen. Die Mutter indessen, die dem Familienidyll vor dem Fernsehzeitalter nachweint, als sich der Vater noch dem Braten, den Kindern wie auch ihr zugewandt (pflöckeln E.H.) hat, wird vom Fernsehpfarrer Leo Janz gebügelt (E.H.), der seinerseits das Fernsehen als revolutionäre Möglichkeit sieht, die Frohbotschaft bis in den hintersten Winkel der Erde (zu den Indianern) zu verbreiten.

Dass dieser satirische, wie konservative Befund aus den Achtziger-Jahren nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, das zeigte die Leiterin des Medieninstituts der Kunstuni und Co-Veranstalterin der Konferenz Karin Bruns in ihrem Einleitungsstatement. Die Sicht von Fernsehen als prototypisches Einwegmedium als Bestandteil von Wohndesign und Häuslichkeit gehöre der Vergangenheit an. Bruns machte dies anhand der vielfältigen Nutzungsformen von Fernsehen, die durch die Digitalisierung des Mediums ermöglicht worden sind, sichtbar. Die Verbindung mit Spielen, Voting, Beratung oder On-Demand-Diensten einerseits, die Vernetzung mit mobilen Medien wie Handy, Laptop oder iPod würde televisuelle Formate ständig neu adaptieren und weiterentwickeln. Die Grenzen zwischen Senden und Empfangen, Produzieren und Konsumieren würden dadurch ständig verschoben. Im Spannungsfeld der Formatentwicklungen der Fernsehsender selbst und dem Internet mit seinen audiovisuellen Foren wie YouTube, würden ständig neue Sendeformen und Hybridformate generiert. Hinzu kämen regionale wie kommunale Community-, Sparten- und Zielgruppen-Programme, interaktive Erzählformen, die konventionelle Erzählformen auf den Kopf stellten, so Karin Bruns. Der bildungsbürgerliche Imperativ, so könnte man anmerken, wonach jeder nach Belieben den »Kulturwasserhahn« (Anders) Fernsehen abdrehen könne, ist schon technisch nicht mehr möglich; zu tief gestaffelt und zu vielschichtig durchdringen das Fernsehen und seine Derivate sämtliche Facetten des Lebens, das Feld der Reproduktion gleichermaßen wie jenes der Produktion, Freizeit wie Arbeit.

Zahlreiche Konferenzbeiträge beschäftigten sich mit der Vielzahl von neuen Formen, Formaten und Strategien der televisuellen Kultur, die, wie Herbert Schwaab skizzierte, zu einer totalen Segmentierung der televisuellen Rezeption führen, was zur Folge habe, dass vor allem auf Internetportalen einzelne Szenen oder aus audiovisuellen Erzählungen herausgeschnittene Momente wie Kuriositäten ausgestellt würden. Eine aggressive Exponierung von Fragmenten, die eine tiefgreifende Transformation der audiovisuellen Erfahrung widerspiegle, welche, so könnte man ergänzen, in aller Brutalität ins hegemoniale Fernsehen übernommen worden ist. Die konzentrierte Aufmerksamkeit, die früheres Fernsehen gefordert und auch belohnt hatte, ist einem schnellen, verachtenden, ja terminatorischen Blick auf vermeintliche Mängelwesen gewichen. Stand in Tod Brownings »Freaks« die Erzählung um Solidarität im Zentrum der Lektüre, so ist bei den heutigen Freaks wie in »Starmania« oder »Bauer sucht Frau« ein Blick, der auf Unterwerfung, Beleidigung und Erniedrigung basiert, in den Vordergrund gerückt. Viele der wissenschaftlichen Beiträge kamen allerdings über eine simple Affirmation der technischen Möglichkeiten nicht hinaus, die Frage, was die erweiterten technischen Möglichkeiten für Folgen für Gesellschaften wie auch für die in ihnen lebenden Menschen hätten, blieb allzu oft unbeantwortet.

Diesen Mangel behob zumindest teilweise, dass sämtliche Theorie-Beiträge mit Beispielen der televisuellen Praxis konterkariert wurden. Fernsehprojekten und Initiativen der televisuellen Kultur aus ganz Europa bot die Konferenz ein Podium, ihre Arbeit vorzustellen. Die Palette reichte von ambitionierten literarischen Fernseh- bzw. Web- Projekten aus Berlin wie landvermesser.tv bis hin zu fragwürdigen gemeinsamen YouTube-Screenings im öffentlichen Raum. Von höchst professionellen Aktionen wie »Capture your City« der Linzer Stadtwerkstatt, welche mit physischer Anwesenheit in Linzer Stadtteilen ein audiovisuelles wie auch literarisches Bild der Stadt gezeichnet hatte, das sich von herkömmlichen Stadtbebilderungen und Abbildungen wohltuend abhebt, bis hin zu künstlerischen Improvisationen in Echtzeit mit netzbasierten Sourcen wie das Uschi Reiter und Peter Wagenhuber von servus.at zeigten. Die Notwendigkeit von Community-TV wurde weniger von den Theoretikern, vielmehr von den Initiativen in den unterschiedlichsten Zusammenhängen begründet. Die Kommunikationswissenschafterin Julia Wippersberg beispielsweise, die zuerst die regionale Identität, was immer das ist, in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen rückte, tat dies keineswegs. Regionales Fernsehen würde ein Zugehörigkeitsgefühl zur Region schaffen, die Werte der Region transportieren, sowie die Möglichkeit erzeugen, sich mit dem lokalen sozialen System zu identifizieren. Wippersberg Vortrag schrammte haarscharf an der Reproduktion eines kruden Heimatdiskurses vorbei. Heimatfernsehen als Bollwerk gegen den bösen Kosmopolitismus und gegen das Ausland, das uns ohnehin nur Böses will, wie uns in den letzten acht Jahren von Regierungsseite immer wieder vermittelt worden ist, so könnte man diese Ansage deuten. Wer Sicherheit und die Stärkung des Selbstbewusstseins einer Region als Begründung für regionales Fernsehen anführt, spricht nicht für Fernsehalternativen, sondern der Wiederholung des Immergleichen das Wort. So wies die Journalistin und Medienexpertin Astrid Zimmermann schon zu Beginn der Konferenz darauf hin, dass auch bei regionalem und lokalem Fernsehen oftmals nur immer mehr vom Selben gemacht würde, wie dies der Markt ohnehin täte, es käme vielmehr darauf an, wirkliche Alternativen zu entwickeln. Diese könne nur durch Empowerment, also der Formulierung der Interessen der Beteiligten und durch Selbstermächtigung bei der Durchsetzung dieser Interessen erreicht werden. Politisches Fernsehen von unten sei das Gebot der Stunde, könnte man diese Ansage übersetzen.

So war auch die Podiumsdiskussion, die den Auftakt zu dieser ambitionierten, wie auch wichtigen Konferenz bildete, durchwachsen. Otto Tremetsberger vom Verein Matrix, der sich für ein lokales Linzer Community-TV einsetzt und Klaus-Jürgen Buchholz, Bürgermedienbeauftragter aus Niedersachsen machten deutlich, dass es, politischer Wille und rudimentäre Medienkompetenz vorausgesetzt, nicht schwer ist, kommunales Bürgerfernsehen zu ermöglichen. Otto Tremetsberger erneuerte die nicht mehr ganz junge Forderung nach dem Kulturschilling, also einen Teil des Kulturförderungsbeitrags aus den Rundfunkgebühren für die Förderung Freier Medien zu widmen. Allein im Bundesland Wien werde dies getan, mit Okto gebe es dort auch ein beispielhaftes Community-TV-Projekt, das Vorbildwirkung für viele ähnliche Initiative auf diesem Feld hat. Nicht nur in Sachen Finanzierung. Politiker wie Christian Denkmaier (SP) und Gunter Trübswasser (Grüne) wussten zumindest wovon die Rede ist, wenn von freien Medien gesprochen wird, was nicht von allen Podiumsrednern behauptet werden konnte. Wolfgang Schürrer (VP) kannte freie Medien dem Vernehmen nach nur vom Hörensagen, so konnte er auch zu deren Finanzierung wenig sagen. Gunter Trübswasser, dessen Partei sich in einer Koalition mit Schürrers VP befindet, stimmte der Forderung nach einem Gebührensplitting nach Wiener Vorbild zu und verwies auf das Kulurleitbild des Landes Oberösterreich, in welchem die freien Medien verankert seien. Denkmaier forderte die rechtliche Absicherung freier Medien. Diese müsse garantiert werden, denn es dürfe nicht dem Zufall überlassen werden, ob es Bürgerfernsehen gebe oder nicht. Erst danach solle man sich den Kopf über die Finanzierung zerbrechen.

Diese Debatte zeigte erneut, wie recht Gabi Kepplinger vom Verein Matrix hat, wenn sie betont, dass Politiker einfach spüren müssen, dass es Leute gibt, die ein anderes Fernsehen wollen. Diese Konferenz war gewiss ein Beitrag dazu.