Die Mädchenmannschaft startete als Blog und wurde erst einige Jahre später zu einem Verein. Im Vordergrund stand und steht die »Spielwiese für eine offenere und bessere Gesellschaft«. Welche Entwicklungen gab es in der Mädchenmannschaft?
Das Blog maedchenmannschaft.net ging aus dem Buch »Wir Alphamädchen – warum Feminismus das Leben schöner macht« hervor, bzw. wurde von den Autorinnen dieses Buchs, Meredith Haaf, Susanne Klingner & Barbara Streidl, gegründet. Dann wurde ein Verein, Mädchenmannschaft e.V., gegründet und immer mehr Autor_innen und Redakteur_innen kamen dazu. Inzwischen ist die Mädchenmannschaft auf sieben Redakteurinnen und ein gutes Dutzend Kolumnist_innen angewachsen, wobei sich die drei Gründerinnen (die letzte ist im vergangenen Herbst ausgestiegen) inzwischen anderen Projekten zugewandt haben. Insgesamt ist das Team aber nicht nur größer geworden, sondern auch deutlich diverser, was unsere jeweiligen Backgrounds angeht.
Feminismus und politische Netzaktivitäten, die deklarierten Schwerpunkte der Mädchenmannschaft, sind sehr weit gefasste Klammern. Natürlich stehen in einem Blog keine Theorieabhandlungen im Mittelpunkt, sondern es geht darum, Theorien und Ansätze auf den Boden einer vielseitig gelebten Praxis zu kommunizieren – in welcher Form passiert das? Von wo bis nach wohin reicht das Spektrum? Und wo bündeln sich die gemeinsamen Interessen?
Unser »Leistungsspektrum« reicht von satirisch-sarkastischen rants über essayistische Analysen über Buch-, Musik-, Blog- oder Filmvorstel-lungen über Medienkritik über persönliche Erfahrungsberichte über Veranstaltungsankündigungen bis hin zu theoretisch und wissenschaftlich informiertem Input, z.B. feministischer Ökonomiekritik. Rein formal haben wir uns bisher keine Grenzen gesteckt, wir haben auch schon Lyrik veröffentlicht. Wir verstehen uns als interaktive Plattform, das heißt, unser Blog lebt nicht nur von dem, was die Autor_innen schreiben, sondern auch von den Kommentaren, Hinweisen und Beiträgen der Leser_innen. Die Autor_innen haben ihre unterschiedlichen Lieblingsthemen und unterschiedliche Perspektiven darauf, aber unser gemeinsames Verständnis von feministischer Arbeit beruht auf dem Versuch, eine möglichst weite Perspektive einzunehmen oder zumindest mitzudenken, wenn es um die Kritik an Machtverhältnissen geht. Zusammenfassend könnte man vielleicht sagen: Unsere gemeinsamen Interessen bündeln sich in dem Versuch, Feminismus so zu gestalten, dass sich möglichst viele und verschiedene Leute angesprochen und mitgenommen fühlen.
»Engagiert euch doch mal im richtigen Leben!«, das bekommen Internet-AktivistInnen ja öfter mal zu hören. Ist das ein Vorwurf, mit dem auch die Mädchenmannschaft schon konfrontiert wurde – den Vorwurf des richtigen Lebens? Ich nehme zudem an: eine Unterscheidung in online und »richtiges Leben« offline macht wohl bei der Mädchenmannschaft kaum Sinn. Bzw. anders gestellte Frage: Wo liegen zur Zeit die Aktivitäten, die die Mädchenmannschaft außerhalb des Blogs am liebsten betreibt?
Klar, das hört man schon ab und zu – dass man sich in der kuscheligen Internetblase verstecken würde, aber »vom echten Leben und den richtigen Menschen da draußen« ganz weit weg sei. Tatsächlich macht bei Menschen, die sich viel online tummeln, dort kommunizieren, diskutieren und soziale Netzwerke pflegen, eine Unterscheidung in »echtes Leben« und Internet wenig Sinn. Zumal wir ja nicht nur bloggen und twittern und auf Facebook oder bei uns im Blog diskutieren, sondern alle auch »draußen« unterwegs sind – nicht nur für die Mädchenmannschaft mit Zeitungsartikeln, im Radio, bei Workhsops oder Vorträgen (was wir alles sehr gern tun), sondern auch weil wir zu unserer täglichen Erwerbsarbeit gehen oder zur Uni, unsere Kinder zum Kindergarten oder zur Schule bringen, zur Bandprobe gehen oder auf Demonstrationen, zum Sport oder zum Freund_innentreff... Und das alles tun wir als Feministinnen – wenn natürlich auch unterschiedlich viel Raum bleibt und unterschiedliche Möglichkeiten, sich dort als solche zu positionieren. Die Dinge, gegen die wir und andere im Netz anschreiben, erleben wir und andere – alles echte Menschen – im ganz richtig echten Leben. Die Erfahrungen, die wir mit unseren »echten Leben« machen, nehmen wir mit ins Internet und umgekehrt. Bisweilen werden auch Offline-Aktionen mit Online-Unterstützung geplant, Demonstrationen zum Beispiel. Unsere herrschaftskritische Brille setzen wir auch im Offline-Alltag nicht ab und versuchen tagtäglich, unsere politischen Ansprüche möglichst bruchfrei in Praktiken umzusetzen. Was natürlich nicht immer ohne weiteres und widerspruchsfrei gelingt.
In Linz soll zum 8. März ein Umzug mit dem Header »Feminismus & Krawall« stattfinden. Ich darf eine assoziative Frage stellen, aus eurer Sicht: Wie laut ist Feminismus heute? Oder wie kämpferisch? Oder wie smart und humorvoll? Wo liegen die Dringlichkeiten?
Krawall finden wir gut, wichtig und richtig. Aus unserer Sicht schließen sich Lautstärke, Kampfgeist einerseits und Humor andererseits übrigens keinesfalls gegenseitig aus, wir lachen uns sogar in schöner Regelmäßigkeit miteinander kaputt (das gibt Kraft für den oft harten feministischen Alltag), ohne einen Funken Wut über Missstände dadurch einzubüßen. Generell kämpft jede Feministin auf ihre Weise, nicht immer ist bei allen genug Kraft da, um laut zu werden, und nicht jeder Kampf, der wichtig ist, wird hör- oder sichtbar. Für manche ist es schon ein Akt des feministischen Widerstands, jeden Tag aufzustehen, das Haus zu verlassen und sich da draußen Raum zu verschaffen, jeden Tag aufs Neue. Die lauteste Feministin ist nicht automatisch die »beste« oder »stärkste« Feministin. Was wir jedoch vehement zurück weisen: die bisweilen zu vernehmende Forderung, dass Feminismus »heutzutage« irgendwie charmant, leicht verdaulich (vor allem für Männer*) oder heiter daher kommen müsse. Bisher hat noch keine gesellschaftliche Gruppe Verbesserungen ihrer Situation herbeigekuschelt. Feminismus, so wie wir ihn verstehen, wendet sich gegen ungerecht verteilte Macht, Ressourcen und Privilegien, und diese gibt kaum jemand zuvorkommenderweise mal eben auf, nur weil Feministinnen so hübsch lächeln. Und die Dringlichkeit ist hoch – und wird bis auf weiteres wohl auch kaum nachlassen, wenn man sich den Backlash ansieht, der seit einiger Zeit sein Unwesen treibt und mit Beginn dieses Jahres noch mal an Fahrt aufgenommen hat: fadenscheinige Sexismus-»Debatten«, die sich hauptsächlich um männliche Befindlichkeiten drehen, rape culture im Unterhaltungs-TV, das unbedingte Festhaltenwollen an Rassismus in Kinderbüchern, eine Familienpolitik die ihrem Namen spottet, der anhaltende Kampf um reproduktive Rechte... All das ist derzeit nicht gerade dazu angetan, Feministinnen in optimistische Stimmung zu versetzen. Ich persönlich wünsche mir mehr feministischen Krawall, weil es ohne leider nicht gehen wird.
Bei der Mädchenmannschaft kann man als Autorin mitmachen, bzw. gibt es die Möglichkeit auf die Gründung von Regionalmannschaften. Welche Mitstreiterinnen und Mitstreiter wünscht ihr euch?
Leute, die Lust haben, feministisch aktiv zu sein. Dabei müssen nicht immer alle alles gleich sehen oder finden oder meinen, aber wichtig ist uns ein Bewusstsein für die verschiedenen Machtverhältnisse, die unsere Gesellschaft strukturieren. Und die Bereitschaft, eigene Sichtweisen und Selbstverständlichkeiten auch mal in Frage zu stellen.
Die Mädchenmannschaft hat in der Zwischenzeit schon einige Preise eingeheimst – oder wurde nominiert: für den Grimme Online Award oder den alternativen Medienpreis etwa. Wo siedelt ihr selbst die Stärken der Mädchenmannschaft an? Welche Probleme gibt es, mit denen man umgehen muss? – oder: In welche Richtung soll es weitergehen?
Sowohl als auch: ein weites Feld... Unsere Stärken würde ich vor allem in unseren unterschiedlichen Perspektiven und Hintergründen sehen, die wir mitbringen, auch wenn die Besetzung der Mädchenmannschaft sicher keinen repräsentativen Querschnitt der deutschen Bevölkerung abbildet. Wir sind alle schon ziemlich lange auf die ein oder andere Weise feministisch aktiv, haben einen ganz guten Überblick über relevante Themen und Diskurse, ergänzen uns in unseren Kenntnissen und Sichtweisen. Außerdem haben wir meistens ähnliche Vorstellungen davon, wie wir als Blog arbeiten wollen. Im wesentlichen ist das auch das, wie es weitergehen soll: Wir wollen als Team noch mehr zusammen wachsen, unsere eigenen politischen Praktiken hinterfragen und ganz viel dazu lernen, auch von unseren Leser_innen, um weiterhin gute Arbeit zu leisten. Und dabei am besten nie ans Ende unserer Kräfte kommen – eine Gefahr, mit der jede von uns für sich, aber auch wir als Team umgehen muss/müssen.
Die Probleme, die sich stellen, sind unterschiedlicher Art: Da wären zum einen die begrenzten Ressourcen zu nennen, die jede von uns hat. Die Mädchenmannschaft arbeitet komplett ehrenamtlich, das was wir tun, machen wir in unserer Freizeit – neben dem, was wir sonst so machen (müssen). Dabei könnte die Mädchenmannschaft locker ein Vollzeitjob sein. Außer dem Schreiben von Blogposts spielt sich auch sehr viel hinter den Kulissen ab, was viel Zeit und Energie erfordert. Von beidem bleibt nach einem langen Tag mit Job und Kind oder anderen genauso wichtigen Aktivitäten nicht immer allzu viel übrig... Dann gibt es die üblichen Schwierigkeiten, wenn Frauen* sich mit eigenen und dann womöglich auch noch kritischen Standpunkten öffentlich positionieren: Es gibt Gegenwind – von Leuten, die finden, wir übertreiben, die Sexismus negieren, die meinen, man könne Sexismus kritisieren, ohne dabei andere Diskriminierungsformen, wie z.B. Rassismus mitzudenken, die uns verhöhnen, beschimpfen oder bedrohen, die im Internet oder in anderen Medien Stimmung gegen uns machen (und dabei auch vor schluderigen Recherchen und Falschinformationen nicht zurück schrecken). Andererseits haben in den letzten Wochen und Monaten aber auch wir gemerkt, dass der Backlash offenbar immer mehr Menschen zu schaffen macht, denn die Leser_innenschaft der Mädchenmannschaft vergrößert sich stetig. Im Januar konnten wir den bisherigen Rekord an Blogzugriffen seit Bestehen der Mädchenmannschaft verzeichnen – um ihn am Tag darauf direkt wieder zu brechen.