Die Mutter der Stadtwerkstatt

Am Karfreitag, den 7. April 2023 ist Gisela Porod, Protagonistin der früheren Stadtwerkstatt, im 60. Lebensjahr verstorben.

Vor der alten STWST, v.l.n.r: Markus Binder, Herbert Schager, Astrid Esslinger (mit Fina Esslinger als Baby), Susanne Leitinger, Werner Katzmair, Gisela Porod, Erika Wolfinger, Georg Ritter (Foto: STWST Archiv)

 

Gisela Porod war freischaffende Künstlerin und hat in den 1980ern für mehrere Jahre in der alten Stadtwerkstatt gelebt und gearbeitet. Sie hat Musik, Konzerte, Projekte rund um Film, Kunst und Theater mitorganisiert. Am besten lässt sich das, was sie getan hat, vermutlich als Mitwirken am Gesamtorganismus des Hauses fassen, und seines damaligen Konzeptes aus Leben und Arbeiten. Gisela ist diejenige, die in den 1980er-Jahren den Mietvertrag für einen Teil des Hauses bis zum Abriss der alten Stadtwerkstatt innegehabt hat, inmitten des Kampfes um Alturfahr Ost. 

Wir haben Gisela im Juli 2021 besucht, um sie für eine Recherche über Frauen der Stadtwerkstatt kennenzulernen und zu interviewen. Wir, das waren Claudia Dworschak, Pamela Neuwirth und ich. So herzlich als nur vorstellbar hat uns Gisela in ihrer neuen Wirkungsstätte in Klosterneuburg, wo sie Bilder restaurierte, bereits am Gartentor empfangen mit den Worten: »Das ist heute meine Stadtwerkstatt.« Ich vermute, sie hat damit eine Atmosphäre von Garten bis Atelierräume gemeint, eine Umgebung, in der man atmen konnte, die kreative Wildheit, die eigene Ordnung und Struktur, die Bilder, Farben, Farbpulver, Glasgefäße, die Utensilien bis unter die Decke eines historischen Gebäudes mit großen Fenstern – und die Leidenschaft ihrer eigenen Arbeit, die spürbar war. Ihre fast sofortige Frage an mich als Leiterin der Stadtwerkstatt: »Wie hast du das gegen die Männer geschafft?« war eher rhetorisch angelegt. Sie berichtete von Männern und Frauen, vom Leben und Arbeiten, von Freiheiten und Kämpfen, von sehr persönlichen Dingen bis hin zur Arbeitspraxis – in den 80ern, im alten Haus, in der frühen Stadtwerkstatt.

 

Gisela Porod (Foto: Chris Althaler)

 

In einem Moment haben wir uns mit einem Blick über unsere Liebe zu bestimmten Bands verständigt. Wir sind in ihrem Atelier rund um den Tisch gestanden, an dem die gebuchten Musiker:innen der alten STWST gesessen sind. Den Tisch hat sie sich aus der STWST mitgenommen, als sie sie verlassen hat, meines Wissens war das 1988. Unsere Fragen hat sie mal mehr, mal weniger beantwortet, hat sich oft auch entzogen. Es gibt Geschichten, über die ich immer noch lache, weil sie so verrückt klangen. Wir haben ihren Ärger über die offizielle Geschichtsschreibung der STWST vernommen, und auch, dass sie nach dem Abriss des alten STWST-Hauses nicht so weitermachen konnte, gegangen ist und zu restaurieren angefangen hatte. Sie erzählte außerdem von Menschen, die sie schätzte und liebte, von ihrer heutigen Arbeit, und immer wieder von Positionen und Bedeutungen. Alles in allem war es eine Mischung aus Wucht, Lebensfreude, Herzlichkeit, Bitterkeit, Humor und manchmal einem bemerkenswerten Widerspruch aus Direktheit und Verschleierung. Ob alles, was sie erzählt hat, ganz genauso gestimmt hat, weiß ich nicht. Dass es trotzdem einiges geradegerückt hat, ist allemal so. Das haben wir alle drei, die wir sie damals besucht haben, ganz klar so gesehen. 

Krank war sie schon damals. Uns gegenüber hat sie sich dazu uneindeutig geäußert. Ein paar Monate später, als sie zum Treffen der STWST-Frauen während der 2021er-Ausgabe von STWST48 eingeladen war, hat sie erzählt, dass sie die Krankheit ohne Namen besiegt habe. Sie, ganz leidenschaftliche Organisatorin, hat für das Treffen der STWST-Frauen gleich ein paar andere Frauen mitgebracht und kleine Acts organisiert. Es war ein interessanter Nachmittag mit Stimmungen und Atmosphären. 

Später am Abend ist sie dann ins Cafe Strom gegangen und hat ins Lokal hineingerufen: »Ich bin die Mutter der Stadtwerkstatt« – das wurde mir zumindest so erzählt. Und natürlich wurde ich gefragt, wer das denn jetzt war? Und damit nun auch offiziell: Gisela hat nicht nur in der Stadtwerkstatt gearbeitet, sie hat mit ihrer Unterschrift den Mietvertrag des Hauses gehalten – gegen Widerstände, samt Mietstreitereien und bis zum Abriss des alten Gebäudes. Nicht alle hatten diese Konsequenz. 

Ihre Krankheit hat sie anscheinend bis zum Schluss nicht wirklich beim Namen genannt. An ihren Tod hat sie wohl nicht wirklich geglaubt. Ich vermute, dass sie nicht die Absicht hatte, sich von irgendetwas, auch nicht von Krankheit und Tod, demütigen zu lassen. Und als ob sie das auf eine göttlich anmaßende Weise aufzeigen würde wollen, ist sie am Karfreitag gegangen. 

Tanja Brandmayr

 

Gisela Porod (2. v. li.) der alten Stadtwerkstatt in den 80er-Jahren (Foto: Chris Althaler)

 

Gisela Porod
Flower Power

 

Künstlerin: Sie liebte Pflanzen aller Art und realisierte diese Liebe vielfach in ihrer künstlerischen Arbeit. Mit ihrem präzisen Blick und ihrer besonderen Gabe, der Flora tiefstes Wesen zu erfassen und künstlerisch umzusetzen, gelang es ihr, auch den Blick des Betrachters darauf zu richten. 

Freunde: Als ihre Freundin fühlte man sich geliebt, ernst genommen und verstanden. Auch ihre Treue zeichnete sie aus. Oft erfreute sie ihre Umwelt mit ihrem schrillen Humor, ihren unkonventionellen Scherzen und schrägen Assoziationen. 

Arbeit: In ihrer langjährigen Arbeit als Restauratorin war sie äußerst geduldig, akribisch, ausdauernd und sehr erfolgreich. Unzählige Gemälde, Tapisserien und auch Wandbemalungen (unter anderem im Schloss Schönbrunn) verdanken ihren Fortbestand den heilenden Händen von Gisela Porod. 

Musik: Sie war Mitglied der frühen Stadtwerkstatt, in der sie für viele Jahre ein Zuhause fand unter all den KünstlerInnen und MusikerInnen, welche sie immer sehr hoch schätzte. Unvergesslich bleiben all die wunderbaren Abende im Genuss des gemeinsamen Musikhörens. Auch hier bewies sie ausgezeichneten Geschmack und das nötige Gefühl, um gemeinsam darin einzutauchen.  

Liebe: Durch die Spuren, die sie uns hinterlassen hat, bleibt sie unvergessen.               

Brigitte Steiner Schober & Martina Schwabenitzky