Gegen politische Windmühlen

Radio FRO hat ein neues Radionest in Wels. Anlässlich dessen berichtet die FRO-Radiojournalistin Marina Wetzlmaier von Welser Kulturhäusern, Welser Zuständen und davon, wie FPÖ-nahe Strukturen die Zivilgesellschaft und freie Kultur in Wels zu schwächen versuchen – und daran scheitern.

Radio FRO hat ein neues Radionest in der Stadt Wels. Nach Radio FROheim in Ottensheim und einem kurzzeitigen Radionest in Marchtrenk, konnte nun im Kulturzentrum Alter Schlachthof Wels ein kleines Außenstudio eingerichtet werden. Genauer gesagt, in den neuen Räumlichkeiten des FreiRaum Wels, der kürzlich in den Schlachthof gezogen ist – als offener Raum für Bürger*innen-Beteiligung und die Welser Zivilgesellschaft. Damit sind wir mitten drin im kulturellen und zivilgesellschaftlichen Leben in Wels. Anlass, um einen Blick auf die besonderen Rahmenbedingungen dieser Stadt zu werfen.

Eine Stadt, in der seit 2015 mit Andreas Rabl ein FPÖ-Bürgermeister regiert und alle politischen Gremien »blau« dominiert sind. Im Stadtsenat stellt die FPÖ vier von acht Mitgliedern, im Gemeinderat 18 von 36. Die MFG dient ihr mit einem Mandat bei vielen Abstimmungen als Mehrheitsbeschafferin. Wie geht es der Welser Kultur und Zivilgesellschaft unter diesen Voraus-setzungen? Welchen Herausforderungen müssen sie sich stellen?

Blaue Parallelstrukturen

In den vergangenen Jahren hat sich ein Muster herauskristallisiert, das Kritiker*innen so zusammenfassen: Was sich nicht kontrollieren lässt, soll geschwächt werden. Die FPÖ Wels versucht, bestehende Initiativen zu verdrängen. Mit System und Parallelstrukturen: so wurde zusätzlich zum bereits bestehenden Freiwilligenzentrum plötzlich ein zweites gegründet. Zusätzlich zum Pogromnacht-Gedenken, das traditionell von der Zivilgesellschaft veranstaltet wird, gibt es seit Rabl ein zweites, »offizielles« der Stadt. Die turbulenten Jahre des FreiRaum begannen, als ihm die städtischen Subventionen gestrichen wurden und ein Parallelverein auftauchte. Und dann noch die Neuausschreibung des Medienkulturhauses, für das ein FPÖ-naher Bewerber zur potenziellen Gefahr wurde.

Der Kampf um den FreiRaum Wels

Dass der FreiRaum weiterhin besteht, ist dem engagierten Vorstand und vielen Unterstützer*innen zu verdanken, die das Projekt nicht kampflos aufgeben wollten. Der blau-dominierten Stadtregierung war dieser offene, zivilgesellschaftliche Raum wohl ein Dorn im Auge.

Gegründet wurde der FreiRaum 2015 als Ort für gemeinschaftsorientierte Aktivitäten. Ein Ort ohne Konsumzwang, den Initiativen kostenlos nutzen können: für Workshops, einen Jugendtreff, Buchbesprechungen, philosophische Diskussionen oder einen Brunch für Alle. Angesiedelt war er in der Welser Innenstadt. Die Mietkosten für die Räumlichkeiten übernahm die Stadt Wels, bis Bürgermeister Rabl, gleichzeitig auch Finanzreferent der Stadt, den Mietvertrag im Alleingang kündigte. Es folgten hitzige Debatten im Gemeinderat, ein medialer Aufschrei. Vor allem, als plötzlich von einem Konkurrenzverein die Rede war: »Freiräume«. Im Vereinsregister tauchte »Freiräume« allerdings nie auf. Die Ähnlichkeit des Namens war dann wohl doch zu offensichtlich. Stattdessen wurde daraus der FPÖ-nahe »Treffpunkt Wels«. Ein Raum »in zentraler Lage«, den man für Vereinsaktivitäten, Besprechungen, Schulungen und dergleichen mieten könne. Ziel von »Treffpunkt Wels« sei die »Förderung des gesellschaftlichen Engagements«, unterstützt wird er laut Webseite von der Stadt Wels.

Währenddessen hielt sich der FreiRaum mittels Spenden über Wasser, konnte die Räumlichkeiten in der Innenstadt damit halten und Aktivitäten weiterführen. Bis der Vereinsvorstand Ende 2022 ankündigte, so nicht mehr weitermachen zu können. Wieder stand man vor dem Aus. Die Lösung kam unverhofft in Form von ungenutzten Räumlichkeiten im Alten Schlachthof, die schon lange als Community Space angedacht waren.

Am 16. April 2023 feierte der FreiRaum seine Neueröffnung. Die rege Beteiligung zeigte, wie etabliert das Projekt in Wels ist. Dass es mehr ist als nur ein Raum, den man »mieten« kann, nämlich eine solidarische Gemeinschaft – ein Konzept, das die FPÖ wohl nicht verstanden hat. Denn im Gegensatz zum FreiRaum wird der »Treffpunkt Wels« kaum genutzt, wie ein vergleichender Blick auf die Online-Kalender der beiden zeigt.

Nach dem FreiRaum das Medien Kultur Haus

»Was würde es für Wels heißen, wenn es uns nicht mehr gäbe?« Ein Wels ohne Medien Kultur Haus? Unvorstellbar! Umso größer war der Schock, als die Stadtregierung im Frühjahr 2022 ankündigte, dass das Projekt neu ausgeschrieben wird. Dabei hätte der »Verein zur Förderung der Jugendkultur« Grund zu feiern: das 20-jährige Jubiläum! Seit 20 Jahren können hier Jugendliche mit professioneller Unterstützung ihre eigenen Ideen verwirklichen und Medientechniken erlernen. Veranstaltungen, Workshops, Ausstellungen stehen regelmäßig auf dem Programm, das weit über Wels hinaus bekannt ist. Das Jugendfilmfestival YOUKI verschafft dem MKH auch einen internationalen Ruf.

Untergebracht ist das MKH in einem Gebäude der Stadt Wels. Die Nutzung des Hauses ist in einem zehnjährigen Fördervertrag festgelegt – mit Option auf zehnjährige Verlängerung, wenn man »gute Arbeit« leiste. Das MKH leiste sogar »hervorragende« Arbeit, so der politische Tenor im Gemeinderat. Dennoch erfolgte nur eine zweijährige Verlängerung des Vertrags und eine Ausschreibung. Dem MKH sei das schon lange bekannt gewesen, argumentierte auf der einen Seite die FPÖ. Man habe dem Verein keine andere Wahl gegeben, außer »friss oder stirb«, so die Grünen auf der anderen. Zynisch mutet die Bemerkung der FPÖ an, es stehe dem MKH ja frei, sich zu bewerben. Wertschätzung der jahrelangen Kultur- und Jugendarbeit sieht anders aus.

Umstrittene Ausschreibung

Die große Frage war, wer sich neben dem bestehenden Verein noch bewerben würde. Schließlich gingen zwei weitere Einreichungen ins Rennen, hinter denen bekannte Welser Medienunternehmen stehen: der Verein »Offenes Kulturhaus Wels« (Geschäftsführer Christoph Brückl ist Herausgeber der Zeitung »Die Monatliche«) und das »Medienhaus Medienkunst- und Kulturzentrum Wels«, ein neuer Verein, dessen Mitwirkende beim lokalen TV-Sender WT1 verortet sind. Laut Konzept sollte eng mit WT1 kooperiert werden, angefangen bei Know-How, Ankündigungen und Berichterstattung bis zur Live-Ausstrahlung von Talk-Sendungen.  

Die Nähe von beteiligten Personen zur FPÖ sorgte für Kritik und Beunruhigung bei den Unterstützer*innen des MKH. Sie sehen, ähnlich wie beim FreiRaum, einen Versuch der FPÖ, unabhängige Initiativen zu verdrängen. Gesellschafter von WT1 ist zu hundert Prozent die Firma Holzhey Management und Beteiligungen GmbH. Geschäftsführer Wolf-Dieter Holzhey trat bei den Gemeinderatswahlen 2021 in Wels für die FPÖ auf Listenplatz 40 an. Christoph Schumacher, der gemeinsam mit WT1-Anchorman Stefan Schiehauer die Bewerbung einreichte, ist geschäftlich eng mit Holzhey verbunden. Aus Sicht einiger war die Ausschreibung damit so gut wie entschieden, im Sinne des Bürgermeisters, während das bestehende MKH mit der Kampagne #mkhliebe zahlreiche Unterstützer*innen mobilisierte.

Etappensieg

Die Solidarität war groß, doch warum gab es nicht mehr Widerstand? Gegen den Umgang mit den Betreiber*innen des MKH, gegen die Ausschreibung? Laut MKH-Geschäftsführer Boris Schuld war die Ausschreibung durchaus umstritten, denn bei anderen Kultureinrichtungen habe es so etwas nicht gegeben. Dennoch habe man die Situation akzeptiert, da die Ausschreibung laut einem juristischen Gutachten der Stadt notwendig gewesen war. Widerstand dagegen hätte keinen Sinn ergeben: »Nach einem ersten Schockmoment war für uns klar, wir stellen uns dem Verfahren und nützen die Gelegenheit, um über uns nachzudenken und neue Formate zu entwickeln. Wir sind von Anfang an überzeugt gewesen, dass wir das beste Konzept abgeben werden.«

Dieser Ansicht waren auch zwei Gremien, die bereits entschieden haben: Ein unabhängiger Kultur- und Förderbeirat hat »MKH_Studios« als bestes Projekt ausgewählt. Auf Platz 2: das Offene Kulturhaus Wels, auf Platz 3: das Medienhaus Wels. Genauso entschied ein politisch besetzter Lenkungsausschuss, bestehend aus Vertreter*innen aller Gemeinderatsparteien, zwei Personen aus dem Kultur- und Förderbeirat, sowie dem Bürgermeister und der Kulturreferentin Vizebürgermeisterin Christa Raggl-Mühlberger (FPÖ). Auch hier fiel die anonyme Abstimmung eindeutig für das MKH aus.

Ein Etappensieg, der allerdings vorsichtig gefeiert wird. »Es ist eine Anspannung abgefallen, aber es ist weiterhin Spannung da«, sagt Elisabeth Zach, Leiterin der Vermittlung im MKH. »Wir wissen trotzdem noch nicht, was die Zukunft bringen wird.« Darüber entscheidet in den kommenden Monaten die Politik: zunächst der Stadtsenat und in der Folge der Gemeinderat.

Unter politischer Beobachtung

Sowohl im Fall des FreiRaum als auch beim MKH ist eine »blaue Vereinnahmung«, die so manche befürchtet hatten, nicht gelungen. Dennoch mussten die betroffenen Initiativen viel Zeit und Ressourcen für ihren Fortbestand aufwenden. Zulasten der eigentlichen Basisarbeit. Der FreiRaum-Vorstand war zwei Jahre lang vor allem mit dem Aufstellen von Spendengeldern beschäftigt. Das MKH investierte die vergangenen Monate in den Bewerbungsprozess. Gleichzeitig wurde sichtbar, wie groß die Unterstützung in der Welser Bevölkerung ist. Auch die erweiterte Kulturszene in Wels hält zusammen, wie Boris Schuld und Elisabeth Zach beschreiben: »Die Szene ist überschaubar, aber es gibt ein paar wirklich gute Initiativen: rund um Schlachthof, Waschaecht, FreiRaum, MKH, YOUKI und kleinere Initiativen. Die Zusammenarbeit ist recht angenehm, weil man sich gegenseitig unterstützt.« Mit der Politik ist es hingegen schwieriger. Es wird immer mehr gestrichen, immer mehr gekürzt. »Die kulturelle Vielfalt ist da und in Summe sind wir sehr stark, auch was die Besucher*innenzahl angeht. Aber wir spüren, dass wir gegen politische Windmühlen ankämpfen. Man hat nicht das Gefühl, dass die Politik so richtig hinter uns steht.«

Gratulationen zur Vergabeentscheidung gab es zwar, aber nicht von der FPÖ. Stattdessen hat Bürgermeister Rabl angekündigt, die weitere Arbeit des MKH genauer zu begutachten. Die Betreiber*innen des MKH fordern, dass solche Querschüsse endlich aufhören und das MKH als das akzeptiert wird, was es ist: ein österreichweites Vorreiterprojekt in der Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen.

 

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BLAUES WELS: SO NICHT!!!
Invasion of the Culture Snatchers.

Wir wollen an dieser Stelle redaktionell deutlich werden: Die Vorgänge in Wels bedeuten nicht nur einen Angriff auf die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von Kulturinitiativen, sondern den Versuch, sie zu zerstören.

Unter dem Deckmantel der – hinlänglich als Nebelgranaten erkennbaren – Schlagworte von »Transparenz« und »Accountability« ist das Ziel deren Gegenteil: Die parteipolitische Kontrolle über den Kulturbereich. Die Mimikry-Strategie, partei-nahe Vereine in maßgeschneiderte Ausschreibungen zu schicken, dient dazu, unbequeme Inhalte und Kritik aus der Öffentlichkeit zu verbannen und kulturelle Vorherrschaft zu erlangen. Vereine wie das Medienkulturhaus leisten gute Arbeit und gehen mit ihren Ressourcen verantwortungsvoll um. Sie zu zwingen, unter prekären Bedingungen regelmäßig zahlreiche Arbeitsstunden für die Bewerbung um die Häuser und Spielstätten aufwenden zu müssen, DIE SIE SELBST GESTALTET HABEN UND DIE OHNE SIE NUR IMMOBILIEN WÄREN, IST SKANDALÖS!

Bürgermeister Rabl und die Welser FPÖ haben damit den Konsens verlassen, wonach Kulturpolitik den Rahmen für tatsächlich im Kunst- und Kulturbereich arbeitende Vereine absteckt, einen Rahmen, in dem sich Initiativen bewegen können, ohne inhaltlich kontrolliert oder konkret in diesem Fall: ohne de facto von Abschaffung bedroht zu werden.

Wir stehen in Solidarität mit allen, denen unabhängige Kultur etwas bedeutet – und mit den betroffenen Vereinen in Wels. 

Wir, im Namen von Kunst, Kultur, sämtlichen Kulturvereinen und  Interessenvertretungen der internationalen Gemeinschaft setzen uns mit allen Mittel dafür ein, dass dieses Modell keine Verbreitung findet und auch in Wels wieder verschwindet. Auch als Intermezzo war es schwachsinnig und peinlich genug.

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Auf Radio FRO wurde zum Thema eine Sendung ausgestrahlt, die hier nachgehört werden kann: https://cba.fro.at/620729