Sowohl Hans Platzgumer als auch Du selbst seid als Trash-Fans bekannt. Nun verfasst ihr ein Buch, in dem ihr den Status von gegenwärtiger Popmusik als Müll kritisiert. Trash als Genre, wie etwa Exotica oder 1960er Garagenpunk, kommt dabei nur am Rande vor. Was macht Musik zu Müll, und wie unterscheidet sich dieser Müll von Trash?
Keine Musik per se ist Müll, auch nicht Schlager. Ab dem Zeitpunkt, an dem du nicht mehr weißt, was auf deinem Computer ist, ist es Müll. Alles, was sich ergibt aus diesem ‚haben! haben! haben!‘-Wollen. Durch die Möglichkeit, alles runterzuladen, wird auch alles runtergeladen. Was ich nicht mehr brauche, wird aus irgendeinem Grund nicht gelöscht, sondern es belegt halt die Festplatte.
Ein Problem mit Trash ist dagegen, dass der Begriff gegenwärtig stark mit Privatfernsehen in Verbindung gebracht wird, und von der Formel ‚so schlecht, dass es schon wieder gut ist‘ geprägt ist. Hier spielt allerdings immer neoliberale Ideologie mit, wie z.B. im Sich-lustig-machen über sogenannte Unterschichtsfamilien deutlich wird, oder auch im Leistungsdruck der gegenwärtigen Pop-Castingshows. Das empfinden wir als einen komplett falschen Ansatz, da er völlig außer Acht lässt, was Trash eigenlich ausmacht: das subversive Potential von billigen, leicht zugänglichen Produktionsweisen und -mitteln.
Die Definition von Musik=Müll als Datenberge, die ungenutzt Speicherplatz belegen und von vorne herein immer schon Abfall sind, ähnelt der Argumen-tation in Simon Reynold‘s Retromania. Du hast das Vorwort zur deutschen Ausgabe dieses Werkes verfasst, stehst aber dem Autor und seinen zukunftsfetischistischen Thesen sehr kritisch gegenüber. Was unterscheidet eure Position von jener Reynolds?
Der Blick unseres Buchs reproduziert nicht unsere privilegierte Position als Pop- und Trash-Auskenner, sondern richtet sich eher an interessierte Durchschnittskonsument_innen. Uns geht es um die Kritik aktueller Hörgewohnheiten. Wie bei Reynolds geht es auch um einen Generationenkonflikt, aber mit einem wichtigen reflexiven Moment. Im Buch gibt es zwei fiktive Personen, einen Vater und einen Sohn. Der Sohn spielt dem Vater aus dessen Sicht ganz schreckliche mp3s vor, und beim Vater gibt es erst diesen emotionalen Affekt: Was hört mein Sohn für einen Schas? Dann aber denkt er sich: He, das ist ja Eurotrash. Und stellt damit Bezüge zur eigenen Plattensammlung her: Pump Up The Jam von Technotronic oder 2Unlimited finden sich dort auch. Diese reflexive Ebene galt es im Buch auszuloten. Allerdings sieht man im Buch auch, wie der Vater letztendlich an diesen Fragen scheitert.
Also nehmt ihr im Gegensatz zu Reynolds die Vergangenheit als wichtiges Feld für Referenzen und Reflexion wahr?
Wie Reynolds geht auch uns die gegenwärtige Flut an Re-Issues auf die Nerven, weil sie Kanäle verstopfen. Allerdings gilt es hier wichtige Unterscheidungen zu treffen. 70er Jahre Funk-Psychedelik aus Afrika zum Beispiel, ein Genre, das nie im Popdiskurs war, verstopft weniger Kanäle als die hundertste James-Brown-Edition. Aber, da Musikjourna-list_innen faul sind, schreiben sie lieber über etwas, das sie schon kennen. Problematisch sind Re-Issues, wenn es nicht darum geht, diese Musik mit neuen Ohren zu hören, sondern nur darum, sie so zu servieren, wie sie ohnehin immer schon rezipiert wurde.
Neu hören führt auch oft zu neu machen. Ihr fasst es sehr eindringlich zusammen: Die Idee des musikalischen Genies, das sich nur im ‚NOW!‘ befindet, und nur aus sich heraus bar jeder Einflüsse von außen komplett neue Popmusik schafft, ist nicht haltbar.
Wir lehnen eine solche Sichtweise aus ideologischen Gründen ab. Wir schreiben: Geistiges Eigentum ist Diebstahl. Nicht weil wir sagen, es gibt keine Urheber_innenschaft. Aber diese Festschreibung des geistigen Eigentums ist natürlich schon sehr kapitalistisch und neoliberal durchtränkt. Von mir geschaffene Musik als Haus, das ich mit eigenen Händen gebaut habe, und verteidigen muss: Das ist eine bürgerliche Erfindung. Die Musikgeschichte zeigt, dass es auch anders geht: In der Zeit des Barocks hat es die wunderschöne Kunst des Zitats gegeben, und die bekanntesten und geschätzesten Komponisten waren jene, die am meisten zitiert und variiert worden sind.