Tipps für die Ware Arbeitskraft

Mark Lars läßt sich von den Charaktermasken des Kapitals nicht beeindrucken.

Arbeitslosigkeit beschreibt den Zustand einer bestimmten Ware Arbeitskraft, die am Markt keinen Käufer gefunden hat. Während Wenige dem Markt eine Profession anbieten, die zumindest ansatzweise den eigenen Interessen entspricht (viele bilden sich das freilich ein), verfolgt die Masse die Veräußerung ihrer Arbeitskraft unumwunden als Ultima Ratio zur Erlangung des heißbegehrten »allgemeinen Äquivalents« (Marx), des Geldes. Die temporäre Vermietung der Arbeitskraft ist hier allein Zwang (zu erwähnen ist, dass infolge kultureller Rückständigkeit sich besonders in unseren Breitengraden die eigentümliche Manier beobachten lässt, sich mit diesem Zwang, mit Herrschaft zu identifizieren), Folge einer unausgesprochenen Erpressung durch bestimmte gesellschaftliche Umstände, welche eine Partizipation am gesellschaftlichen Reichtum außerhalb des kapitalistischen Verwertungsprozesses, d.h. der Geld-, Warenform unmöglich gemacht haben. Neben diesen allgemeinen und stummen Zwängen existieren hierzulande Institutionen zur Verwaltung und Kontrolle der überschüssigen Arbeitskraft bzw. zur Sicherung der wichtigsten physischen Funktionen der Träger der Ware (letzteres wird durch periodischen Transfer von Geld gewährleistet). Die Sozialingenieure dieser Institutionen warten die Ware und versuchen, die durch die ökonomischen Fluktuationen, d.h. die bewusstlose Bewegung/Vergesellschaftung der Individuen, verursachten Lücken in der Arbeitskraftversorgung zu stopfen. Voilà! Ein Bewerbungsgespräch.

Wie verhält sich ein klassenbewusster Proletarier in dieser Situation? Nun, zuerst einmal reflektieren, dass das Proletariat nach begeisterter Selbstaufopferung in zwei Weltkriegen, Unterstützung einer massenmörderischen Bewegung und mühsamer Auto-de-alphabetisierung mittels Bildzeitungen als revolutionäres Subjekt nicht mehr besteht. Unter diesen Umständen – eine den individuellen Interessen gegenüber gleichgültige Form der Vergesellschaftung, keine Klassensolidarität ergo kein Klassenkampf – heißt es: Allein gegen alle. Daher: Sich von subjektiven Animositäten oder Sympathien für die Charaktermasken des Kapitals am AMS/Arbeitsplatz nicht beeindrucken lassen, im Angesicht der eigenen Ohnmacht und der allseitigen Abhängigkeit von der Geldform skrupellos gegen die Gesellschaft die egoistischen Interessen verfolgen. Den bestmöglichsten und bestbezahltesten Job fordern und/oder solange als möglich AMS-Geld bzw. -Versicherungsschutz (AMS-Schutzgeld) beziehen.

Bedingung dafür ist, den spektakulären (Debord) und spekulativen Charakter der gesellschaftlichen Verhältnisse zu durchschauen. Der gemeine Lohnarbeiter spekuliert darauf, seine beständige Unterwürfigkeit und schonungslose Selbstausbeutung würde sich einmal auf wundersame Weise bezahlt machen, die AMS-Angestellten spekulieren darauf, ihre Arbeit könnte doch etwas anderes sein als in administrative Formen gehüllte willkürliche Übergriffe gegen Individuen, der Arbeitgeber spekuliert – nicht notwendig aus Bosheit, sondern als Charaktermaske einer gesellschaftlichen Funktion – auf arbeitswillige und unkomplizierte Kräfte zur Selbstverwertung des Kapitals. Den Hintergrund zu diesen fixen Ideen bildet die gesamtgesellschaftliche daybyday Show: Die Inszenierung und Legitimierung des Status quo als normale und rational nachvollziehbare Form der Vergesellschaftung, die primär nicht in Werbung oder Politik, sondern auf allen Ebenen der Gesellschaft vollzogen wird, wo sich Warenmonaden gegenseitig tagtäglich versichern, mündige Personen in einer zivilisierten Gesellschaft zu sein. Soziale Kompetenz und richtiges Auftreten bedeuten den Fluss dieser Inszenierung nicht zu stören.

Unter diesen Bedingungen gilt es, den Charaktermasken bewusst ins Gesicht zu lügen, Arbeitswilligkeit, Verlässlichkeit und Fleiß vorzuspielen, zu heucheln, soweit möglich die Bewegung der Ware (Kündigung, Arbeitsaufnahme, Meldung beim AMS, etc.) zu steuern, um den Geldfluss in die eigene Tasche auf höchstmöglichem Niveau zu gewährleisten und den Zeitpunkt selbst zu bestimmen, an dem die Maske fallen gelassen wird, der vermeintlich lammfromme Arbeitslose, der angepasste Mitarbeiter sich als skrupelloser Abzocker und mit Tricks und Finten arbeitender Kollege entpuppt. Gilt es einen Job zu vermeiden, muss formal volle Arbeitswilligkeit artikuliert und über Umwege die Arbeitsaufnahme sabotiert werden. Hilfreich ist: das Bewerbungsgespräch auf den letztmöglichen Termin zu verschieben, die Angabe von Vorstrafen, Schulden, unappetitlichen Krankheiten, willkürlichen Kündigungen bei früheren Jobs u.Ä. auf dem Bewerbungsbogen, ungepflegtes Auftreten, Jogginghosen, überhaupt sozial auffälliges Verhalten. Dem Gegenüber sollte nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt werden (Charaktermaske), es zählt allein die Bestätigung der Bewerbung, nachher kann man sich getrost der Lektüre des Kapitals widmen. Am Amt die umgekehrte Schiene: freundliches, engagiertes Auftreten, kein Mundgeruch, penible Dokumentation der Masse an Bewerbungen (welche von vorneherein zum Scheitern verurteilt waren...), Problembewusstsein etc. All dieses in angemessenen Dosen ohne all zuviel Aufsehen zu erregen. Soll eine Arbeit, aus welchen Gründen auch immer, ersteigert werden, keine Scheu davor Qualifikationen, langjähriges Interesse, Seriosität etc. vorzugaukeln. Im Ernstfall: sich bei AK oder Arbeitsloseninitiativen über die rechtliche Situation informieren. Zuerst aufklären, dann angreifen.