Die SARS-CoV-2 Viren haben das Gedankenexperiment, wie wohl die Reaktionen auf eine Pandemie heutzutage aussähen, in die Wirklichkeit überführt. Die realen Reaktionen in Österreich wiederum haben »Schrödingers Katze« (zugleich tot und lebendig) durch eine Schule ergänzt, die zugleich offen und geschlossen ist. Das trifft aber auch auf das gesamt öffentliche und private Leben zu.
Anekdotisch, aber très unterhaltsam, beforscht Svenna Triebler das Onlineverhalten unter Lockdownbedingungen zwischen Doomscrolling und Cat Content, während Daniel Sanin aus Sicht der Kritischen Psychologie die psychosozialen Folgen der Pandemie beurteilt. Dass Pandemien auch einer großen Zahl Kinofilmen als Stoff dienten, zeigt der Filmtheoretiker Drehli Robnik in seinem neuen Buch, das Kristina Pia Hofer für uns gelesen hat.
Angesichts der Situation auf den Philippinen, wie sie Marina Wetzlmaier beschreibt, relativieren sich manche Probleme hierzulande – grundlegende bleiben aber und werden durch die derzeitigen Umstände sichtbarer. Einen Ausbruchsversuch aus dem als aussichtslos erlebten kapitalistischen Normalvollzug stellt die »Gelbwestenbewegung« (Mouvement des Gilets jaunes) dar, die Johannes Hauer als Prototyp für einen neuen Kampfzyklus außerhalb der institutionalisierten Politik beschreibt. Während bei den heterogenen Gelbwesten rechte und antisemitische Positionen teilweise vertreten sind, bemüht sich zumindest die offizielle Politik der NS-Nachfolgestaaten um eine »verantwortungsvolle Geschichtspolitik«. Im Falle Deutschlands ist Marcel Matthies von deren Gelingen nicht überzeugt und Paulette Gensler analysiert detailgenau, wie der SS-Obersturmführer Kurt Gerstein in der breiten Wahrnehmung zum »Widerständler in Uniform« werden konnte. Die »Lehren aus dem Nationalsozialismus« (als wäre er ein nationales Erziehungsprogramm und kein organisierter Massenmord gewesen) wurden und werden in Österreich auch nur sehr zögerlich gezogen – Thomas Rammerstorfer schildert anhand persönlicher Erfahrungen, dass die Parole »Gegen jeden Extremismus« und ein Bekenntnis zur »Mitte« in Österreich als Liebäugeln mit rechts außen zu werten ist.
Der heutigen extremen Rechten wird mitunter gerne (durchaus anerkennend) ein intellektueller Flügel zugedichtet – dass die letztlich ein recht dünnes Süppchen kochen, wird in einem neuen Sammelband deutlich, den Till Schmidt bespricht. In der nötigen Kritik an den »Verteidigern des Abendlandes« sollte nicht untergehen, dass religiöse Herrschaft in islamischer Form ein Problem ist – vor allem für die Menschen in den betreffenden Ländern. Johannes Creutzer gibt in seinem Beitrag einen kleinen Überblick über das Verhältnis von Islam und Humor zwischen mörderischer Fatwa und Instrument der Regimekritik.
Sprach- und Wortwitz kommen in Richard Schuberths neuem Roman »Bus nach Bingöl« jedenfalls nicht zu kurz – nachdem die Buchpräsentation ausfallen musste (we all know why), gibt es hier einen kleinen Vorgeschmack.

Eh-schon-wissen-warum könnte der Eindruck entstehen, dass auch in der Stadtwerkstatt gerade weniger geschieht – allerdings wurde das ganze Jahr über kräftig umgeplant, anders veranstaltet, generell vieles geshiftet und Arbeit in die Bereiche New Contexts, Archiv und andere hausrelevante Dinge investiert. Da und dort klingt der Output in dieser Versorgerin-Ausgabe an – auch als Review auf die 48-Stunden-non-stop-Showcase-Extravanganza STWST48x6 MORE LESS, die zwischen den beiden Lockdowns stattfinden konnte. Das französische Makery-Magazin hat Tanja Brandmayr und Franz Xaver von der Stadtwerkstatt dazu interviewt und wir drucken diesen Online-Text ab. Enjoy!
STWST-seitig gedenken wir, den diesjährigen Jahresclaim MORE VS LESS zu verlängern – das Thema scheint wenig abgespielt. Bedeutet: STWST 2021. Still More vs Less to Come.
Größer gefasst: Schauen wir, was das kommende Jahr bringt – zuviel sollte man sich nicht erwarten, da hierzulande nach wie vor auf diversen Ebenen das herrscht, was die Linzer Formation Wipeout in einer geglückten Formulierung mit »Allianz der korrupten Streber« benannt hat.

Die Redaktion