Mutig in die neuen Zeiten

Heller brachte uns den Neoliberalismus. Meint Andreas Wahl.

»Mit Heller / werden wir zum Bestseller« hat der Linzer Kulturstadtrat Erich Watzl in seiner Abteilung dichten lassen. Der Öffentlichkeit vorgestellt hat er diesen Zweizeiler bei der Präsentation des Programmbuches für das Kulturhauptstadtjahr 09. Eigentlich wollte er dieses Kleinod der heimischen Dichtkunst dem Theater Phönix entgegenschleudern, das seit 20. November das Stück »Der Zwerg ruft« von Kurt Palm gibt. Die darin auftretende Figur des »Kulturmanagers Dunkler« trägt nämlich ein
T-Shirt mit der Aufschrift »Watzl is my Schatzl«. Wohl unbewusst hat Watzl aber mit dem Slogan »Mit Heller werden wir zum Bestseller« den Auftrag der Stadt Linz an das Team der Kulturhauptstadt auf die bisher kürzeste Formel gebracht: Verkaufen Sie uns!
Verraten und verkauft wurde aber auch eine der Grundintentionen des Kulturhauptstadt-Engagements der Stadt Linz. Als vor Jahren diskutiert wurde, ob sich Linz darum bemühen sollte, Europäische Kulturhauptstadt zu werden, hoffte einer der »Hauptväter« dieses Projektes, Kulturdirektor Siegbert Janko, damit den Stellenwert von Kultur und Kunst in der Stadt heben zu können, um so auch die lokalen Kunst- und Kulturschaffenden besser abzusichern. Diese Absicht des Kulturdirektors hat sich aber für viele Kunst- und Kulturschaffende ins Gegenteil verkehrt. Das Team um Intendant Martin Heller trat der heimischen Kulturszene mit der Präpotenz des kolonialen Eroberers gegenüber, dessen Interesse es vor allem ist, Bodenschätze aufzuspüren und diese kostengünstig und effizient auszubeuten. Seither durchweht die heimische Kulturszene der Hauch des Neoliberalismus. Einige konnten mit wirklich gut bezahlten Jobs bei 09 einsteigen, für viele bedeutet eine Zusammenarbeit mit dem Kulturhauptstadt-Management aber einen Grad an Präkarisierung, wie sie ihn bisher kaum gekannt hatten. In den letzten Monaten waren sie überall zu hören, wo mehr als zwei Kultur-ArbeiterInnen zusammen standen, die Gräuelgeschichten über das 09-Management. Verträge, die nicht und nicht unterzeichnet werden, Theatergruppen, von denen man verlangt, dass sie vom Techniker bis zum Klo- und Garderobenmenschen alle Personalkosten tragen, ja selbst Gewinnbeteiligungsgelüste von Seiten des Managements, wenn im Rahmen eines Projektes ein Ausschank betrieben wird. Diesem Ausmaß an Kannibalismus stehen weite Teile der Kunst- und Kulturszene fassungslos gegenüber. Bisher hatte man es mit einer stark sozialdemokratisch geprägten Kulturpolitik zu tun, der primär am Bestand einer Kunst- und Kulturszene lag, und die vor allem eines wollte: Ruhe und ein gewisses Maß an allgemeiner Zufriedenheit.
Von Methoden, wie sie das Linz-09-Management anwendet, – Risikoabwälzung auf die Zulieferer und Ausreizung der Flexibilität bis zum Zerreißen - hatte man zwar schon gehört, und eigentlich nahm man an, selbst schon geraume Zeit im Neoliberalismus zu leben, doch erst mit 09 ist der Neoliberalismus auch in der Linzer Kunst- und Kulturszene angekommen. Vielleicht meinte Kulturstadtrat Watzl diese Einführung neuer Methoden in die lokale Kunst und Kultur, wenn er bei der oben bereits angesprochenen Pressekonferenz feststellte, dass mit dem Kulturhauptstadtprojekt ein Qualitätssprung geschafft wurde. Er könnte aber auch den erzieherischen Effekt gemeint haben, der sich sicherlich demnächst einstellen wird. Durch das Agieren von Heller&Co konnte vor allem der »Freien Szene« klar gemacht werden, dass sie sich bisher in einem geschützten Bereich bewegte. Aber nicht nur der »Freien Szene« hat man diese Lektion in Neoliberalismus ins Stammbuch geschrieben, sondern auch so anerkannten Institutionen wie der Linzer Kunst-Uni. Was die Kulturpolitik der Stadt aus dieser erzieherischen Maßnahme – die ihr sicherlich mehr in den Schoss gefallen ist, als dass sie bewusst herbeigeführt wurde – macht, bleibt abzuwarten. Vielleicht verlangt sie in den kommenden Jahren einfach ein bisschen mehr Dankbarkeit von den SubventionsempfängerInnen, oder ein höheres Maß an Marktförmigkeit. Es könnte aber auch sein, dass das Kulturhauptstadtjahr in Linz das Ende der sozialdemokratisch geprägten Kulturpolitik markiert. Dass etwa hinkünftig nicht mehr in das Biotop »Freie Szene« investiert wird, sondern nur noch in Output, mit dem es sich auch repräsentieren lässt.
Natürlich ist an Heller und seinen Methoden viel auszusetzen, und vieles hätte er besser machen können, aber sein Auftrag (und wohl auch sein Selbstverständnis) ähneln zu sehr den Aufträgen, wie sie an neoliberale »Sanierer« gestellt werden: Innert kurzer Zeit ein Maximum an Profit heraus zu holen (was in diesem Fall die Akkumulation symbolischen Kapitals bedeutet). Dass so ein Auftrag nicht ohne Flurschäden abgehen kann, liegt in der Natur der Sache. Ob die städtische Kulturpolitik diese Schäden repariert oder die Chance nützt, eine neue kulturpolitische Landschaft zu gestalten, bleibt abzuwarten.


…and I sing a nickle song

Andreas Wahl über »Der Zwerg ruft« von Kurt Palm

Das Ende November vom Theater-Phönix gegebene Stück »Der Zwerg ruft« ist eine wirklich lustvolle Auseinandersetzung mit den Vorwehen des Kulturhauptstadtjahres in Linz. Sitzt man in der Inszenierung von Kurt Palm, so überkommt einen das Gefühl, als hätten sich hier ein paar Lausbuben ans Werk gemacht, um den Kulturhauptstadtmachern kräftig ans Bein zu pinkeln und vor die Tür zu scheißen. Die scheinbare Unvollkommenheit der Inszenierung, die billigen sexuellen Anspielungen und Wortwitzchen, die linkisch tapsenden SchauspielerInnen bergen allerdings die Kernaussage dieses Stückes: Linz 09 ist es nicht wert, dass man sich tiefschürfend und seriös damit auseinander setzt. Das »bochene Programm« (Kurt Palm) und die billigen PR-Gags der Kulturhauptstadtmacher schreien geradezu nach billiger Verarsche. Wie auch sonst sollte man sich Dingen wie »Linz muss 2015 die interessanteste Stadt Österreichs werden«, »Pöstlingberg wird zum heiligen Berg« oder »Linz wird Linz 09« annähern? Wo, bitte, sollte hier ein ernsthafter, vielleicht sogar intellektueller Diskurs ansetzen? Ein auf den ersten Blick »dahergenudeltes« Theaterstück ist hier wohl die einzig adäquate Form, um auf solche Blödheiten zu reagieren. Die Tricks der Kulturhauptstadtmacher, mit denen sie in letzter Zeit versuchen, eine positive »Linz09-Stimmung« zu generieren, sind einfach so billig, dass die Antworten darauf auch nur billig ausfallen können. Oder, wie Melanie schon in den 70ern sang: »They put in a nickel and I sing a nickelsong«.
Palms Stück ist aber in einer sehr viel längeren Tradition zu sehen. Es ist die Tradition der Kasperliaden, des Karnevals und der bäuerlichen Schmähgesänge auf den Klerus. Immer wieder wurde die Inszenierung der Macht durch einfache, oft derbe Mittel bemerkenswert effizient unterlaufen. Alles sich Erhabenwähnende, alles Pathetische fand bald seine Lächerlich-machung und wurde erst so für das einfache Volk erträglich. Palm schöpft in seinem Stück und seiner Inszenierung (auch) aus diesem Fundus der Widerständigkeit gegen die Obrigkeiten, wenn er mit »Der Zwerg ruft« ein wunderbar räudiges Stück auf die Bühne des Theater Phönix stellt.
Als Besucher ging ich mit dem wirklich niederträchtigen Gefühl der Schadenfreude aus diesem Stück. Schadenfreude darüber, dass der Konflikt zwischen Linz 09 und dem Theater Phönix damit endet, dass man im Phönix lacht und Heller und Konsorten an dem giftigen Stachel, den sie sich bei dieser Auseinandersetzung eingetreten haben, noch lange laborieren müssen.

»Der Zwerg ruft« mit Maxi Blaha, Helmut Fröhlich, Matthias Hack, Theo Helm, Karl Ferdinand Kratzl, Georg Lindorfer und Ferry Öllinger wird ab 30. Dezember wieder im Theater Phönix gespielt.