Journalistischer Katechismus

Viertes Hauptstück: Von der Abtödtung in der journalistischen Ausbildung

Was ist die Abtödtung?
Eine Gemüths-Verfassung, wodurch der angehende Pressemensch, mithilfe der journalistischen Gnade über sich selbst eine edle Herrschaft auszuüben lernt, um seine oder ihre Neigungen zu bändigen und die verkehrten Bewegungen, sowohl die innern als die äußern, im Zaume zu halten.

Welches sind die vornehmsten Teile der Abtödtung?
Sie sind von zweierlei Gattung; zur ersten gehört die Strenge gegen den Leib und die Bezähmung der Sinne; und diese nennen wir die äußere Abtödtung. Sie findet vor allem in der praktischen Ausbildung statt. Die andere befaßt sich mit der Herrschaft über die Affekte, und mit dem Bestreben, die publizistischen Vermögen in die rechte Harmonie zu bringen; und diese nennen wir die innere Abtödtung. Sie wird heutzutage am Besten erreicht in einschlägigen tertiären Bildungseinrichtungen.

§1 Von der äußeren Abtödtung

Worin besteht diese?
In einem redaktionsgefälligen Leben.

Was fordert ein redaktionsgefälliges Leben?
Das Erste ist, daß man dem Leibe die Ergötzungen und Bequemlichkeiten entziehe, was durch Kotaus, Katzbuckeln u. a. geschieht. Das Zweite ist, daß man dem Leib Plage mache mit Pressekonferenzen durchsitzen, O-Tönesammeln u.f.m; das Dritte, daß man ihn durch unbezahlte Mehrarbeit und ähnliche Anstrengungen ermüde.

Welches Ziel und Maß muß man bei dem Gebrauche solcher Werke anwenden?
Man muß sie mit Bescheidenheit und Klugheit betreiben, damit Überarbeitung und Substanzmißbrauch nicht die employability gefährden und den Menschen zum Amte unfähig machen.

Welchen Nutzen bringt insonderheit das Disziplinieren, oder der Gebrauch der Selbstdisziplinierung?
Die, die nach Vollkommenheit streben, zum journalistischen Bluthund werden wollen, erfahren täglich, daß durch einen solchen Gebrauch der Eifer des Geistes vermehrt, und der Leib wie mit einem Zaume in seiner Pflicht gehalten wird, damit er dem Geiste der Mächtigen als Schoßhündchen willig gehorsame.

Welchen Nutzen haben ferners die stumpfen Hilfstätigkeiten und Donkeyworks, die zur Ermüdung des Leibes gehören?
Ihre Betreibung war schon im Journalismus alter Schule sehr gebräuchlich; die Lehrmeinung war, dass Sporen erst verdient werden müssen, um unfallfrei durch die Medienlandschaft galoppieren zu können. Allerdings war das Pferd da noch a different kind of beast.

Welches sind die vornehmen Früchte, die aus einer strengen journalistischen Ausbildung erwachsen?
Unter mehreren andern haben diese drei den Vorzug: Erstens unterjocht die äußere Abtödtung den Leib, und macht ihn dem Geiste unterthänig; dann trägt sie viel bei zur Demuth des Geistes und bewirkt, daß man so leichter alle Laster (eigene Ideen, Hinterfragung bestehender Auffassungen, etc.) besiege, die durch den Stolz genährt und gehegt werden. Fruchtet die Disziplinierung nicht genügend, gibt es immer noch die innere Abtödtung, bzw. Editor‘s Little Helpers.

§ 2 – Von der inneren Abtödtung

Was ist die wichtigste Aufgabe der inneren Abtödtung bei der journalistischen Ausbildung?
Im Zuge des publizistischen Studiums ist das Aufwallen gar zu eigensinnigen Gemüths zu unterbinden, und das investigative Ungestüm einzuhalten, der den Nachwuchs jählings vom etablierten System fortreißet.

Warum ist auch hierin eine Abtödtung nothwendig?
Weil die Heftigkeit und das Ungestüm im Handeln abseits des approbierten Code of Conduct (Kläffen, ohne die fütternde Hand zu beissen oder selbst gebissen zu werden) schon für sich allein der editorischen Gnade und dem journalistischen Fortschreiten ein ungemeines Hinderniß in den Weg legen.

Da es so viele Hindernisse der journalistischen Vollkommenheit gibt; so wünsche ich sonderheitliche Maßregeln zu vernehmen, deren Gebrauch für diejenigen angemessen sind, welche aufrichtig gesinnt sind, jene Hindernisse zu überwinden!

Hier sind die beiden wichtigsten, damit ein Einfinden in die journalistische Hackordnung mühelos gelinge:

  1. Indem ich weiß, daß ich getäuscht werden kann, und wirklich gar oft getäuscht werde: so will ich gerne meine Meinung aufgeben und den approbierten Curricula beipflichten.
  2. Ich will schon während meiner Ausbildung damit beginnen, bei der Würdigung von Meinungen die extremsten herauszugreifen und diese als gleichberechtigte Pole aufzuspannen, zwischen denen sich die öffentliche Debatte zu bewegen hat.


Welche Frucht bringt die Abtödtung?
Einen Frieden und eine Ruhe vor Selbstkritik, welche einzig und allein nur durch einen allseitigen Sieg über uns selbst errungen werden können.

Welche Ordnung muß man in dem Streben nach Vollkommenheit beobachten?
Redlichkeit in der Recherche und Aufrichtigkeit in der Berichterstattung sind schöne Ziele in der Außendarstellung – um Erfolg zu haben. Befleißige dich aber in Dingen wie Zielgruppenanalyse, Multimediales Storytelling, Strategische Kommunikation, Content Strategien, Immersionssteigerung und Corporate Publishing. Nur so gelingt der erfüllende Wechsel in die PR, wo das Geld wohnt.


Das folgende Fünfte Hauptstück handelt vom Wege der Reinigung: der Selbstexkulpation vom Vorwurf der Parteilichkeit.