Feral is the empress

Die Stadtwerkstatt hostet seit April dieses Jahres den Empress Club – eine von Oona Valarie Serbest und Sandra Krampelhuber betreute Veranstaltungsreihe, die sich den Agenden von breit aufgespannter Bassmusik im Sinne des Feminismus verschreibt.

Und doch ist es gleich zu Beginn gefallen, das Wort Feminismus. Einem Labeling, dem sich Oona Valarie Serbest und Sandra Krampelhuber insofern, bei dieser Reihe, in seiner zu vorschnell eingrenzenden und klischeehaft als »Frauending« verstandenen Weise verwehren wollen. Es gehe ihnen in erster Linie um eine »Herstellung von Selbstverständ-lichkeit«, wenn es um Frauen auf der Bühne geht, in einem Bereich von Musik, der ihnen ein Anliegen ist: im Bereich von HipHop, Rap, Dubstep, Grime, Tropical, Dancehall und etc … eben von Bassmusik. Das betrifft den selbstverständlichen Umgang, was das Booking von weiblichen Künstlerinnen betrifft und reicht bis zu einer Kuratierung, die nicht ausschließlich Frauen als Publikum ansprechen soll. Nach nunmehr sieben Veranstaltungen freut man sich zum Beispiel darüber, dass das Konzept aufgegangen ist, interessante Musikerinnen auf die Bühne geholt und, was die Wahrnehmung nach außen betrifft, auch ein gemischtes Publikum erreicht zu haben. Zumal es um eine offensive Bühnenpräsenz der Musikerinnen geht – und nicht um eine neuerliche Eingrenzung auf Geschlecht. Logisch ist es dann auch, dass die Line-ups nicht nur aus Frauen bestehen und in irgendeiner Weise »Frauenmusik« repräsentieren, sondern dass diese Line-ups größtenteils aus Frauen bestehen – und dass die Frauen auch im Zentrum des Geschehens programmiert sind. So werden etwa männliche DJs, wenn eingeladen, ihrer normalerweise angestammten Plätze des Hauptacts verwiesen und machen beim Empress Club sehr gerne das Warm-up oder die Auflegerei danach. Dass das tatsächlich funktioniert, ist auch ein Zeichen, dass man das Konzept als geglückt zusammenfassen kann: Will man sich beim Empress Club der offen zur Schau gestellten Feminismus-Beschlagwortung verwehren, dann deswegen, um die befreiende Kraft des Feminismus in der Praxis offen zu halten – denn schließlich geht es bei emanzipatorischen Bewegungen ums Hinterfragen und Durchbrechen von Hierarchien, Konstrukten, Normen und Wertungen, die uns alle betreffen – Feminism is schließlich for everyone!
Gekommen ist es zum Empress Club so: Oona Valarie Serbest ist seit Jahren in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder mit feministischen Fragestellungen beschäftigt, mit Musik sowieso. Und Sandra Krampelhuber war zuletzt mit ihrem Film »Queens of Sound«, der sich mit Frauen in der Dancehall-Szene in Jamaica beschäftigt, in London eingeladen – und war beeindruckt von der Qualität einer Eventreihe, die unter dem Titel »Fly Girls, Make Noise« Filme, Musik und Poetry zeigte. Mehr oder weniger direkt führte das dann heuer zur Geburtsstunde des Empress Clubs – und zu einem Konzept, das sowohl weibliche role models featuren wollte, als es auch im Sinne einer Praxis des kuratorischen Inbetweens neuen künstlerisch-musikalischen Formen von Musikerinnen Platz geben will. Stolz präsentierte Künstlerinnen der Reihe sind unter anderem Akua Naru, eine »überaus charismatische Musikerin«, so die beiden Veranstalterinnen, Lady Leshurr & Paigey Cakey, »die spannend sind, weil sie sich zwischen englischem Grime und amerikanischen Hiphop bewegen und da was ganz Neues machen« und Feral is Kinky, von der das britische DJ Magazine schreibt: »She is one of the most distinctive voices in UK electronic music«.
Feral is Kinky war überhaupt ein prototypischer Idealfall für die Reihe und steht in beeindruckender Weise dafür, was Musik von Frauen alles sein kann, und wie umfassend konsequent diese Frauen agieren. Denn nicht nur ihre Musik, sondern auch ihr Erscheinungsbild macht die Londoner Künstlerin zur gehypten Kunstfigur. Eingang hat sie als Künstlerin auch in die bildende Kunst gefunden. Sie macht zudem von Lyrics, Beats, Sound bis hin zum Produzieren und zum Management alles selbst. Und genauso wenig, wie sich ihr Sound in enge Kategorien zwängen lässt (»Versuche musikalischer Zuordnungen reichen von Reggae, House, Tropical, Moombathon, Global Bass, Bashment, Electro/Tech House bis Dubstep«), entzieht sie sich bei ihren Bühnenauftritten durch das Tragen verschiedener Masken der unmittelbaren Zuordnung nach Parametern wie Geschlecht, Herkunft oder Klasse. Sie durchbricht Kriterien von Schönheit und sozialer Konformität, bzw. rückt sie ihr Bühnenwesen in eine attraktive Ambivalenz von verfremdender Distanz und surrealer Vertrautheit. Und jenseits der Klischees des Musikbusiness ist Feral is Kinky außerdem keine ganz junge Frau mehr, erlangte internationale Bekanntkeit in den frühen 90er Jahren als Frontfrau der von Boy George gesignten E-Zee Posse inmitten der Londoner Acid House Explosion. Sie ist mit ihrem Lebensweg wohl eine zeitgenössische Feral Empress im besten Sinn – denn es werden beim Empress Club gerne Frauen eingeladen, die sich im Musikgeschäft ihr musikalisches und soziales Standing erkämpft haben. So gesehen war der Erfahrungsschatz der Künstlerin den beiden Veranstalterinnen allemal eine Lecture vor dem Konzert wert.
Womit wir bei einem anderen wichtigen Element des Empress Clubs angelangt sind, der »ein gewisses edukatives Moment« in die Reihe einzubringen sucht, so Sandra Krampel-huber. Neben der Lecture von Feral is Kinky wurde beispielsweise im Mai von der Künstlerin Lyric L ein Workshop angeboten, wo es um Creative Writing und Verfassen von Rap-Lyrics ging. Beim zuletzt veranstalteten Abend im November, bei Sweetybird, wurden Jamaican Movies gezeigt, die unter anderem über die X-rated Tanzstile des Dancehall Auskunft geben. Etwas mehr zu wissen, besonders hervorzustechen, besonders gut von Anfang an zu sein, das ist für Frauen immer noch besonders wichtig, um nicht gleich ins Klischee »good for a girl« hineinzutappen. Die beiden Veranstalterinnen: »Das ist immer noch so, auch wenn man sich vielerorts sehr bemüht zeigt.« Ob man mit der Forderung nach Quote reagieren will, oder nicht – in diesem Punkt gehen die Meinungen auseinander. Ärgerlich ist vieles allemal. Man ist sich der herkömmlichen Schemata in der Musikszene sehr bewusst, die nur allzu oft die Frauen in die B-Rangordnung der Wahrnehmung rückt: »Man bucht im normalen Geschäft oft lieber dreimal die selben Männer, bevor einem die vielen guten Frauen einfallen, die es auch gibt«, so Oona Valarie. Sie verweist auf eine Statistik von female:pressure, eines Wiener Netzwerkes, das in einer aktuellen Analyse der weiblichen Festivalbeteiligung auf beschämende 10% gekommen ist. Immer noch werden zu oft Musikerinnen vergessen, kaum oder nicht wahrgenommen, oder anderwärtig abgekanzelt. Ein Umstand, der sich strukturell widerspiegelt, und sich eigentlich in allen Veranstaltungshäusern zeigt, die nicht eben aus einem speziellen Bewusstsein heraus agieren. »Man braucht sich da nur den Posthof anzusehen«, so die beiden. Umso erfreulicher ist es deshalb, dass der Empress Club bereits mehrfach eingeladen wurde, Acts für Reihen außerhalb zu buchen: etwa im Rahmen des Festivals der Regionen (DORF TV, »Sternpunkt-T«), im Rahmen des Linzfestes, der Nightline zur Ars Electronica, und für kommendes Jahr von den Veranstaltern der Nightline von Crossing Europe. Ebenso konnten die beiden Amplify Dot für das diesjährige STWST-Open Air buchen, die »zehn Jahre nach Lady Dynamite die erste Frau mit einem Major Deal in UK in Bassmusik war … da kann man innerhalb der Szene noch so sehr gegen einen Major Deal sein, wenn es so lange Jahre dauert, dass das eine Frau wieder schafft, dann heißt das etwas«. Das sind die größeren Strukturen, in denen man die Frauen auch besser platziert sehen will. In den kleineren Strukturen der unmittelbaren Arbeitsumgebung freut man sich auch über interne Effekte in der Stadtwerkstatt: »Die Diskussionen gehen ja weiter, es hat mittlerweile einen Umkehreffekt gegeben. Man ist hier stolz darauf, dass es zunehmend besser funktioniert, den Frauen einen entsprechenden Stellenwert zu geben«. Und die Szene freut sich allemal, so ist der Empress Club nach Meinung von Kinetical Field Marshall »etwas, das Linz unbedingt nötig hatte und die Clubszene rund um die Basskultur sehr bereicherte. Nicht nur aufgrund der Bookings von female artists und DJ‘s in männerdominierten Musikbranchen, sondern auch aufgrund der neuen Sounds und Styles … um zu zeigen, dass sich weltweit einiges tut am Bass-Sektor und die Welt nicht bei DnB, Dubstep und Dancehall stehen geblieben ist, wie man in unserer Stadt oft vermuten möchte«. Abschließend ein Statement von Yasmo aka Miss Lead: »The Empress Club zeigt großartige Künstlerinnen und lässt die Musik im Mittelpunkt stehen. Es geht um gute Musik von tollen Frauen, nicht darum Frauenquoten zu erfüllen. Es ist abgeklärt feministisch, so wie ich es mag«.