Die von Constant1 organisierte Worksession Networks with an Attitude mit nomadischem Charakter fand im April 2019 in Antwerpen statt. Während dieser intensiven Arbeitswoche formten Künstler_innen, Aktivist_innen, Hacker_innen, Cyberfeminist_innen und Antennen ein Netzwerk, das dessen Vorstellungen bewusst dehnte und hinterfragte, was ein Netzwerk sein kann.
Ausgehend von zwei unterschiedlichen, aber miteinander verbundenen Attitüden: The internet is dead und Long live the internets experimentierten wir mit Netz-Affinitäten. Aileen Derieg und Christina Gruber aus der servus.at community nahmen an diesem Event teil und geben zwei Einblicke in das Geschehen.
Aileen:
Bereits am Vorabend vor der ersten Zusammenkunft zeichnete sich eine gewisse »Attitüde« oder Haltung2 ab: Eine unbestimmte Anzahl an gegenseitig unbekannten Menschen versuchen, sich in einer fremden Stadt zu treffen. Die per E-Mail vermittelten Koordinaten für den Treffpunkt sind weder für Google Maps noch für einheimische Passant_innen verständlich. Alle Suchenden haben unterschiedliche Kontakte durch verschiedene Kanäle und erhalten dadurch unterschiedliche Anweisungen. Manche Kanäle laufen ins Leere, andere ins Absurde. Und doch finden sich kleine Gruppen zusammen und beschließen gemeinsam, den Treffpunkt in einer nahen Bar zu verlegen. Es folgen spannende, anregende Gespräche bis spät in die Nacht. Und irgendwo auf einem Dach wird eine funktionsfähige Antenne aufgebaut.
Gleich am ersten Tag ging es im selben Stil weiter. Nach einer konventionellen Präsentation von Forschungsergebnissen durch Wissenschaftler in einer kommerziellen Forschungseinrichtung folgten nicht unmittelbar die kritischen Fragen, die von Netzaktivist_innen vielleicht erwartet werden können. Später wurden dafür andere, interessantere und weiterführende Fragen aufgeworfen und mit den je eigenen Erkenntnissen und Wissensbeständen der Teilnehmenden verknüpft, die schließlich zu einer alternativen Sichtweise führten: Siehe der Bericht von Christina unten.
Im Laufe der sechstägigen Worksession bildeten sich verschiedene Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen, wobei die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen wie auch der Themen meistens eher fließend und wandelbar war. Die Bandbreite der Themen reichte von einer theoretischen Auseinandersetzung mit Begriffen wie »autonomy«, »technical sovereignty«, »independence« und ihrer Eignung, um das Internet, das wir brauchen und wollen, zu beschreiben, über eine versuchte Kartografie des Internets und dessen Grenzen, eine Vorstellung des Anarchaservers3 in Calafou, Queer Networks, Cypherspace/Promiscuous Protocols, Bildung und Backups, Interviews zu Erfahrungen mit IRC4, bis hin zu post- und antikapitalistischen Entwürfen, sowie neue Verwendungen für alte Kommunikationssysteme wie Semaphore und schwarzen Brettern.
Konkrete Ergebnisse zu produzieren, war nicht das Ziel der Worksession, und was am Ende der Woche einer kleinen Öffentlichkeit (hauptsächlich Gastgeber_innen der Teilnehmenden) präsentiert wurde, waren Anregungen, neue Fragen, Impulse, Fäden, die weitergesponnen werden können.
Arbeitsgruppen, Vorträge, mehrere Ortswechseln, Kurzpräsentationen, Zwischengespräche und Abendgespräche mit über 30 hochinteressanten Menschen: Die sechs Tage in Antwerpen waren lang und intensiv, aber dennoch viel zu schnell verflogen. Was bleibt, sind viele Fragen, viele Inputs, viele Anknüpfungspunkte, um an anderen Orten und in anderen Zusammenhängen weiter daran zu arbeiten.
Christina:
Zum Abschluss von The Internet is Dead haben wir5 eine Utopie für alternative Netzwerke im Jahr 2025 entwickelt, die als interaktive Führung durch den neuen Hackerspace in Antwerpen vorgestellt wurde. Ausgangskonzept war das der »Chi-Xi«6, das besagt, dass wir immer eine Mischung aus vielen Arten von Schwarz, Weiß und Grau sind. Die Identität auf eine Wurzel zurückzuführen sei unmöglich. Gleiches gilt für Netzwerke, die endlose Möglichkeiten beinhalten und so neue, freie und offene Räume bieten können. Unser Körper stellt auch ein komplexes Netzwerk dar und bildet Symbiosen mit Bakterien und anderen Arten. Daher benutzen wir 2025 auch unseren Körper als Antenne, um auf bestehende Netzwerke zuzugreifen. Dafür müssen Techniken erlernt werden, die wir nun als Futurotopia Tours anbieten.
Futurotopia Tour – oder to do it the »chi-xi« way
1. Willkommen bei der Futurotopia Tour!
Während der Tour stellen wir euch unseren neu installierten Hackerspace vor. Beim Eintritt in Futurotopia betretet ihr ein Energiefeld, das euch hilft, sich in eine menschliche Antenne zu verwandeln. Wir zeigen euch unterschiedliche Praktiken, die Futurotopia dafür entwickelt hat. Wenn euer Körper zu einer Antenne geworden ist, könnt ihr das Energiefeld mit euch führen. Ihr könnt euren eigenen Hackerspace erstellen und so zu einem Knoten im Netzwerk werden.
2. Die Fluss Reinigung
Der Bach am Areal dient als Portal um Futurotopia zu betreten. Das Wasser wirkt reinigend und beim Überqueren lasst ihr Emotionen und euer Ego zurück. 2019 wurde der Grundstein für diesen Wasserkörper gelegt, indem Bäume gepflanzt wurden, um Wasser zu sammeln. Wasser hat für sich Container gefunden, um auf der Erde zu wandeln - einer von ihnen bist du.
3. Magnolienhain - das Ahnennetz
Nach der Passage erreichen wir den Magnolienhain. Wir möchten, dass du deine Vorstellungskraft aktivierst: Denke an einen Baum, der für dich von besonderer Bedeutung ist. Verbinde dich mit dem Baum und seinem Myzel. Du kannst das uralte Netzwerk, das 20 Millionen Jahre zurückreicht, betreten, indem du den Wuchs des Baumes imitierst.
4. Kristallzone
Kristalle bildeten sich vor tausenden Jahren und enthalten die ältesten Erinnerungen der Erde. Sie bestehen aus den gleichen Teilchen wie das Universum. Kristalle befinden sich in Uhren, um Präzision zu gewährleisten und in Radios zur Übertragung von Wellen. Wir können eine Verbindung zu einem Kristall herstellen, um in Netzwerke einzudringen, die in die tiefsten Schichten der Erde, aber auch in die Untiefen des Weltalls führen.
5. Heilende Kiefern
Kiefern durchlebten eine Phase der Heilung und dienen jetzt als Raum, um anderen Stärkung zu senden. Bildet jetzt eine Verkettung, verbindet euch durch Berühren mit eurem Nachbarn, spürt das Energiefeld des anderen und hört ihm eine Minute zu. Sendet Heilung an einen Ort oder eine Person, die es braucht, denkt daran zu atmen!
6. Abschluss
Dieser Hackerspace entstand aus unserem kollektiven Gedächtnis, nicht nur aus der physischen, sondern auch der gemeinsamen Geschichte und Erinnerung der Menschheit. Ihr könnt diese Verbindungsmöglichkeiten gerne verwenden, verteilen, bearbeiten oder an eure Bedürfnisse anpassen. Dieser Prozess ist eine Open Source-Technologie! Let‘s stay connected!