»Österreich ist das einzige Land, das durch Erfahrung dümmer wird.« Dieses vermeintliche Karl-Kraus-Zitat geisterte in den vergangenen Wochen durch diverse Foren. Se non è vero, e ben trovato, wie 49,7 % für Hofer zeigen. Auch für das Cover dieser Versorgerin, das auf unseren Journalismus-Schwerpunkt hinweisen soll, greifen wir auf ein Kraus-Zitat zurück, das – erraten! – ebenfalls gefaked ist, aber nur zur Hälfte und das gut das Zeitungswesen in dieser großen Zeit trifft. Anlässlich des 80. Todestages des Kritikers der »schwarzen Magie« hat Richard Schuberth ein Buch über Kraus veröffentlicht, aus dem wir einen Auszug bringen. Svenna Triebler beleuchtet das Feindbild »Lügenpresse«, Magnus Klaue den derzeitigen Hype um den »konstruktiven Journalismus«, Thomas Rammerstorfer untersucht FPÖ-nahe Printmedien, und Gerhard Scheit setzt sich anhand der Rezension einer Aufführung von Kompositionen Adornos in »Die Presse« mit Ressentiments der Musikjournalisten auseinander. Und wie korrupt der Journalismus schon vor 200 Jahren war, zeigt Paulette Gensler in ihrer Re-Lektüre von Balzacs Verlorene Illusionen.
Niklaas Machunsky stellt drei Thesen zum Antisemitismus vor, Marlene Gallner illustriert die Funktion antisemitischer Gestik im Film und Stephan Grigat kritisiert Micha Brumliks Absage an den revolutionären Kern des Zionismus in dessen Plädoyer für eine bi-nationale Struktur Israels. Die scheinbare »Zweiteilung« Österreichs im vergangenen Bundespräsidentschafts-Wahlkampf wählt Erwin Riess als Gegenstand einer Groll-Geschichte. Dass der freiheitlichen »Handschrift« in Oberösterreich kaum jemand einen Strich durch die Rechnung macht, zeigen die Debatten um Mindestsicherung und Bettelverbote, deren Konsequenzen Christian Diabl aufzeigt.
Am 18. April schockierte uns der plötzliche Tod von Peter Donke. Rainer Krispel und Tanja Brandmayr erinnern an seine musikalischen Meriten, als auch seine Tätigkeiten im »Schattenlabor« der Stadtwerkstatt. Keine zwei Wochen vorher ist der Country-Musiker Merle Haggard verstorben, dessen Karriere Berthold Seliger nachzeichnet. Ana Threat macht sich Gedanken über den vergeschlechtlichen Status des »Fan« und findet (als Fan) feministisch Erhellendes in der Autobiographie der Musikerin Carrie Brownstein. Paulette Gensler analysiert in ihrem zweiten Versorgerin-Beitrag zum Werk Michel Houellebecqs fehlgeleitete Aufforderungen zum Engagement.
Armin Medosch konstatiert den Tod der Computerkunst samt Auferstehung als Medienkunst, während das Kunstwerk »Gibling« auch den Untergang der Geldwährung überstehen dürfte: Maren Richter gibt eine Einführung in die Kunstsammlung und Franz Xaver spricht mit Judith Fegerl, der Gestalterin des neuen Giblings.
Vers le temps!
Die Redaktion