Zugegeben: Die Subheadlines waren extrem erfrischend. Doch keine Angst: Der Rest wird anstrengend as fuck. Ich stelle darum umgehend in Aussicht, dass am Ende des Artikels erneut David Hasselhoff wartet. Durchhalten lohnt sich also. Und nicht vergessen: Wer scrollt, der scrollt. Es geht um politische Kunst. Subversive Kunst. Engagierte Kunst.
Strategie I: Metadada
In der europäischen Geisteswelt geht die Mär um, Kunst habe im Laufe der Neuzeit Autonomie erlangt. Zuvor sei Kunst primär ein Instrument der Religion und/oder der Herrschaft gewesen. Und damit auch gleich mal jede/r weiß, dass ich studiert habe, bezeichne ich diesen Emanzipationsprozess – mit Agamben und Ranciere – als den Übergang vom »repräsentativen Regime der Künste« zum »ästhetischen Regime der Künste«. Und nur KennerInnen von Agamben und Ranciere wissen jetzt, dass ich von Agamben und Ranciere keinen Tau habe.
Strategie II: Nichts nicht unterlaufen
Diese gesellschaftliche Entfesselung der Kunst – follow the reader – ermöglichte diverse ästhetische Revolutionen, die vorwiegend im 19.Jahrhundert ihre Anfänge nahmen. Moderne = Feuerwerk10. Die Disziplinen agieren zunehmend undiszipliniert, befreien sich von überkommenen Regelkonvoluten, vervielfältigen die Gestaltungsmittel und machen die Grenzen zwischen den Genres durchlässiger. JOURNALISMUS DARF ALLES. Die Auslotung der Möglichkeiten schreckt weder vor dem Nullpunkt noch vor der vermeintlichen Selbstauflösung des eigenen Tuns zurück. John Cage komponiert 4‘33‘‘, ein Stück aus Schwein
womöglich ellenlang, doch im Schatten dieser vier Klarsichtfolien malt Malewitsch ein schwarzes Quadrat auf weißem Grund. Duchamp stellt ein Pissoir ins Museum. Hätte die Kunst verabsäumt, ein derartiges Selbstbewusstsein zu entwickeln, gäbe es heute gar keine Möglichkeit nach dem Sinn und dem Status ihrer Politisierung zu fragen. Erst durch die Befreiung aus ihrer einst angestammten sozialen Rolle und ihrer vorgegebenen politischen Funktion (Repräsentation der regierenden Kräfte, Stabilisierung der Macht) konnte sie eigenständig Stellung beziehen.
Strategie III: Intertextuelle Spielerei
Die Kunst ist also nun frei und wild und alles eitel Wonne? Bevor uns das Kiefer vom Gähnen schmerzt, fragen wir unseren Korrespondenten, Zack de la Rocha. Der Frontmann von Rage Against The Machine bekannte 1999: »Als wir begannen, wirklich erfolgreich zu werden, wurde mir schnell klar, dass wir nicht länger darum herum kommen würden, uns mit der Mainstream-Pop-Konsumenten-Kultur auseinander zu setzen. Dort gibt es die Tendenz, revolutionäre Thesen und Ideen, Grassroots-Bewegungen, sprich alles, was Widerstand bedeutet, aufzusaugen, zu verwässern und glatt zu bügeln. So stellt schließlich die revolutionärste These irgendwann keinerlei Bedrohung mehr für das Establishment dar.« Kurz danach verließ Zack de la Rocha Rage Against The Machine und trug damit die Band zu Grabe. Was ist übrig geblieben? Postmodern gestaltete Teenie-Rucksäcke (»Battle of Los Angeles«-Buttons neben »Böhse Onkelz«-Patches), ein Genre, das die Welt nicht braucht (Nu-Metal) und eine zeitweilige Reunion, die an schmerzvoller Inkonsequenz kaum zu überbieten war. Der Appetit der Maschine ist grenzenlos und kennt keine Schamgrenzen: Miserabel rappende Rechtspopulisten inklusive StraCHE-Guevara-Shirts, Nirvana-Motive bei H&M, Punk von der Stange. Sylvère Lothringer: »Kritik ist zu einem Trugbild der Kritik geworden, zu einem Gegen-Diskurs, der dem Konsum immanent ist – so wie das cool smile der Pop Art sich nicht von kommerzieller Komplizenschaft unterscheidet. [...] Hindernisse und Widerstände werden in Wirklichkeit überall vom System genutzt, um sich weiterzuentwickeln. In diesem Prozess hat die Kunst viel von ihrer Singularität und Unberechenbarkeit verloren.« FIRFIVFBCPJFDCNÜRFKCN – Damit hast Du nicht gerechnet.
Strategie IV: Desperate Sturheit
Wie kann Kunst relevant sein und sich trotzdem dauerhaft der kapitalistischen Verwertungslogik entziehen? Wie kann Kunst das große Getriebe gehaltvoll irritieren – nun, da »Subversion zur Funktion des Systems selbst geworden ist« (Katja Diefenbach)? Oder – so ist es doch meistens – ist die Frage falsch gestellt? Natürlich ist die Frage falsch gestellt. Und die Antwort steht HIER. Da das die Wahrheit und nichts als die Wahrheit ist, scheiß ich auf diesen Text, samt den schönen Zwischenüberschriften, die ich ursprünglich vorgesehen hatte: »Adorno vs. Artivism«, »Godard vs. Pussy Riot«, »Subversive Formwandler vs. Arrrt Action Heroes«, »Der Geist ist ein Knochen vs. The truth is concrete«. Wäre wirklich interessant geworden.
Aber ohne Adorno geht es wirklich nicht: »Die adäquate Haltung von Kunst wäre die mit geschlossenen Augen und zusammengebissenen Zähnen.« Nur für den Fall, dass Dir dieser Artikel nicht zusagt. Falls Dir dieser Artikel nicht zusagt, liegt das nicht notwendig an ihm. Er selbst interessiert sich übrigens nur für sich, insofern er sich »als Instrument, Taktik, Erhellung in einen wirklichen Kampf einfügt« (Foucault). Er möchte von seinen Schriftatomen, dass sie »so etwas wie Operations-messer, Molotowcocktails oder unterirdische Stollen sind und dass sie nach dem Gebrauch verkohlen wie Feuerwerke« (Foucault).
Strategie V: Tue simpel, tue niederschwellig, damit Dir niemand den Vorwurf machen kann, Dein Getue wäre distinktiv, hermetisch und selbstgefällig
Wozu Theorien wälzen, Begriffe abwägen und berühmte Leute falsch zitieren. Wenn man mit einem Text die Welt verändern kann. DONE. »I‘ve been looking for freedom«.
Strategie VI: David Hasselhoff