Unter den Fundamenten des Hauses: GO-Manifesto
2022 wollen wir einen Prozess einleiten, der den organisatorischen Aufbau der STWST zwischen Kunst und Struktur reflektiert: Viele Jahre Geschichte, kollektive Prozesse, Kooperationen, permanente Veränderung, informelles Wissen, temporäre Communities, Autonomie, Selbstermächtigung, neue Tätigkeitsfelder, offene Konzepte des Zusammenhangs, kreative Erneuerung, kulturelle Transformation, soziale Sphären … innerhalb der STWST und ihrer Bereiche Kunst, Medien, Club und Cafe Strom sollen die über Jahre praktizierten Konzept von Theorie und Praxis überprüft werden und zu einem Wissenskonvolut verdichtet werden. Die STWST hat seit Jahren einen enormen Output, ein breites Spektrum, wildert im tatsächlichen Need und verstand es immer, sich Mittel und Medien anzueignen, emanzipativ zu nutzen und zu künstlerischen Akten zu verdichten. Gleichzeitig steht das Haus seiner eigenen Administration gegenüber. Kunst zwischen eigener Ästhetik, Aktivismus, Aktionismus, Avantgarde und Administration: In einem GO-Manifesto, einem Geschäftsordnungs-Manifest, soll das Wissen, das die Fundamente des Hauses bildet, gleichermaßen realistisch wie frei flottierend aufgeschrieben werden. Es geht um kritischen Reflexion und anders intendierter Nutzung. In diesem Zusammenhang z.B. interessant: »Radical Admin«, gehosted 2019 vom Cube Cinema/Bristol.
Unter den Fundamenten des Hauses: Das Datenwohnheim
Die Archivierung von Daten ist eine Herausforderung für jeden Kulturbetrieb, besonders aber für diejenigen, die wie die STWST in experimentellen zeitnahen Bereichen arbeiten. Dazu kommt bei der STWST eine über 40jährige kollektive Geschichte. Was wird archiviert? Welche Software wird verwendet? Ab welchem Zeitpunkt soll man Daten in ein Archiv verschieben? Wie vermeidet man persönliche Priorisierungen? Über 40 Jahre sind Daten der Stadtwerkstatt gesammelt worden. Vieles ist vorhanden. Es wurde in unterschiedlichen Phasen des Hauses mit unterschiedlichen Softwarelösungen gearbeitet. Die Daten sind dementsprechend verteilt, Fakt sind teilweise auch veraltete Software und nicht mehr aktuelle Betriebssysteme. Der Ansatz, den wir 2022 unter dem Titel Datenwohnheim betreiben wollen, liegt in der Veranschaulichung dieser vorhandenen Strukturen (»Wo wohnen die Daten?«). Es geht um eine neu organisierte und hierarchisierte digitale Datei- und Ordnerstruktur, die als Entwurf und Orientierung gleichzeitig auf eine große analoge Papier-Collage übertragen werden soll – um Zugang und kollektive Organisation zu dokumentieren. Weiters soll geprüft werden, ob durch die Verwendung von Prüfsummen und Blockchain-Technologie eine Manipulation der Daten verhindert werden kann. Wer dokumentiert, verliert – das war einmal.
Erweiterte Displays: Unvermittelte Kunst
Im Prozess der Auseinandersetzung mit den Strukturen und Fundamenten des Hauses will sich die STWST heuer mit neuen und alten Fragen von Kunst, Autonomie und Selbstermächtigung auseinandersetzen. Interessant sind dabei bereits früh proklamierte Begriffskombinationen wie »Kunst-Struktur-Entwicklung-Vermittlung« – respektive der mittlerweile mit völlig anderer Bedeutung versehene Begriff »Vermittlung«. Der Begriff Vermittlung soll heuer bewusst gewendet werden – in den direkten Need einer »Unvermittelten Kunst«. Diese Kunst entsteht unmittelbar und direkt, jenseits des Marktes, der Netzwerke, jenseits einer Fremd-Beauftragung, aus kollektiven und sozialen Sphären der Umstände und Zustände. Unvermittelte Kunst ist da, stellt sich her, kann ALLE Formen annehmen und braucht sich nicht zu erklären – sie bedeutet direkten Draht und braucht nichts und niemanden. Das ist die Behauptung. Diese nimmt bestehende Dynamiken der Selbstermächtigung und Selbstkuratierung auf.
Selbstkuratierung ist längst zu einer gängigen Praxis geworden, auch und gerade ohne offizielle Absegnungen. Im System Kunst beschlagwortet die Selbstkuratierung die Fortsetzung klassischer Selbstermächtigungs-Strategien sowohl in einer positiven als auch negativen Avantgarde. Die Umstände dieser positiven wie negativen Avantgarde sind allgemein bekannt und weitreichend – von Selbstbeauftragungs- bis Selbstvermarktungsstrategien, von Nivellierungstendenzen bis hin zu Totalisierungstendenzen und zweifelhafter Herstellung von Öffentlichkeiten. Die Selbstermächtigung für Alle ist längst ausgerufen. Wir stellen die Frage, ob wir im Bereich der Kultur die Kunst-Institutionen und Expert°innen überhaupt noch brauchen.
Selbstkuratierung