Gekümmert um die Ausstellung hat sich Leonhard Müllner als Künstlerkurator, koordiniert wurde von Fina Esslinger. Die Ausstellung entstand auf »vielfachen Wunsch zahlreicher Personen«, wie Georg Ritter, der am längsten und am konstantesten aktive Mitarbeiter der »alten« STWST bei einem Rundgang durch die Räumlichkeiten sagte. Es sollte vor allem auch darum gehen, »aus der zeitlichen Distanz und in einer Kontextualisierung mit einem heutigen offspace«, dem bb15, eine zwischenzeitliche Bewertung der bildenden Kunst von damals zu unternehmen: Was ist aus heutiger Sicht für aktive junge Kunstschaffende relevant, interessant, beeindruckend, welche Zugänge können und wollen hier erschlossen werden, welche Auswahl kann gemacht werden, vor dem Hintergrund welcher Fragestellungen? So gesehen kann man die kleine Schau im bb15 von einem gesammelten Rückblick auf eine Geschichte der Stadtwerkstatt unterscheiden, wie das ja – lang, lang ist‘s her – bereits 1995 zum 15jährigen Bestehen der Stadtwerkstatt in der Landesgalerie gemacht wurde. Wusste die Schau damals mit ihrem bezeichnenden Titel »Stadtwerkstatt in Arbeit« über die Gefahren der Musealisierung bescheid und wollte sie die eigene initiative und spartenüberschreitende Kunstproduktion jenseits eines Labelings eben »in Arbeit« offen halten, dürfte der Versuch hier ein anderer sein: quasi aus einer externen Position eines in sich definierten Kunst-offspaces die Produktion der ersten 23 Jahre nachzuskizzieren, und nun doch unter dem Labeling der Bildenden eine Kunst zu sichern, die sich entsprechend ihrer Ausrichtung der programmatischen Offenheit jeder Eingrenzung entziehen wollte.
In den zwei Räumen der Galerie entfalteten sich durch kleinformatige, an die Wand gehängte Fotografien und Bildwolken das Kunst- und Gesellschaftsvakuum der 70er und 80er Jahre, ein in unvorhersehbarer Bewegung befindlicher Kollektivgedanke, der Häuserkampf der Stadtwerkstatt, in diesem Zusammenhang beinahe zeitfern wirkende, weil handgeschriebene, bzw. schreibmaschinengetippte Unterstützungserklärungen von Peter Weibel, Elfriede Jelinek und Diedrich Diederichsen, einige frühe aktionistische Momente als Ergebnis einer, mit Georg Ritter gesprochen, »permanenten Konferenz der Dinge«, die spätere Hinwendung zur digitalen Kunst, Projekte von »Clickscape« bis »Checkpoint«, »Schall und Rauch« und »Niemand ist sich seiner sicher«. Als aussagekräftig im Zusammenhang mit letztgenanntem »Stadtwerkstatt TV«-Projekt erwies sich das Herausgreifen des installativen Elements eines damals gesprengten Baumes, der nun als nackter Strunk im Raum stand – als Erweiterung einer persönlich gemeinten »Niemand-Sicherheit« auf eine allgemeine Unsicherheit der Dinge. Tatsächlich war speziell die frühe Stadtwerksatt-Geschichte eine kämpferische. Allemal, was den sogenannten Häuserkampf anbelangt, ein Thema über mehrere Jahre. Immer wieder schön anzusehen ist das alte Stadtwerkstatt-Gebäude in der Friedhofstraße mit seiner Kunst-Schutzoberfläche des »Sgraffito Alchemia«, das eben als Maßnahme gedacht war, das alte Haus durch das Anbringen von Kunst vor dem drohenden Abriss zu retten. Der Rest ist bekannt, das Thema Sanierung, Stadtviertelaufwertung, »Verschönerung« heute unter anderen Vorzeichen und Benennungen aktuell. Ein anderes Beispiel im Kontext der »Quartiere« stellt das »Parlament Urfahr« dar, eine lokale Vorwegnahme des heute gebräuchlichen partizipativen Prozederes. Parlament Urfahr verstand sich 1988 als Forum im öffentlichen Raum, als mit Holzbalken abgeteiltes Hausgerüst ohne Wände und ohne Dach, in dem zugänglich und niederschwellig gemeinsam mit PlanerInnen und hohen BeamtInnen der Stadt über Fragen der Stadtzukunft diskutiert wurde. Unter dem Namen »Streit im Quartier – Schöne neue Stadt« wurde möglichst transparent informiert. Als atmosphärisch-installatives Pendant dazu hat mich persönlich aber besonders eine andere Thematisierung von Quartier beeindruckt: »Das Wetterhaus«, gezeigt als Stadtwerkstatt-Projekt im Rahmen des Ars Electronica Festivals 1988, ein fiktives, ungreifbares Gebäude, das durch äußere Witterungsbedingungen auf einen Außenraum zusammengefasst wurde (siehe Bild). Zitat Leonhard Müllner: »Ein Antihaus, das Wärme verheizt, Wasser verschüttet, Dampf erzeugt«. Wenn es darum gehen soll, die Relevanz der STWST-Kunst zu untermauern und nun diesbezüglich nach Jahrzehnten einer Prüfung zu unterziehen, dann will ich aus meiner heutigen ZeitgenossInnenschaft hier besonders applaudieren: Die Dinge auf eine performative Qualität zu untersuchen und die Schutzaspekte eines Gebäudes wortwörtlich, real und in Umkehrung auszustellen, stellt nicht nur existenzielle Bezüge zum Thema Unterkunft dar, sondern steht in einem hochaktuellen Bezug zu einer installativ-performativen Kunst, die sich zwischen den Spartengrenzen selbst und eigenständig verortet. Ein Haus mit Eigenschaften, ein Ding mit seiner bedeutsamen Wortwörtlichkeit wird sozusagen selbst zum Performer einer eigenen Syntax, in einer, denke ich, für die damalige STWST recht typischen Mixtur der Darstellung des gleichzeitig Starken, Argen und flirrend Poetischen.
Zweifellos inkludiert die Herangehensweise einer Aufarbeitung von Geschichte auch Ambivalenzen zum Gegenstand der Untersuchung. Wenn Leonhard Müllner sagt, dass zu Anfangszeiten »nicht nur das Gebäude, sondern auch die Personen collagenhaft zusammengezimmert waren« meint das zum Beispiel neben den Kunstaktiven auch die so genannten »Randexistenzen«. Was neben den schon interessanten Fragestellungen nach einer kollektiven KünstlerInnenschaft, der aufgelösten Grenzziehungen zwischen den Sparten, zwischen Kunst und Leben, etc. auf ein anderes Spezifikum dieser Zeit hindeutet: auf das titelgebende Motto des »Feuer füttern«, das wahrscheinlich die Klammer der gemeinsamen »Randexistenz« schlechthin beschreibt, und eine gemeinsame Befeuerung eines bestimmten Milieus, den spannungsgeladenen Versuch der Einübung auf Widersprüchlichkeiten, um Dinge und Anliegen nach vorne zu bekommen – und es waren derer wichtige und deren viele Personen, die das wollten: Über die Anfangszeit gibt die Publikation »Stadtwerkstatt in Arbeit – 1979 – 1995 – » umfassend Auskunft. Die Nichtnacherzählbarkeit einer vollständigen Geschichte ist ohnehin Legende. Unter welchen Bedingungen und mit welchen Fragestellungen die STWST entstanden ist, wie sie organisiert war, wie sie mit einer kollektiven KünstlerInnenschaft umgegangen ist – dies ist zweifelsohne relevant. Und im Nachhinein kann man jedenfalls den absoluten Spezialfall eines derartigen Zusammentreffens von Initiative und Kunst nur bestaunen. Die Auswirkungen auf die Stadt und die weitere Entwicklung ihres kulturellen Lebens sind bekannterweise weitreichend.
In Richtung weiterer Aufarbeitung, auch der neueren STWST-Projekte nach 2004, dürfte eine Herausforderung das Archiv, bzw. das sogenannte Kunstlager der STWST sein, denn sich »Zugang zu verschaffen« bedeutete laut Fina Esslinger auch, das im Kunstlager vor Ort recht handgreiflich nehmen zu müssen. Wünschenswert wäre eine Weiterführung, bzw. auch ein größeres Sichtbarmachen über die Zeit nach 2004 allemal. Ob das die Stadtwerkstatt im Eigenauftrag auch machen will, oder auch wann und vor allen mit welchen Mitteln, ist eine andere Sache. Dazu fällt mir ein Satz ein, der von Franz Xaver, jetziger Mitarbeiter der Stadtwerkstatt, gerne mal zitiert wird: »Wer dokumentiert, verliert«. Ich glaube, er hat recht. Ich glaube aber auch, dass er leider nicht recht damit hat.
Aber das ist, bezogen auf die Stadtwerkstatt, vielleicht sogar das Thema überhaupt.
Stadtwerkstatt. In Arbeit 1979 – 1995. Alles was abgeht. OÖ. Landesgalerie, Triton 1995, www.stwst.at