»Wer schafft dieses Tempo der Zeit, das es den anderen so gemütlich macht? Sie alle. Mit Ihrer Hände Arbeit wird es geschaffen. Sorgen Sie dafür, dass es den anderen, das ist die herrschende Klasse, verdammt ungemütlich wird. Vernichtet die Ausbeutung. Dann erst wird der technische Fortschritt denen dienen, die ihn schaffen. Ändert die Welt, sie braucht es.«

So optimistisch und appellativ konnte David Weber (aka Robert Gilbert) noch 1929 für Hanns Eislers Op.16, die Rundfunkkantate »Tempo der Zeit« texten. Das war, bevor sich deutsche und österreichische Arbeiterschaft in der NS-Wehrmacht vereinigten und an jenem millionenfachen Mord beteiligten, den u.a. Léon Poliakov bereits früh dokumentiert und analysiert hat. 70 Jahre nach der französischen Erstveröffentlichung ist seine Gesamtdarstellung der Shoah unter dem Titel »Vom Hass zum Genozid« erschienen – Anselm Meyer bringt sie uns näher. Änderungen braucht die Welt nach wie vor, aber nicht noch mehr von denen, die sie zu dem gemacht haben, was sie ist – bzw. was sie wird (lebensfeindlicher). Was das Klima angeht, reden die einen vom Wetter, die anderen vom »Green Deal«; was mit letzterem nicht stimmt, zeigt Thomas Konicz und Maximilian Johannes Hauer untersucht die Idee eines »Rettungskommunismus« gegen Naturzerstörung.

Wenn die Welt krachen geht, hilft uns zwar kein digitales Parallelhabitat – bis es soweit ist, können Menschen aber demnächst ihr Leben (und v.a. Arbeiten) ins »Metaverse« verlagern – Felix Stalder stellt diese Ausgeburt von Kommerz und Kontrolle in all ihrer Schäbigkeit vor, während Michael Aschauer auch auf deren Vorbilder in der Science-Fiction-Literatur verweist. Den Adepten dieser Visionen bei Facebook & Co. dürfte der dystopische Grundton vollständig entgangen sein und auch beim Text zu Nina Hagens Song »Du hast den Farbfilm vergessen« werden die verstörenden Aspekte meist komplett ausgeblendet. Nach dem Beitrag von Magnus Klaue, der den Song auch mit der Sexualpolitik in der DDR vermittelt, erscheint dieser Musikwunsch von Angela Merkel für ihre Verabschiedung jedenfalls in ganz neuem (und nicht eben schmeichelhaftem) Licht. Als physische Vorläuferinnen des Metaverse – im Sinne simulierter Realitäten in Form von Konsumhöllen – können Shopping Malls gesehen werden; der ursprüngliche Impetus von deren Erfinder, dem Architekten Victor Gruen, war dagegen durchaus sozialreformerisch, wie Kristian Faschingeder nachweist. Als Gruen 1932 sein erstes Architekturbüro in Wien eröffnete (das 1938 von den Nationalsozialisten enteignet und Gruen zur Emigration gezwungen wurde), bahnte sich in Österreich bereits das austrofaschistische Regime an, dessen juristische Aufarbeitung lange Zeit nicht geschah. Erst 2012 trat ein Gesetz in Kraft, das die vom Ständestaat politisch Verfolgten rehabiliteren sollte. Paul Schuberth befragt den Historiker Florian Wenninger danach, was sich diesbezüglich in den letzten zehn Jahren getan hat.

Das kommende Stadtwerkstatt-Jahr steht unter dem Claim »Unter den Zuständen« – wir geben einen Überblick über das Jahresprogramm und stellen einige geplante Aktivitäten vor. Dazu gehören jetzt auch wieder Veranstaltungen im Saal –
etwa die Klanginstallation/Performance »Murmel-Strom« von Margarethe Maierhofer-Lischka und Stefan Schmitzer, basierend auf dessen Textband »liste der künstlichen objekte auf dem mond. gedicht«, aus dem sich in dieser Ausgabe ein Auszug findet. Am 8. März veranstaltet fiftitu% am Hauptplatz und ab 20:00 in der Stadtwerkstatt wieder »Feminismus und Krawall« – verstummt ist dagegen die Stimme von bell hooks, die vergangenen Dezember verstorben ist. Tina Füchslbauer erinnert an die feministische Aktivistin und Autorin.

Insgesamt mischt sich im Konzertbetrieb gelinde Zuversicht mit der Sorge über die großflächigen Verschiebungen aufgrund der Pandemie und Nachteile für kleinere und unabhängige Einrichtungen: Kristina Pia Hofer hat mit Michi Giebl und Natascha Muhic von Transformer und SSTR6 über die Situation von DIY-Kultur gesprochen und Berthold Seliger analysiert, inwieweit sich die Tendenzen zu Monopolisierung und Kommerzialisierung im Veranstaltungsbereich verstärkt haben.

Noch ein Hinweis in quasi-eigener Sache: Von Richard Schuberth erscheint Anfang März 2022 im Drava-Verlag »Die Welt als guter Wille und falsche Vorstellung. Ein identitätspolitisches Lesebuch«. Darin finden sich auch einige Beiträge aus der Versorgerin – hocherfreut darüber zeigt sich nicht zuletzt

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