Aktuelles aus der Stadtwerkstatt

Über das Jahresthema »Stay Unfinished«, STWST48xn+1 und das Archiv der Stadtwerkstatt schreibt Franz Xaver.

Ein Archiv der STWST zu starten ist kein einfaches Unterfangen, denn auch nach 40 Jahren steht die STWST immer noch für neue Wege und ist jederzeit bereit, alles »Alte« hinter sich zu lassen. Und »Stay Unfinished« – unser Jahresthema von 2019 – steht auch nach 40 Jahren Kunstproduktion für das »nicht Fertige«. Wir sind stolz auf unsere Baustellen, die aus ständig neuen Ideen resultieren. Etwas abzuschließen bedeutet fertig zu sein, sich auf etwas ausruhen zu wollen und auf getane Dinge vielleicht stolz zurückblicken. Im Gegensatz dazu leitet sich unser Anspruch auf das »nicht Fertige« ab. Wir wollen keine »fertigen Typen« sein. Nichts Entgültiges, kein Wahrheitanspruch oder Identifikation mit Tradition. Dadurch lässt sich die STWST auch nicht einfach einordnen. Wir wehren uns gegen eine Klassifizierung oder Einengung durch Genres.

Aus unserem Alltag zwischen Politik und Öffentlichkeit kennen wir zwar die Spielregeln, wie man über Genres eine klassische »Corporate Identity« aufbaut und diese dann in einem »modern strukturierten Kulturmanag-ment« gezielt platziert. Wir lassen uns deshalb aber nicht in Kategorien zwingen, mit denen man den »Kulturmarkt« erobern kann. Wir akzeptieren auch nach 40 Jahren keine Schubladen in der Kunstproduktion. Unsere Erfahrung ist: Wachsenden Kulturbetriebe haben meist alle dasselbe Problem – sie entwickeln sich über allgemein gültige Konventionen.
In Folge geht das Potential von Spontanität und Kreativität zurück. 
Der Kernbetrieb der STWST ist klein genug geblieben, um sich diese Freiheiten zu erhalten. Wir sehen diese Freiheit für einen aktiven künstlerischen Prozess als Notwendigkeit an. So zieht sich der Claim »Stay Unfinished« durch das ganze Jahr und wird auch Thema von STWST48x5
im September 2019 sein.

DAS ARCHIV

Umso schwieriger wird nun der Aufbau eines Archivs. Was uns in unserem 40jährigen Bestehen wichtig war, sollte sich auch im Archiv widerspiegeln. Damit stellt sich aber die Frage, ob ein Archiv ohne Schubladen überhaupt möglich ist. In der Geschichte der STWST gab es nicht nur PUNKS, die nach dem Slogan »Wer dokumentiert verliert!« handelten. Zum Glück gab es auch einige SammlerInnen und Personen mit Weitblick darüber hinaus. Dadurch entstand über Jahre ein wertvolles Kunstlager mit Dokumenten, Fotos, Videos – Relikte aus 40 Jahre künstlerischer Tätigkeit. Mit diesen Zeitdokumenten und dem »autarken« kulturellen Ansatz müssten eigentlich Museen oder Universitäten auf uns zukommen, um diese einzigartige Geschichte aufzuarbeiten. Denn die STWST war und ist nicht unherheblich bei der Entwicklung der Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Linz (heute: Unsesco City of Media Art) beteiligt. Zusätzlich könnten auch viele dunkle Bereiche der internationalen Medienkunstgeschichte über eine Aufarbeitung unserer Entwicklungen erhellt werden. Es waren aber nicht nur die Arbeitsansätze bei den »Neuen Medien«, es war ein komplett neuer Ansatz, der zu einem neuen Kunstverständnis führte. Es war die Durchmischung aller Genres von Literatur zu Film, Bühnenkunst, Technologie und sozialen Elementen. Nun bleibt aber keine Zeit mehr, auf Museen oder Universitäten zu warten, wir müssen handeln. Zusätzlich würde eine klassische Archivierung eine Einordnung in Schubladen voraussetzen, was das Ende einer aktiven STWST bedeuten würde.

Wir wollen mit unserem Archiv deshalb keine Kategorisierung. Wir haben lediglich begonnen, die Dokumente zu sichten und niederzuschreiben, wo etwas zu finden ist und welche Personen daran beteiligt waren.

WAS IST BEREITS GESCHEHEN

2014 haben wir bereits einige Videos digitialisiert, denn nach 30 Jahren war der physische Zustand der Bänder über einer Grenze des Vertretbaren. 2016 haben wir ein neues Kunstlager gemietet: Auf
ca. 500 m2 wurden Kojen gebaut und die Dinge neu eingelagert. Temporär wurde ein eigenes Dokumente- und Fotolager am Bernaschekplatz in Urfahr betrieben, in dem die Dokumenteordner gesichtet und durchnummeriert wurden. 2019 wurde für dieses Dokumentenlager ein eigener Raum im neuen Kunstlager errichtet, in dem die Dokumente staubfrei untergebracht wurden. Die meisten Dokumente in den Ordnern warten dort nun auf
ihre Digitalisierung.

Wir bieten diesen Sommer kleine Events ins »Kunstlager-NORD« an, bei denen dieses Lager besichtigen werden kann. Bei Interesse bitte an office(at)stwst.at mailen.

WIR WOLLEN MIT EUCH ZUSAMMENARBEITEN

Neben dem großen, analogen Archiv gibt es außerdem schon eine Ansammlung von bereits digitalem Material. Ab dem Zeitpunkt, als die Computer in die Büros kamen, sind digitale Formate vorhanden. In diesen 25 Jahren hat sich einiges Material angesammelt, das wir nun mit ehemaligen MitarbeiterInnen, Beteiligten und mit den Menschen rund um die STWST auf einem gemeinsamen Server diskutieren wollen.

Die STWST plant, ca. 28.000 Fotos in zwei Ordnern mit ca. 5.300 Unterordnern zur Verfügung zu stellen.

Als schwierig stellt sich das Erfassen des/der UrheberIn heraus. Früher wurden die meisten Fotos einfach mit ©Stadtwerkstatt veröffentlicht, aber für ein Archiv ist das zu wenig. Wir müssen einen Weg finden, um den/die UrheberInnen der Dokumente und Fotos zu ermitteln. Teilweise sind Fotos auch nicht gekennzeichnet. Dazu
brauchen wir nun die Mitarbeit von Personen, die mit der STWST zu tun hatten. Dabei tauchen mit Sicherheit einige Arbeiten von Personen auf, die bereits in Vergessenheit geraten sind.

Bei einzelnen Schriftdokumenten ist die Feststellung der Urheberschaft noch relativ einfach - bei großen Video-produktionen mit Live Acts haben oft jedoch über 200 KünstlerInnen mitgewirkt. Bis heute existiert kein akzeptables Kunstgenre, da es für diese Events keine vergleichbaren Referenzen gibt. Die Suche und Definition einer Urheberschaft wird hier sicher am schwierigsten werden.

Wir wollen deshalb im einfacheren Bereich der Dokumente und Fotos starten. Ein erster Ansatz ist es, all diese »Copyright«-Fragen auf einem nicht öffentlichen Server oder in privaten analogen Gesprächen zu klären. Ob es nun Willi Neuners Specialeffect-Firma in Wiener Neustadt war oder die regionale Fernsehstation in Buffalo – alle Personen, die an Produktionen mitgewirkt haben werden eingeladen, in unserem Arbeits-WIKI mitzuarbeiten. Über dieses WIKI können die MetaTAGs der einzelnen Files beschrieben werden. »Metatags« sind eine Kennzeichnung im File selbst, die Auskunft über das Foto geben. Dort steht, wer/was auf dem Foto zu sehen ist, wer das Foto gemacht hat und wer das Copyright besitzt. Dadurch entsteht noch keine Kategorisierung. Über diese MetaTAGs können die Bilder und Dokumente dann auf diversen Fotoservern weiter verarbeitet oder von öffentlichen Institutionen »zugeordnet« werden.
  
Neben diesen Materialien der STWST gibt es sicher viel Material, das in diversen privaten Abstellkammern vor sich hingammelt. All diese KünstlerInnen, die mit der STWST jemals zusammengearbeitet haben, sind eingeladen, eine Kopie ihres Materials unter ihren Namen auf den Server zu kopieren. Da diese Daten in Form der MetaTAGs in die Kopien geschrieben werden, müssen wir natürlich auch eine Berechtigung für die STWST einholen. Jede KünstlerIn bekommt neben den beiden STWST-Ordnern ein hierarchisch gleichwertiges Verzeichnis. Neben diesen STWST-Office-Verzeichnissen exisitieren noch die diversen Verzeichnisse der BenutzerInnen. Falls der/die Urheberin gefunden/bestätigt wurde, kann in Folge ein Veröffentlichungsschalter gesetzt werden. Damit wird das Foto über das Internet einsichtig.

Es gab auch KünstlerInnen in der STWST, die nie mit dem Computer zu tun hatten. Ihre Position zu vertreten ist uns ebenfalls wichtig. Dazu sollen kleine analoge Hefte produziert werden. Wir suchen nun diese kleinen Privatarchive von Gästen, Kunstinteressierten und/oder externen KünsterInnen. Wir wollen die digitalen Kopien dieses Materials in das Archiv der STWST einspeisen und produzieren im Fall des Falles im Gegenzug Hefte, in der die STWST reflektiert wird und die darüber Auskunft geben können, wo und bei wem dieses historische Material zu finden ist.

THE PREVIOUS LAYER

Im Zeitalter der Informationstechnologie wird es schwieriger, Unikate mit komplett neuem Ansatz zu produzieren. Beziehungsweise kann jedes Kunstwerk seiner jeweiligen Zeit mit Referenzen aus der Vergangenheit konfrontiert werden, egal zu welcher Zeit es gemacht wurde - die maschinelle Informationsbereitstellung bohrt sich immer tiefer in die Geschichte der Ideen und Umsetzungen. 

Vieles schlummert vergessen in offiziellen wie privaten Archiven, oder wurde aus Unkenntnis nie in Beziehung zueinander gesetzt, kann aber jederzeit über die neuen Technologien in der Geschichtschreibung auftauchen. Ein Umdenken in der Kunstproduktion und in Kulturausstellungen wird dadurch im größerem Stil erforderlich. Um dieser großen Umwälzung in der Informationsbereitstellung und auch im archivarischen Sinn Rechnung zu tragen, hat die STWST schon 2018 eine neue exemplarische Schiene in ihrem eigenen Kosmos eröffnet, die sowohl hinsichtlich Kunstproduktion als auch Archiv interessant ist: Rund um unser jährliches Festival STWST48xn+1 werden immer wieder Projekte realsiert, die – entsprechend eines  künstlerisch integren Schaffensprozesses – unabhängig entstehen, aber dann auf Referenzen zu früheren Projekten (der STWST) untersucht werden. Ein ähnlicher Inhalt, manches Mal auch eine ähnliche Form, wird in verschiedenen Zeiten mit unterschiedlichen Möglichkeiten aufgearbeitet und ist jeweils aus ihrer Zeit und ihren Zusammenhängen motiviert. So thematisierte z.b bei STWST48x4 das Projekt Windlines das flüchtige Material Wind in einem eigenständigen Kontext und konnte danach auf einer zusätzlichen Ebene eines »Previous Layers« in eine Beziehung zum Wettergebäude der STWST von 1988 gestellt werden. Über die gegeseitige Befragung dieser beiden Projekte, und ihrer ähnlichen und unterschiedlichen Layers, kann in einem Text in der Versorgerin nachgelesen werden. Heuer bei STWST48x5 im Jahr 2019 wird der in unserem Eingangsbereich eingekratzte Schriftzug »Stay Unfinished« in Bezug zum Fassadensgraffito von 1983 gestellt – einerseits wird damit auf eine gedankliche Grundfeste des Hauses hingewiesen, die sich als Bekenntnis zum Offenen und Unabgeschlossenen äußert. Mit dem »in die Mauer gehenden« Jahresmotto »Stay Unfinished« und dem refrenzierten, ebenfalls in die Mauer gearbeiteten »Sgraffitto Alchemia« von 1983 wird aber auch die Fassade als beständig sich wandelndes künstlerisches Display des Hauses thematisiert. Denn die bereits 1994 begonnene und bereits damals »unfertige« Fassadenskulptur »Wilder Efeu«, kann nun 25 Jahre später als Grundlegung zur ebenfalls sich völlig autark entwickelten und derzeitigen Infolab-Planzen-Installation »Efeu Ex« verstanden werden, und sich nun über den völlig anderen Ansatz der »Previous Layers« zurück in die Gegenwart transferieren.

Alte Versorger gesucht!

Alte Ausgaben der Versorgerin (bzw. des VERSORGERS) fürs Archiv gesucht! Wer Exemplare der Ausgaben 1-8, 10-13, 15, 16, 18-23, 27, 34, 36, 40, 42, 45, 50, 56 hat, bitte bei der STWST melden -  unter office@stwst.at.
Ein Buch soll gebunden werden.

archiv.stwst.at

The unfinished D im Claim (Bild: Jakob Breitwieser)