Der letzte linke Kleingärtner, Teil 14: Von guten und schlechten Frontschweinen

Wir haben unseren letzten linken Kleingärtner gebeten, sich mit den Frontschweinen an seiner Gartenfront und im sonstigen Leben zu beschäftigen. Hier seine Tagebuchnotizen. 

Es gibt Rituale, die einem das Leben schwer machen, die man aber partout nicht abgeschüttelt bekommt. Wer sonst, außer der große linke Kleingärtner, steht dafür beispielhaft wie eine Eins im Frühjahrsnebel. Das Ritual beginnt jedes Jahr im Herbst, nachdem das Gros der Ernte eingefahren ist. »Man müsste und sollte« jetzt umgraben und die blanke Erde mit Grasschnitt bedecken oder ähnlichem organischem Material wie Laub. Solange diese Gedanken die Belanglosigkeit des Konjunktivs nicht verlassen, tangieren sie mich nicht, weil sie mich lediglich als vage Idee für ein besseres Morgen in sicherer Entfernung erreichen. Als faktengläubiger Mensch halte ich mich vom Geraune aller Art fern. So kommt der Winter, so vergeht der Winter und schon klopft der Frühling an die Tür. Und siehe da, aus dem »Man müsste und sollte« sind die im doppelten Sinne des Wortes harten Fakten des Frühjahrs geworden. Dann muss ich eben jetzt den Boden etwas lockern und umgraben. Das wäre im letzten Herbst direkt nach der Ernte viel leichter gewesen. Jetzt zahle ich mit Rückenschmerzen den Preis für mein Verharren im »Man müsste und sollte«. Jeden anderen würde ich ob dieser verbalen Wankelmütigkeit zurechtweisen, dass es sich gewaschen hat. Aber was soll ich mit mir machen? Eine große Geste des Verzeihens & Vergebens, wie es die Bibel im Gleichnis vom verlorenen Sohn zelebriert? Meinetwegen. Alles andere würde mich nur runterziehen und am Ende des Tages würde ich meinen eigenen Missmut unter der Menschheit verbreiten. Das hat diese nicht verdient. Also, Augen zu und durch: Morgens vor der Arbeit zwei Stunden früher raus, im Halbdunklen der Nässe und Kälte getrotzt und mit Grabgabel bewaffnet, das Nötige getan. Stich für Stich. Und unaufhaltsam reift dabei in mir die Idee für den nächsten Herbst vom »Man müsste und sollte«.
Eine kleine aber nicht unwichtige Entschädigung bereiten mir beim morgendlichen Tun die Regenwürmer. Phantastisch, diese haben an der Gartenfront ihre Arbeit gemacht und sich seit Herbst durch die Erde gewühlt und diese aufgelockert. Es gibt nur wenige Flecken, wo ihre Bataillone eine zu geringe Mannschaftsstärke hatten. Mit solchen Frontschweinen gewinnt man jeden Krieg im Gemüsegarten.

Apropos »Mannschaftsstärke«. Während ich vor mich hin grabe und im zufriedenen Zwiegespräch mit meinen Regenwürmern versinke, ziehen über mir am Himmel ganze Heerscharen von Artilleriegeschossen und sonstiges Kriegsgerät von Westen nach Osten. Sie sind auf dem Weg in die Ukraine. Angeführt werden sie von der schärfsten Granate, die der Deutsche Bundestag zu bieten hat, Agnes Strack-Zimmermann von der FDP und ihrem Beifahrer, dem grünen Anton Hofreiter. Strack-Zimmermann fiel vor dem Ukraine-Krieg nie sonderlich auf. Aber seit 2022 agiert sie wie eine Rüstungslobbyistin und als parlamentarisches Sturmgewehr schlechthin. Der grüne Anton aus Bayern steht ihr in nichts nach. Sobald sich in den Reihen der Kanzlerpartei, der SPD, oder sonst wo in der Gesellschaft mal ein Gedanke hervortut, der Begriffe wie »einfrieren«, »Moratorium« oder »verhandeln« enthält, verwandeln sich Hofreiter und Strack-Zimmermann in multiple Kampfgruppenverbände und bringen die Öffentlichkeit wieder auf Linie: Mehr Waffen, mehr Waffen, mehr Waffen. 

In der Tat, es gibt gute Gründe, der Ukraine Waffen zu liefern, denn das Land wurde von Putin angegriffen und soll gekillt werden. Das Recht zur Selbstverteidigung ist gegeben und braucht nicht durch Appeasement nivelliert zu werden. Nur, wer wie Hofreiter und Strack-Zimmermann jedes Nachdenken über eine mögliche (!) Nicht-Lieferung dieses oder jenes Waffensystems zwanghaft als Nachgeben vor Putin abtut und behauptet, damit würde die Ukraine im Stich gelassen, hat einen schlechten Joint geraucht. Vom Primat der Politik haben sich Agnes & Anton längst verabschiedet. Während in diesen Minuten im Nahen Osten sogar mit der Hamas verhandelt wird, die nie einen Hehl daraus machte, alle Juden töten zu wollen, soll dies bei Putin ein Tabu sein. Ich bin dafür, der Ukraine Waffen zu liefern, aber mit dem schrillen und nie enden wollenden, unzufriedenem Geraune der Ballerfrau und ihres grünen Ballermanns komme ich nicht klar. So verging Morgen für Morgen und der zu bestellende Teil des Gartens ist jetzt hergerichtet und wurde Reihe für Reihe mit Saatgut aller Art belegt. Und natürlich Kartoffeln. Die wachsen in Deutschland immer.

Drei Praxistipps für den Garten:
Baue Bunker, halte durch. 
Traue dem Waffengeklimper nicht.
Dem Regenwurm kannst du trauen.

Roland Röder ist Geschäftsführer der Aktion 3.Welt Saar e.V. (www.a3wsaar.de), einer allgemeinpolitischen NGO in Deutschland, die bundesweit arbeitet, u.a. zu Landwirtschaft, Asyl, Migration, Islamismus, Antisemitismus, Fairer Handel. Er mag den Begriff „Hobby“ nicht und lebt einen Teil seines Lebens als aktiver Fußballfan. Die Gartenkolumne erscheint auch in der Luxemburger Wochenzeitung WOXX .